In-Use-Compliance-Vorschrift Auf Dauer sauber

In-Use-Compliance-Vorschrift, Euro-6-Abgasgrenzwerte Foto: Jacek Bilski

Über 700.000 Kilometer müssen sich die Euro-6-Abgasgrenzwerte nachweisen lassen – eine Verschärfung gegenüber Euro 5.

Vor der EG-Typzulassung, also vor Einführung eines neuen Nutzfahrzeug-Modells, müssen die Hersteller nachweisen, dass der Antrieb der gültigen Abgasnorm entspricht. Aber auch während des Fahrzeugbetriebs müssen die Hersteller sicherstellen, dass das neue Modell nicht mehr Abgase ausstößt als erlaubt. In Service Conformity (ISC), zu Deutsch: Übereinstimmung während des Gebrauchs, heißt das im Fachjargon.

Nachweispflicht verlängert

Mit Wechsel von Euro 5 zu Euro 6 wächst diese Nachweispflicht für Lkw ab 16 Tonnen von 500.000 Kilometer Laufleistung auf 700.000 Kilometer beziehungsweise sieben Jahre Nutzungsdauer. Für Lkw, die leichter als 16 Tonnen sind, besteht die Nachweispflicht über 300.000 Kilometer. Keine einfache Aufgabe, denn wie viele andere Fahrzeugbauteile altern auch Motor und Abgasreinigung. Damit kann sich deren Effizienz verringern.

"Diese Vorschrift bedeutet für unsere Kunden große Herausforderungen und Kosten", erklärt Heimo Schreier vom Entwicklungsdienstleister AVL List. Die dafür erforderlichen Messungen werden im realen Betrieb auf der Straße mithilfe einer mobilen Abgasmessanlage (Portable Emission Measurement System, PEMS) ermittelt und von einer Prüfbehörde durchgeführt", erklärt Schreier. Welche das ist, regelt der jeweilige EU-Staat. So kann hierzulande das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) eine Prüforganisation wie Dekra damit beauftragen. "Bis Euro 5 war diese Feldüberwachung aber praktisch nicht existent", heißt es bei Daimler. Das ändert sich nun und die Stichprobe soll nach statistischen Methoden gezogen werden.

Teststrecke muss bestimmte Anforderungen erfüllen

Für die ISC-Prüfung wird von Fahrzeughersteller und Prüfbehörde eine Teststrecke festgelegt, die bestimmte Anforderungen erfüllen muss. Dahinter verbirgt sich wie schon bei der Typprüfung ein Mix aus Stadt-, Überland- und Autobahnfahrt. Zudem muss laut Schreier sichergestellt sein, dass das Fahrzeug ordnungsgemäß gewartet wurde, Manipulationen – etwa durch den Betreiber – ausgeschlossen und die geeigneten Betriebsmittel eingefüllt sind.

Weil Streuungen, etwa durch Bauteil- und Fertigungstoleranzen, vor allem aber durch Fahrer und Fahrstil auftreten können, hat der Gesetzgeber einen Zielkorridor vorgegeben. Laut Schreier gilt zum Beispiel für den Stickoxid-Wert (NOx) ein sogenannter Konformitätsfaktor von 1,5. Der Test ist also erfolgreich bestanden, wenn der während der Prüffahrt gemessene NOx-Ausstoß höchstens das 1,5-Fache des Werts in der Vorschrift zur EG-Typzulassung erreicht.

Europa ist Vorreiter in Sachen Abgas

In absoluten Zahlen ergibt das 0,6 Gramm pro Kilowattstunde (g/kWh) NOx. Damit ist laut Daimler klar, dass die Emission des Motors nicht notwendigerweise unter allen Bedingungen auf Grenzwertniveau liegt, die Proportionalität zum Grenzwert aber gegeben ist. "Europa ist mit diesem strengen Verfahren Vorreiter auf der Welt", behauptet AVL-Experte Schreier.

Weil Systeme wie Motor, Einspritzung, Filter und Katalysatoren altern und Letztere auch durch Motoröl-Rückstände belastet werden, müssen die Hersteller entsprechende Reserven im System vorsehen. Das können laut Iveco größere Katalysatoren-Oberflächen sein, eine an die Veränderungen anpassbare Adblue-Dosierung oder Thermomanagement-Anpassungen wie eine Anhebung der Abgastemperatur. Das alles bedeutet aber Entwicklungsaufwand sowie Entwicklungs- und Fertigungskosten.

Die Sanktionen für Hersteller können kostspielig ausfallen. Jedoch sei die Art der Maßnahme im Gesetz nur schwammig definiert, erklärt Schreier. Im schlimmsten Fall drohe aber der Entzug der Betriebserlaubnis. Auch eine Rückrufaktion könne sich aus einer mangelhaften ISC-Messung ergeben.

Navistar mit Problemen

Schreier verweist auf Erfahrungen in den USA. Dort musste Navistar, Verfechter einer ausschließlichen auf Abgasrückführung (AGR) basierenden Emissionsminderung, seine komplette Motorenstrategie überarbeiten. Die US-Umweltbehörde EPA hatte dem Unternehmen wegen gravierender Abweichungen die Betriebserlaubnis für seine Fahrzeuge entzogen.

In jedem Fall muss der Hersteller laut Iveco mit der zuständigen Behörde einen Plan abstimmen, wie und in welcher Zeit das Problem zu lösen ist. Jedoch haben die Fahrzeugproduzenten schon seit Euro 4 und 5 viele Erfahrungen mit SCR-Anlagen und Partikelfiltern gesammelt, sodass große Überraschungen wohl auch während der nächsten sieben Jahre oder 700.000 Kilometern ausbleiben dürften.

Hinzu kommen Erfahrungen aus Dauerläufen auf dem Prüfstand. Daraus lässt sich der Deterioration Factor, der Alterungsfaktor, ermitteln, der bereits bei der Typprüfung berücksichtigt wird und im Falle von NOx 1,15 beträgt. Diese 15 Prozent Verschlechterung müssen schon bei der EG-Typprüfung eingerechnet werden. Der Motor muss also um 15 Prozent unter dem Grenzwert liegen.

Übereinstimmungsprüfungen bei laufender Produktion

Zudem führen die Hersteller zur Absicherung laut Daimler immer wieder Übereinstimmungsprüfungen bei der laufenden Produktion durch. Gerade hocheffiziente Filter und Katalysatoren mit Wirkungsgraden jenseits 90 Prozent gelten aber als empfindlich. "Es ist eine Kunst, diesen Wert dauerhaft sicherzustellen", sagt Schreier.

Daher schaut so manch einer auf den Wettbewerber, der sich beispielsweise für eine SCR-only-Strategie mit Stickoxid-Konversionsraten jenseits der 90 Prozent entschieden hat. Denn wer zur Abgasreinigung auch die Abgasrückführung verwendet, hat noch eine zweite Stellschraube, um die In Service Conformity sicherzustellen. Bislang aber heißt es bei den befragten Herstellern Iveco, ­Scania und Mercedes einstimmig: "Wir sind uns sicher, dass die Emissionen unserer Fahrzeuge auch über den gesetzlich bestimmten Gebrauchszeitraum hinweg deutlich unter den Anforderungen liegen werden."

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