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Impfstoffverteilung in Deutschland Logistik unter Aufsicht

Impfstofflogistik Foto: MARC ISRAEL SELLEM, DHL, Kühne + Nagel, UNITAX 13 Bilder

Impfstoffverteilung in Zeiten der Coronapandemie: Wenn die Logistik ein Sicherheitsthema ist.

Wertvolle Impfstoffe, die in Campingkühlboxen transportiert wurden? Das, was vor Kurzem von Medien aus Bayern berichtet wurde, und auch die damit generierte Aufmerksamkeit zeigen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Logistik im Zusammenhang mit dem Thema Impfstoffe deutlich gestiegen ist.

„Ein sachgerechter und sicherer Transport ist notwendig, damit die möglichen Covid-19-Impfstoffe unbeschadet bei den zu Impfenden in allen 16 Ländern ankommen“, heißt es in der nationalen Impfstoffstrategie des Bundesgesundheitsministeriums. Der Bund organisiert dabei die Verteilung möglicher Covid-19-Impfstoffe an festen Standorten in jedem Bundesland; die Länder wiederum sind zuständig „für die sachgerechte und sichere Lagerung und Verteilung von Impfstoffen vor Ort sowie die Beschaffung und Vorhaltung von benötigtem Impfzubehör“.

Länder schweigen zu den Lagerstandorten

Dafür mussten auch die Länder investieren. Nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums hat der Freistaat etwa für die Lagerung der Impfstoffe bei bis zu minus 80 Grad allein 40 Ultratiefkühlschränke gekauft. Sicherheit ist ein ganz großes Thema. Die zentralen Lagerstandorte geben die Länder aus Sicherheitsgründen nicht bekannt, teilweise werden trotz konkreter Anfrage nicht einmal die Namen der beauftragten Firmen genannt.

Bundesweiter Impfstart war der 27. Dezember 2020, die Länder hatten aber mindestens schon einen Tag früher die Impfdosen bekommen. 9.750 Dosen erhielt jedes Bundesland ohne Berücksichtigung des Bevölkerungsschlüssels. So sollte sichergestellt werden, dass flächendeckend in Deutschland mit den Impfungen begonnen wird.

Logistikdienstleister mit zertifizierten Pharmanetzwerken machen den Job

Bei der Logistik von den Zentrallagern der Länder zu den Impfzentren – 99 sind es allein in Bayern – setzen die Länder auf Logistikdienstleister mit zertifizierten Pharmanetzwerken, die einen gesicherten temperaturgeführten Umschlag und die Distribution mit geeigneten Fahrzeugen garantieren. Dabei sind je nach Impfstoff Temperaturen von minus 80 Grad bis zum Temperaturbereich von 2 bis 8 Grad einzuhalten.

Den ersten Auftrag hatte DHL Supply Chain bereits im vergangenen Dezember verkündet. Niedersachsens Landesregierung hatte nach DHL-Angaben als erstes Bundesland die Impfstofflogistik vergeben; DHL Supply Chain stellt für das Bundesland im Kampf gegen die Pandemie seine Lager und Infrastruktur zur Kühlung und zum Transport der ersten 2,2 Millionen Impfdosen bereit.

Auch das Bundesland Baden-Württemberg setzt auf DHL als Dienstleister. Laut einer Sprecherin des Sozialministeriums waren bis zur ersten Januarwoche rund 170.000 Impfdosen befördert worden, danach kamen mit zehn Tagen Abstand jeweils 87.000 Biontech-Impfdosen an, die weiterverteilt wurden. Inzwischen gibt es wöchentliche Belieferungen.

DHL liefert international

Neben der Straße setzt DHL für die Impfstofflogistik auch sein internationales Luftfrachtnetzwerk ein und verkündete ebenfalls noch im Dezember den ersten Transport von Covid-19-Vakzinen mit einer Maschine von DHL Express nach Israel. Die Maschine wurde sogar von Premierminister Benjamin Netanjahu in Empfang genommen. Weitere Länder wie Bahrain, Chile, Costa Rica, Mexiko, Oman und Singapur haben ebenfalls den Konzern für ihren Impfstofftransport gewählt.

Nordrhein-Westfalen setzt bei seiner Impfstrategie auf den Logistikdienstleister Kühne + Nagel, der nach eigenen Angaben ein zentrales Distributionszentrum betreibt, in das die Impfstoffdosen geliefert werden. Dort werden sie in kleinere Mengen umgepackt und täglich an 53 Impfzentren sowie weitere Einrichtungen des Gesundheitswesens in NRW verteilt.

Moderna beauftragt Kühne + Nagel

Nachdem Anfang Januar 2021 die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) auch den Covid-19-Impfstoff des US-Biotechnologie-Unternehmens Moderna zugelassen hat, wird Kühne + Nagel für den Hersteller die Verteilung und den Vertrieb übernehmen. Eine entsprechende Supply-Chain-Vereinbarung umfasst demnach den Vertrieb in Europa, Asien, dem Nahen Osten und Afrika sowie in Teilen Amerikas. Die Verteilung und Lagerung des Impfstoffs sollen aus einem europäischen Pharmahub von Kühne + Nagel erfolgen. Laut dem Dienstleister mit Sitz im schweizerischen Schindellegi beträgt bei dem Moderna-Vakzin die für Transport und Lagerung benötigte Temperatur minus 20 Grad.

In Berlin übernimmt Dachser die Lagerverwaltung und Distribution der Kühlboxen an Impfzentren, Krankenhausapotheken und mobile Impfteams. Im Auftrag des Berliner Senats verwaltet der Logistikdienstleister die Impfdosen ab Anlieferung im zentralen Impfstofflager und liefert sie täglich an bis zu sechs Berliner Impfzentren, elf Krankenhausapotheken und bis zu sechzig mobile Impfteams aus. Das notwendige Impfzubehör kommt aus einem Warehouse des Logistikdienstleisters.

Unitax-Pharmalogistik liefert in Brandenburg aus

Währenddessen ist der Berliner Dienstleister Unitax-Pharmalogistik für das Land Brandenburg tätig und beliefert Krankenhäuser und Senioreneinrichtungen sowie die Impfzentren des Landes. Diese befinden sich in Potsdam, Cottbus, Schönefeld, Elsterwerda, Frankfurt (Oder), Oranienburg, Eberswalde, Brandenburg an der Havel, Prenzlau, Kyritz und Luckenwalde.

Impfstart in Brandenburg war ebenfalls der 27. Dezember. Den ersten Transport übernahmen Firmengründer André Reich und CFO Steven Reinhold persönlich – sie brachten den Impfstoff von Biontech/Pfizer zu einer Senioreneinrichtung nach Großräschen im Landkreis Oberspreewald-Lausitz.

Aktuell ist die Unitax-Pharmalogistik täglich mit sechs bis zehn Spezialfahrzeugen im Einsatz, pro Tag werden rund 45 Stationen angefahren und mit dem Covid-19-Impfstoff beliefert. CEO André Reich geht davon aus, dass die Menge der transportierten Impfdosen in den nächsten Wochen noch weiter steigen wird.

Weiteres Kühlequipment gekauft

Auch der Impfstoff von Moderna, den Unitax zurzeit ausliefert, ist temperaturempfindlich. „Auf die temperaturgeführte Lagerung in unterschiedlichen Klimabereichen und Transporte nach der GDP-Guideline sind wir spezialisiert“, sagt André Reich. „Wegen der besonderen Anforderungen an die Impfstofflogistik haben wir für das Projekt eine eigene Mannschaft aufgestellt und bereits in weiteres Kühlequipment investiert.“

In Rheinland-Pfalz wurde ebenfalls ein spezialisiertes regionales Logistikunternehmen für den Transport des Impfstoffs beauftragt. Die Belieferung der 31 Impfzentren des Landes mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer erfolgte demnach bisher in Chargen von bis zu 68.000 Impfdosen. Seit dem 18. Januar gibt es wöchentliche Lieferungen von je rund 34.000 Dosen.

Auch in Sachsen-Anhalt kam ein regionales Unternehmen zum Zuge: Anlieferung und Verteilung von Impfzubehör und Impfstoffen erfolgen über das für Impfstoffe zertifizierte Unternehmen Osmann mit Sitz in Irxleben, hinter dem die Stern-Apotheke am Hasselbachplatz in Magdeburg steht. Bei der Logistik zum Impfstart bekam das Unternehmen zudem Unterstützung durch das Technische Hilfswerk (THW), das nach Angaben der Landesregierung auch beim Aufbau der 14 Impfzentren mitgeholfen hat.

In Bayern übernimmt die Logistik ein bekannter Pharmalogistiker aus der Nähe von Heidelberg, der seit dem Start der Impfaktion nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums bis Mitte Januar schon 330.000 Impfstoffdosen transportiert hat.

Campingkühlboxen außerplanmäßig im Einsatz

Und was hat es mit den Campingkühlboxen von Dometic auf sich? Laut einem Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums wurde bei den ersten beiden Impfstofflieferungen nach Bayern nur eine geringe Menge transportiert, eine Kommissionierung habe daher durch den Transportdienstleister nicht durchgeführt werden können. Aus diesem Grund kamen die speziell ausgewählten, weil aktiv kühlenden Kompressorkühlboxen für die überregionale Verteilung außerplanmäßig zum Einsatz.

„In den bekannten Fällen waren die Ursachen für die unklare Einschätzung der Kühlkette Handhabungsfehler beim Gebrauch der Temperaturlogger“, erläutert der Ministeriumssprecher. Die Abweichungen seien auf eine fehlende Vorkühlung der Datenlogger sowie deren Positionierung innerhalb der Kühlboxen zurückzuführen. Die Kühlboxen hätten demnach einwandfrei funktioniert.

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