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Im Fall eines harten Brexits Spediteure warnen vor Staus und Zusatzkosten

Foto: Matthias Rathmann, Montage: Oswin Zebrowski

Spediteure rüsten sich für den Brexit. Wie sich die England-Spezialisten Kottmeyer, Stromps und Braun vorbereiten.

Beim Gezerre um den Ausstieg Großbritanniens aus der EU zeichnet sich weiterhin keine Lösung ab. Nachdem der ausgehandelte Vertrag vom britischen Parlament abgelehnt wurde, wird ein harter Brexit am 29. März immer wahrscheinlicher. Die Unsicherheit macht jede Form von Planung nahezu unmöglich, die Zeit wird immer knapper, und mit der neuen Grenze, mit Zollformalitäten und bürokratischen Hürden steigen Aufwand und Kosten. Auch die Flüchtlinge an der Kanalküste rücken wieder in den Fokus. Sie könnten ab Frühjahr vermehrt ver­suchen, wartende Lkw zu entern, um nach Großbritannien zu ­gelangen.

Spedition Kottmeyer schafft zusätzliche Lagerflächen

„Wir haben uns zolltechnisch vorbereitet und unsere Zollnummer reaktiviert“, sagt Horst Kottmeyer, Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition aus Bad Oeynhausen. Außerdem wurden CEMT-Genehmigungen beantragt. Der Spediteur fährt Indus­triegut und hat Kundschaft aus der Automobilindustrie. Beide Branchen bauen in Großbritannien Lagerbestände auf. „Aber man kann nicht alles bunkern, vieles wird ja direkt an die Produktion geliefert“, erklärt er. Kottmeyer selbst – der ­zugleich Vorsitzender des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL) ist – schafft auch zusätzliche Lagerkapazitäten, etwa 2.000 Quadratmeter. „Wir fahren täglich 15- bis 20-mal nach England. Wenn alles stocken sollte, holen wir die Fahrzeuge von der Straße zurück und lagern die Ware hier ein“, erläutert er.

Der Unternehmer geht davon aus, dass die Situation am Eurotunnel etwas entspannter sein könnte als bei den Fähren, denn dort seien die Flächen für gesicherte Parkplätze erheblich erweitert worden. Wer aber mit dem Schiff in Dover ankommt, trifft auf ein generelles Parkverbot; der ehemalige Zollhof ist längst zugebaut. „Man kann dort nicht verzollen, weil es gar keinen Stauraum gibt, nicht für eine einzige Schiffs­ladung Lkw“, stellt Kottmeyer fest. In Dover kommen aber täglich rund 10.000 Fahrzeuge an.

Transporteur Braun befürchtet erhebliche Wartezeiten

„Wenn es wirklich zu einem ungeregelten Austritt kommt, stehen nach einer Woche die Lkw bis nach Luxemburg“, befürchtet Sven Braun. Der Transportunternehmer aus dem Schwäbischen verweist dabei auf die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz, wo alles eingespielt und geregelt sei und es trotzdem zu längeren Wartezeiten komme. „Wenn meine Autos irgendwo im Stau stehen, dann fehlen sie mir hier zum Laden“, sagt Braun, der ausschließlich nach Großbritannien fährt. „Die Verlader rufen bei mir an und fragen nach, ob ich mehr weiß“, berichtet er. Er weiß aber nicht mehr – außer, dass die Existenz seiner Firma auf dem Spiel stehen könnte.

Stromps: Flaschenhals ist Importabwicklung

Geschäftsführer Christoph Rochow von der Spedition Stromps aus Krefeld geht davon aus, dass es noch zu einer wie auch immer gearteten Lösung kommt. Trotzdem habe man sich vorbereitet. Bei einem harten Brexit seien Ausfuhrerklärungen für die deutsche Wirtschaft das kleinere Problem. „Der Flaschenhals dürfte bei der Importabwicklung in Großbritannien entstehen.“ Da Stromps sehr viel unbegleitet verschiffe, würden die eigenen Ladeeinheiten möglicherweise einen oder zwei Tage länger in den Häfen stehen.

„Aber die Kollegen, die im temperaturgeführten Bereich mit Arzneimitteln, Schnittblumen oder Obst und Gemüse unterwegs sind, werden sich sehr schnell über­legen, ob sie überhaupt noch nach Großbritannien fahren“, schätzt Rochow die Lage ein. Auch die Just-in-time-Belieferung der Auto­mobilindustrie sei in Gefahr.

Um eine Unterbrechung der Lieferkette zu vermeiden, hatte Autobauer BMW angekündigt, die jährlichen Werksschließungen an den vier britischen Standorten auf die Zeit direkt nach dem Austritt zu verlegen. Wenn nach einem harten Brexit nichts mehr gehe, kehre vermutlich schnell Vernunft ein, zeigt sich Horst Kottmeyer überzeugt. Im Extremfall seien nämlich die Regale in den Supermärkten innerhalb von 36 Stunden leer.

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