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Bernd Buchholz im Gespräch Veränderungen bieten mehr Chancen als Risiken

Foto: Harald Haase

Von der Medienbranche in die Verkehrspolitik: Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz spricht im Interview mit eurotransport.de über alternative Antriebe und Fahrverbote.

trans aktuell: Herr Buchholz, welche Branche ist spannender: die Medienbranche oder die Verkehrspolitik?

Buchholz: Beides ist spannend. Jedoch auf unterschiedliche Art und Weise. Medien sind spannend aufgrund ihrer Vielfalt und der Tatsache, dass man Einblicke in sehr unterschiedliche Bereiche hat. Verkehrspolitik ist spannend, weil sie unmittelbaren Einfluss auf das Alltagsleben der Menschen hat und es zugleich ein enorm dickes Brett ist, das man da bohren muss.

Gibt es Parallelen?

Natürlich. In Wahrheit hat man oft Projekte vor sich. Hier der nächste Artikel, dort die neue Straße oder Schiene. In die Projektsteuerung kann ich eine Menge Erfahrung aus der Medienbranche einbringen. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich in einigen Themen der Verkehrspolitik nicht so sehr politischer Vorausdenker bin, sondern vielmehr oberster Projektmanager. In dem Sinne, dass ich folgende Fragen klären muss: Was ist das Projektziel? Wer ist Projektverantwortlicher? Welcher Zeitrahmen gilt?

Nun sind beide Bereiche – Medien und Verkehr – von einem tiefen Wandel geprägt, besonders im Hinblick auf die Digitalisierung. Sehen Sie darin eher Chancen oder Risiken?

Ich bin ein Liberaler. Deshalb betone ich die Chancen von Veränderungen stärker als die Risiken. Im Übrigen ist etwa die Digitalisierung ohnehin nicht aufzuhalten. Insofern gilt es, diesen Prozess positiv zu gestalten. In der Medienbranche war bereits in den Nullerjahren klar, dass sich ganze Geschäftsmodelle verändern werden.

… und in der Verkehrspolitik?

In der Verkehrspolitik ist dieser Digitalisierungs- und Veränderungsprozess genauso sichtbar. So sind etwa in unserem Landkreis Herzogtum Lauenburg bei Hamburg bereits autonome Busse unterwegs. Dies hat sicherlich noch Modellprojektcharakter. Doch die Automatisierungssysteme in Oberklassefahrzeugen sind bekanntlich schon so weit gediehen, dass man das Fahrzeug manchmal fast sich selbst überlassen könnte.

Welche Konsequenzen sind damit verbunden?

Die Frage ist doch: Können wir als Wirtschaftsstandort Deutschland diesen Weg positiv gestalten und Impulse setzen? Sonst müssen wir zuschauen, wie die Googles und Ubers plötzlich die Wertschöpfung übernehmen. Im Straßenverkehr ist die Mobilität irgendwann einmal emissionsfrei, wenn wir die Ressourcen dieses Planeten erhalten wollen. Die Frage ist, wie wir den Weg zur emissionsfreien Mobilität gewährleisten. Wir sind also schon mitten drin in der Energiewende.

… gutes Stichwort. Schleswig-Holstein bezeichnet sich selbst als Energiewendeland. Woraus leitet sich dieser stolze Anspruch ab?

Das ist die Frage eines Baden-Württembergers, die sich für einen Schleswig-Holsteiner nicht stellt. Schleswig-Holstein bezeichnet sich nicht nur als Energiewendeland, Schleswig-Holstein ist das Energiewendeland. Wir sind geradezu prädestiniert dazu, den Wind von der Küste und den Meeren draußen einzusammeln. Die Herausforderung besteht darin, diese Energie zu nutzen und etwas daraus zu machen, zum Beispiel durch Umwandlung in Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe.

Produziert Schleswig-Holstein tatsächlich mehr Energie, als es verbraucht?

In der Tat, ja. Die Herausforderung ist allerdings, die Schwankungsbreite in der Erzeugung auszugleichen. Auch hier ist Digitalisierung ein wichtiges Stichwort.

Wird bereits übermorgen in Schleswig-Holstein alles nur noch mit regenerativer Energie stattfinden?

Das wäre unrealistisch. Der Übergang dahin ist ein weiter Weg. Und hier lassen sich etwa im Schwerlastverkehr die Schadstoffemissionen deutlich reduzieren, insbesondere Stickoxide.

Sie sprachen gerade von einem weiten Weg …

… weil der gesetzliche und regulatorische Rahmen nicht passt. Nehmen wir mal die Produktion von Wasserstoff aus Wind, also grünen Wasserstoff: Die Unternehmen können dies beispielsweise weder auf ihre übrigen Emissionen anrechnen lassen noch werden sie von den eigentlich für Endkunden gedachten Kosten befreit, beispielsweise der EEG-Umlage. Hier hat Berlin einige Hausaufgaben zu erledigen.

Harald Haase Foto: Harald Haase
Sieht Parallelen zwischen der Medien- und der Verkehrsbranche: Minister Bernd Buchholz im Gespräch mit trans aktuell-Redakteur Ralf Lanzinger.
Laut Klimaschutzplan der Bundesregierung soll der Verkehrssektor bis 2030 bis zu 42 Prozent weniger Treibhausgase emittieren als heute. Welchen Beitrag kann der Sektor Verkehr aber tatsächlich leisten?

In der gerade beschriebenen Zwischenzeit werden alternative Kraftstoffe eine Rolle spielen, die noch auf fossilen Brennstoffen beruhen – beispielsweise LNG. Zur Wahrheit gehört aber auch: In der Vergangenheit ist die Produktion von CO2 aus dem Verkehrsbereich gestiegen. Vor allem wegen erhöhter Dieselverkehre im Schwerlastbereich bundesweit. Auch hier in Schleswig-Holstein haben wir viel Schwerlastverkehr, da wir ein wichtiges Transitland von Skandinavien her sind. Wenn die Ziele mit den Realitäten so gar nicht zusammenpassen, dann nutzen einem die besten Ziele nichts.

Bleiben wir trotzdem bei der Schadstoffminderung: Welche Möglichkeiten sehen Sie hierbei in den Bereichen Nahverkehr, Regional- oder Fernverkehr?

Die Möglichkeiten sind vielfältig und wir probieren vieles aus: wasserstoffbetriebene Busse in Nordfriesland beispielsweise oder E-Busse in Lübeck. Zudem setzen wir LNG-betriebene Busse im öffentlichen Personenverkehr ein. Ebenso verläuft hier in Schleswig-Holstein eines der zentralen transeuropäischen Verkehrsprojekte durchs Land: der Fehmarnbelt-Tunnel. Dieses Projekt trägt sehr dazu bei, die Güterverkehre auf die Schiene umzulagern.

Auch in Schleswig-Holstein nehmen Lieferverkehre in den Städten zu – und damit ebenso der Schadstoffausstoß. Drohen auch in Kiel Fahrverbote?

Hier ist die Luft klar und von der Ost- und Nordsee geprägt. Wir haben nur eine einzige Straße in ganz Schleswig-Holstein – den Theodor-Heuss-Ring in Kiel –, die durch ihre spezielle Lage mit einer Messstation ausgestattet ist. Wir werden jedoch alles dafür tun, um Fahrverbote zu vermeiden.

Was sind Ihre Ansätze?

Wir versuchen hier sehr stark eine Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene und auf die Wasserstraße. Problematisch ist jedoch, dass es hierbei oft zu erheblichen Bürgerprotesten kommt. Denn: Die Schienen könnten ja laut sein.

Ein Projekt, das in der Realität sehr leise ist, aber dennoch Schlagzeilen gemacht hat, ist der eHighway zwischen der A1-Anschlussstelle Reinfeld und dem Autobahnkreuz Lübeck. Hier entstehen auf einer Teststrecke für elektrisch angetriebene schwere Nutzfahrzeuge Oberleitungen. Wie ist der momentane Stand?

Wir sind momentan in der Ausführungsphase. Das Baurecht liegt vor. Mit dem Baubeginn rechnen wir für Ende Juni 2018. Wenn alles gut geht, ist der eHighway bis zum Sommer 2019 gebaut.

Die Fördermittel für den eHighway kommen aus Mitteln des Bundesumweltministeriums. Gibt es deswegen Zeitdruck?

Der ganze Zeitplan für das Projekt war sehr eng. Jedoch liegen wir aktuell gut in der Zeit. Manchmal ist es gut, Zeitdruck zu haben. Die Beteiligten kommen dann oft schneller zu Entscheidungen.

Nehmen außer der Spedition Bode an diesem Projekt noch weitere Speditionen teil?

Das Projekt ist offen. Das heißt, es können gerne noch weitere Speditionen dazukommen. Die Spedition Bode ist deshalb besonders prädestiniert, weil sie an der Autobahn-Anschlussstelle Reinfeld liegt. Sie ist zudem quasi im Pendelverkehr mehrfach über dieses Teilstück der Autobahn unterwegs und kann die elektrische Ladeinfrastruktur folglich an diesem Teilstück nutzen.

Muss eine Spedition bestimmte Kriterien erfüllen, um bei diesem Feldversuch dabei zu sein?

Es ist die Bereitschaft notwendig, den Lkw umzubauen. Dies erfordert gewisse Investitionen. Auch die Wirtschaft ist gefordert, wenn ein Land innovativ sein soll. Innovation kommt nicht nur aus staatlichen Haushaltsmitteln.

Wie steht es um den Kombinierten Verkehr in Schleswig-Holstein, beispielsweise Wasser-Schiene oder Lkw-Schiene?

Die Frage, wie Häfen an andere Verkehrsmittel angebunden sind, entwickelt sich immer mehr zum wichtigen Wirtschaftsfaktor. Wir haben am Lübecker und Kieler Hafen alle Anstrengungen unternommen, um Intermodalität zu gewährleisten. Dort können schon seit Längerem lange Güterzüge schnell auf Schiffe umschlagen. Und auch der Umschlag von Wasserstraßen auf Lkw spielt dort eine große Rolle.

Wir haben im Verlauf des Gesprächs einige Möglichkeiten angesprochen, den Schadstoffausstoß zu mindern. Wo könnte Schleswig-Holstein Vorreiter sein?

Hier fällt mir spontan eine Raffinerie in der Stadt Heide ein, wo heute noch Mineralölkerosin produziert wird. Dort könnte künftig synthetisches und emissionsfreies Kerosin aus grünem Wasserstoff erzeugt werden. Das ist die Vorreiterrolle, die Schleswig-Holstein im Bereich der Energiewende hat. Nämlich der innovative Treiber zu sein, genau diese Wandlung von grüner Energie in alle möglichen Verkehrsträger voranzubringen.

Zur Person

  • Bernd Buchholz wurde 1961 im damaligen West-Berlin geboren und fungiert seit 2017 als Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein. Der studierte Jurist ist FDP-Mitglied.
  • Zuvor arbeitete Buchholz unter anderem für das Hamburger Verlagshaus Gruner+Jahr, an dessen Spitze er von 2009 bis 2012 stand.
  • Buchholz ist verheiratet, Vater zweier erwachsener Söhne, leidenschaftlicher Motorradfahrer und – sofern es sein Job zulässt – Läufer und Golf-Spieler.
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