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Haftung Zusammen und doch getrennt

Haftung Foto: Thomas Rosenberger

Für Speditionen, die hauptsächlich gezogene Einheiten im Fuhrpark haben, hat das Urteil des Bundesgerichtshofs schwerwiegende Folgen. Denn: Die Prämien für Anhänger oder Auflieger werden in die Höhe schießen. Das jedenfalls kündigen einige Versicherungen wie die Kravag bereits an.

Der Grund dafür ist simpel: An einem Unfall mit Gespann sind die gezogenen Fahrzeuge jetzt zu 50 Prozent beteiligt. Das geht für die Versicherungen und damit auch für die Transportunternehmen ins Geld. So manches Geschäftsmodell ist dann betriebswirtschaftlich nicht mehr tragbar oder zumindest stark gefährdet.

Hans Stapelfeldt, Vorsitzender des Hamburger Verbandes für Straßengüterverkehr und Logistik (VSH) und geschäftsführender Gesellschafter bei Stapelfeldt Transport, identifiziert drei Gruppen, die von der Umsetzung des Urteils unterschiedlich hart betroffen sind: Zum einen die bereits erwähnten Unternehmen mit vielen gezogenen Einheiten im Fuhrpark. Für diese Transportunternehmen sei es schwer geworden, rentabel zu arbeiten. "Gerade für Unternehmen im Containerverkehr, die die Chassis stellen, ist das Urteil der GAU", sagt Stapelfeldt.

Teilung der Unfallkosten

Eine weitere Gruppe sind die Unternehmen, die einen etwa ausgeglichenen Fuhrpark besitzen. Sie werden nur geringfügig höhere Kosten haben. Die dritte Gruppe ist fast gar nicht betroffen: Sie besitzt zumeist nur Lkw oder Sattelzugmaschinen. Doch sie wird nicht von der Teilung der Unfallkosten zwischen Zugmaschine und Anhänger profitieren. "Die Prämien für die Zugmaschinen hat keine Versicherung aufgrund der Trennung für Lkw und Sattelzugmaschinen gesenkt", erzählt Stapelfeldt.

Das Urteil trifft auch den Hamburger Spediteur. "Es ist sehr schwierig, mögliche Aufträge durch Leihfahrzeuge zu kompensieren. Die Mieten sind so hoch, dass es sich kaum noch lohnt, Aufträge anzunehmen", sagt Stapelfeldt. Damit sei die eigene Leistungsfähigkeit zunehmend eingeschränkt, denn es sei sehr schwierig, den Kunden eine Kostensteigerung begreiflich zu machen.

Auch die Versicherungsbranche ist mit dem Urteil des BGH nicht glücklich. Für viele Versicherer bedeutet das neue Verfahren einen erheblichen Aufwand. In der Praxis läuft es jetzt so: Der Versicherer des Zugfahrzeugs reguliert wie bisher den Schaden zunächst zu 100 Prozent. Anschließend holt er sich die 50 Prozent vom Anhänger-Versicherer zurück.

Anstieg der Schadenquote

Aufgrund der komplizierten Rechtslage sind Versicherer bei Abschluss von Neugeschäften sehr zurückhaltend, gerade wenn es um gezogene Einheiten geht. "Wie viele Mitbewerber steuern wir das erhöhte versicherungstechnische Risiko, indem wir in diesem Jahr nur sehr restriktiv Neugeschäft zeichnen", erklärt Axel Salzmann, Leiter des Kompetenzzentrums Straßengüterverkehr und Logistik des Versicherers Kravag in Hamburg.

Doch auch bei ihren Bestandskunden muss die Versicherung die Prämien neu kalkulieren. "Wir prüfen, welche unserer Kunden einen überproportional hohen Anteil an Anhängern in der Flotte haben und diese vermieten", berichtet Salzmann. Hinzu kommt noch der Umstand, dass im vergangenen Jahr die Schadenquote gestiegen ist. Das alles wird Auswirkungen auf die Versicherungsprämien haben. Damit werden wohl viele Versicherte tiefer in den Geldbeutel greifen müssen.

Rechtszustand vor dem BGH-Urteil

Ein kleiner Silberstreif ist aber am Horizont zu erkennen. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und der Verband der Automobilindustrie (VDA) versuchen in einer gemeinsamen Initiative, den Rechtszustand von vor dem BGH-Urteil zu erreichen. Die Aussichten stehen dabei nicht schlecht. Das bestätigt auch Verbandsvorsitzender Stapelfeldt: "Wir sind mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dabei, auf die Legislative einzuwirken und kommen dabei gut voran."

Nach Auskunft der Kravag hat das Bundesjustizministerium bereits in Aussicht gestellt, dass es zu Beginn des kommenden Jahres zu einer Gesetzesänderung kommen könnte. Damit verbunden sind dann auch weitere haftungsrechtliche Themen. Dann soll eine Anhängerhaftung grundsätzlich nur dann vorliegen, wenn der Anhänger oder Auflieger den Unfall auch tatsächlich verursacht hat.

Das Urteil

Der Leitsatz des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 27. Oktober 2010 (Aktenzeichen IV ZR 279/08) hat die bisherige Praxis in der Schadenabwicklung bei Gespannen neu aufgestellt. Darin heißt es: "Bei der Doppelversicherung eines Gespanns aus einem Kraftfahrzeug und einem versicherungspflichtigen Anhänger haben im Regelfalle nach einem durch das Gespann verursachten Schaden der Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs und der des Anhängers den Schaden im Innenverhältnis je zur Hälfte zu tragen."

Vorangegangen war im Jahr 2006 ein Unfall eines Gespanns aus landwirtschaftlicher Zugmaschine und Anhänger. Der Fahrer war zu schnell unterwegs, als er plötzlich bremsen musste. Der mit einem Bagger beladene Anhänger scherte aus und rammte ein am Fahrbahnrand stehendes Auto. Dabei wurde die Beifahrerin im Pkw verletzt. Die Versicherung des Halters der Zugmaschine zahlte der Geschädigten Schmerzensgeld in Höhe von 12.911 Euro. Die Hälfte wollte sie von der Versicherung des Halters des Anhängers wiederbekommen. Damit scheiterte die Versicherung jedoch in den vorangegangenen Instanzen. Der Bundesgerichtshof gab der Klägerin jetzt Recht und verändert damit bisher geltende Praxis.

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