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GLS unter Kostendruck Seidenberg kündigt höhere Preise an

GLS Deutschland-Chef Martin Seidenberg Foto: GLS Germany

GLS Deutschland-Chef Martin Seidenberg über klimaneutralen Versand, Kostendruck und Personalmangel. Preise steigen erneut.

Sie haben im Januar Ihre Preise im Schnitt um etwa sieben bis acht Prozent erhöht. Können Sie damit nun auskömmlich arbeiten?

Um es gleich vorweg zu nehmen, wir planen auch im kommenden Januar die Preise wieder entsprechend anzupassen. Also, Nein. Letztes Jahr haben wir unter einem enormen Kostendruck gelitten und der Trend ist ungebrochen. Die KEP-Branche wächst zurzeit deutlich stärker als die anderen Wirtschaftsbereiche und um den Faktor 1,6 schneller als der gesamte Logistikmarkt. Laut Marktprognosen sind das im Schnitt etwa 5 Prozent Wachstum und wir werden vermutlich demnächst die 4-Milliarden-Sendungsmarke knacken. Damit haben wir letztlich die gleichen Herausforderungen wie 2018.

Was heißt das nun für Sie?

Wir müssen massiv in unsere Sortierkapazitäten investieren, damit wir die steigenden Mengen auch künftig abwickeln können. Wir müssen die Transportkapazitäten auf der Straße vorhalten beziehungsweise ausbauen. Allerdings ist es richtig schwer, Arbeitskräfte für die Sortieranlagen und Zusteller zu finden. Das hat sich gegenüber dem vergangenen Jahr keineswegs verbessert und wir müssen hier sehr kreativ unterwegs sein, um gutes Personal zu bekommen. Es fehlen auch Lkw-Fahrer - alleine in Deutschland zurzeit 60.000.

Sie erwarten also weitere Kostensteigerungen?

Ja, der Kostendruck ist immens. Der Mindestlohn klettert im Januar von 9,19 auf 9,35 Euro pro Stunde. Sehr ärgerlich und kostenintensiv ist der Verkehr - wir haben eine hohe Staudichte, die Infrastruktur ist in einem katastrophalen Zustand. Selbst in Monaten, in denen das Sendungsaufkommen etwas niedriger ist, entstehen Staus. Das kostet viel Zeit, wir müssen zusätzliche Fahrzeuge einsetzen und reichlich Umwege fahren. Dazu kommen gesetzliche Regelungen wie Fahrverbote. Wir müssen minutengenauer disponieren und haben dadurch natürlich mehr Aufwand, denn wir wollen unser Qualitätsversprechen an die Kunden unbedingt einhalten.

Werden Sie auch den Peak-Zuschlag ausweiten?

Wir haben einen Saisonzuschlag bislang für Reifen erhoben und nehmen auch für die private Haustürzustellung mehr, weil hier der ganze Zustellprozess viel teurer ist. Diese Zuschläge werden wir weiterhin konsequent erheben und wollen erreichen, dass sich die Haustürzustellung an Privatadressen als Premium-Dienstleistung etabliert. Wir haben mittlerweile rund 6.000 Paketshops. Viele Kunden holen ihre Sendung auf dem Weg zur oder von der Arbeit ab, so dass kein Extra-Weg entsteht und sie selbst entscheiden können, wann sie es wo abholen. Das ist bequem für unsere Kunden und auch ein Vorteil für uns, da wir damit eine höhere Stoppdichte erzielen.

Wo sehen Sie weiteres Optimierungspotenzial?

Hier spielt natürlich das Thema Digitalisierung eine Rolle. Wir wollen zeitnah Transparenz schaffen und eruieren, wo genau die Staus entstehen und gehen in eine detaillierte Tourenplanung nicht nur auf der letzten Meile, sondern auch in den Hauptläufen. Dazu werden wir alle Wechselkoffer mit GPS-Trackern ausstatten. Ganz wichtig ist, herauszufinden, ob die Fahrzeuge morgens rechtzeitig die Depots erreichen, damit die Sendungen noch taggleich in die Sortierung kommen. Wir haben inzwischen auch nachts Personal im Einsatz, das gemeinsam mit den Frachtführern schaut, wie die Fahrer staufrei durch Deutschland kommen.

Was haben Sie denn für Ideen, neues Personal zu finden?

Bei uns kann man sich selbstverständlich online über unsere Recruiting-Webseite bewerben und bekommt zeitnah elektronisch ein Feedback. Wir steuern den Auswahlprozess intern vollständig digital, schicken also den relevanten Personen vorselektiert mit entsprechenden Kommentaren der Personalabteilung die Profile zu. Die Erstinterviews führen wir mittlerweile über Videotools, was das Verfahren zeitlich flexibler, einfacher und schneller macht. Das heißt, der Bewerber bekommt auf ihn zugeschnittene Fragen als Video zugeschickt, die er dann wiederum als Videoaufzeichnung beantwortet. Die Bewerberzahlen sind daraufhin gestiegen, die Verfahren sind schnell und effizient.

Rekrutieren Sie auch Ihre Depotmitarbeiter, also Sortierkräfte, auf diese Weise?

Hier müssen wir sehr stark den lokalen Markt bearbeiten. Wir haben beispielsweise in Karlsruhe Straßenbahnen mit GLS Jobangeboten beklebt. Das wurde sehr gut wahrgenommen und wir haben dort Personal gefunden. Und wir schalten beispielsweise lokale Kino-Werbung. Wir haben zudem unseren Kanalmix optimiert, wir zeigen physisch Präsenz und bespielen online lokale Mitarbeiterbörsen. Dadurch, dass wir am Markt sichtbarer sind, werden auch Transportunternehmer und Fahrer, die wir an unsere Partner weitervermitteln, auf uns aufmerksam. Wir sind auch Sponsor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und waren bei den Leichtathletikmeisterschaften in Berlin zu sehen. Der Sport hat viel mit Geschwindigkeit, Präzision und Engagement zu tun. Das passt zu uns.

Die Klimadebatte ist in vollem Gange. Wie gehen Sie mit dem Thema Nachhaltigkeit um?

Wir sind natürlich in Gesprächen mit unseren Kunden, die das auch zunehmend wünschen und, dass wir dazu Lösungen anbieten. Wir werden ab Oktober alle Pakete klimaneutral versenden. Damit werden wir im Jahr rund 160.000 Tonnen CO2-Emissionen kompensieren. Das ist schon eine Menge! Natürlich wollen wir auch vermeiden und reduzieren. Wir beziehen jetzt schon den größten Teil unseres Strombedarfs aus regenerativen Energien und wollen auf 100 Prozent gehen. Wo möglich, denken wir auch über Photovoltaik-Anlagen auf unseren Depotdächern nach, um künftig selbst Strom zu produzieren.

Wie wollen Sie das Thema "CO2-Ausstoß vermeiden" angehen oder forcieren?

Es ist eine Mischung aus vielen Dingen. Ein Fokus liegt auf der letzten Meile, wo wir zunehmend mit E-Fahrzeugen zustellen wollen. Derzeit setzten wir in Deutschland rund 100 E-Fahrzeuge ein. Hier experimentieren wir viel, weil es bislang keine Lösung gibt, die überall passt. Wir müssen stets Ladeinfrastruktur aufbauen, neue E-Fahrzeuge anschaffen und entsprechende stadtnahe Lager anmieten und ausstatten, das ist aufwendig. Unser großes Testfeld ist Düsseldorf, wo wir ein Mikrodepot betreiben und ausschließlich elektrisch zustellen. Es läuft gut, wir lernen viel und wollen einiges in andere große Städte übertragen. Allerdings tickt jede Stadt anders und es ist schwer, Flächen für Mikrodepots zu bekommen. Unsere Kunden werden wir ab Oktober mit einem zusätzlichen Beitrag von durchschnittlich 3,5 Prozent des Paketpreises an der Finanzierung unserer Klimaschutz-Aktivitäten beteiligen.

Zur Person

  • Martin Seidenberg hat 2015 den Vorsitz der Geschäftsführung der GLS Germany übernommen
  • Der studierte Betriebswirt arbeitete zunächst in verschiedenen Management-Positionen bei der Deutsche Post DHL
  • Er verantwortete unter anderem das grenzüberschreitende Brief- und Paketgeschäft und leitete in Singapur die Geschäfte der internen Strategieberatung für die Region Asien-Pazifik
  • Vor seinem Einstieg bei GLS war der gebürtige Rheinländer CEO der DACH-Region bei DHL Supply Chain
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