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Gewinnabschöpfung Meister im Süden

Deutschland, Karte, Geld Foto: Montage: Mannchen

Bei fast jeder Ordnungswidrigkeit kann ein Verfall angeordnet werden. Wie unterschiedlich die Bundesländer dieses Mittel einsetzen, zeigt eine Umfrage von trans aktuell.

Bei fast jeder Ordnungswidrigkeit kann ein Verfall angeordnet werden. Wie unterschiedlich die Bundesländer dieses Mittel einsetzen, zeigt eine Umfrage von trans aktuell.


Wo greifen die Behörden besonders gern den Gewinn ab? "Allgemein wird im süddeutschen Raum ein intensiverer Umgang mit der Anordnung des Verfalls betrieben als im Rest der Republik", sagt Rechtsanwalt Volker Lindner aus Freiburg. In der trans aktuell-Umfrage zählt aber die Hansestadt Hamburg zu den absoluten Spitzenreitern bei den Verfallsverfahren: Bei 78 der 2013 festgestellten Überladungen wurden laut dem Leiter der Abteilung für Rechtsangelegenheiten, bürgerschaftliche Eingaben und Verfallsverfahren im Einwohnermeldeamt Verfallsverfahren angeordnet. Die Summe, die die Hansestadt dafür einstrich: Insgesamt 919.528 Euro, durchschnittlich also rund 11.800 Euro pro Fall. Die äußerst hohen Summen erklärt der Abteilungsleiter damit, dass die Hamburger Behörden in den vergangenen Jahren mehrere Großverfahren mit je einer einzelnen Verfallssumme bis zu 390.000 Euro angestrengt hatten.

Behörden setzen Möglichkeit des Verfalls unterschiedlich ein

Wie unterschiedlich die Behörden bundesweit die Möglichkeiten des Verfalls einsetzen, zeigt sich im Vergleich mit Sachsen-Anhalt. "Wir haben 2013 die ersten Verfallsverfahren eingeleitet und können daher noch keine Ergebnisse vorweisen", sagt ein Sprecher der Zentralen Bußgeldstelle in Magdeburg auf Anfrage. Die Beamten sind angewiesen, nur bei einem bedeutenden Verstoß und bei einem zu erwartenden Betrag von mindestens 500 Euro ein Verfahren anzustrengen.

In Osterholz werden Kontrollen zu Ladungssicherungsverstößen selten durchgeführt

Im Landkreis Osterholz im nördlichen Niedersachsen werden entsprechende Kontrollen zu Ladungssicherungsverstößen beziehungsweise Überladungen von der Polizei nur selten durchgeführt, wie ein Sprecher der Landkreisverwaltung gegenüber trans aktuell sagt: Kontrolliert werde insbesondere der Transportverkehr auf den Autobahnen. Aufgrund der Lage des Landkreises und der Größe erhalte die Kreisverwaltung nur wenige Anzeigen von der Polizei, die für eine Verfallsanordnung geeignet seien. So wurde 2013 lediglich ein einziger Verfallsbescheid mit einem Betrag in Höhe von 1.741 Euro erlassen.
Im Kreis Unna vermeldet das Landratsamt vergangenes Jahr keinen einzigen Fall. In Unna dient als Entscheidungsgrundlage, dass der Verfall zumeist bei Mehrfachtätern, bei besonders großer Überladung (über 20 Prozent) oder bei ausländischen Firmen angewandt werde.

In Baden-Württemberg wurden 784 Verfallsverfahren geführt

Ganz andere Zahlen liefert der Süden der Republik: Im Regierungspräsidium Karlsruhe  ahndet die Zentrale Bußgeldstelle (ZBS) die Ordnungswidrigkeiten auf den Bundesautobahnen in Baden-Württemberg und hat 2013 nach eigenen Angaben 784 Verfallsverfahren durchgeführt. Die festgesetzte Verfallssumme betrug insgesamt 949.743 Euro, rund 1.200 pro Fall.

ZBS ahndet meist Überladungen

Hauptsächlich ahndet die ZBS dabei Überladungen, zum größten Teil in Zusammenhang mit Kipper- und Holzfahrzeugen sowie "Klein-Lkw", außerdem Verstöße gegen die Ladungssicherungsvorschriften. Diese entdecken die Beamten laut ZBS zumeist im Zusammenhang mit Reifentransporten oder bei Missachtung von Auflagen bei Gefahrgut- oder Sondertransporten. Dabei trifft die ZBS die Entscheidung, ob ein Bußgeld- oder ein Verfallsverfahren eingeleitet wird, immer im Einzelfall. "Als grober Anhaltspunkt kann gesagt werden, dass kein Verfallsverfahren durchgeführt wird bei Tatbeständen, die nur mit einem Verwarngeld geahndet werden", teilt ein Sprecher mit.

Auch das Land Hessen hat eine Zentrale Bußgeldstelle, die im vergangenen Jahr rund 191 Verfahren wegen Überschreitung der Abmessungen und 156 Verfahren wegen Überladung eingeleitet hat. Dabei falle die Entscheidung für ein Verfallsverfahren immer dann, wenn ein wirtschaftlicher Gewinn von mindestens 200 Euro unterstellt beziehungsweise nachgewiesen werden kann, sagt ein Sprecher gegenüber trans aktuell. Die durchschnittliche Summe der Hessischen ZBS liegt deshalb bei etwa 500 Euro.
Deutlich mehr Geld nimmt Bayern ein. Nach Angaben  der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt in Viechtach liegt die durchschnittliche Summe bei Verfallsanordnungen bei etwa 1.100 Euro. Gab es 2012 noch 296 Fälle, in denen ein Verfall nach § 29a OWiG angeordnet wurde, stieg die Zahl 2013 nach Angaben der ZBS deutlich – bis zum Redaktionsschluss lagen allerdings noch keine genauen Zahlen vor.

In der Regel gehen Verfallsbescheide an Unternehmen

Dabei nutzt die ZBS alle Möglichkeiten im Rahmen der Abschöpfung aus: In der Regel gehen Verfallsbescheide an Unternehmen, in manchen Fällen werden aber auch Bußgeldbescheide gegen Fahrer und gleichzeitig Verfallbescheide gegen Unternehmen nach § 29a  Abs. 2 OWiG erlassen.





Beispielfälle

Zwei Beispielfälle aus Baden-Württemberg
und Bayern:

Die Behörden kontrollierten einen Lkw mit Anhänger, der mit drei neuen Transportern beladen war. Die Beamten beanstandeten eine Überschreitung der zulässigen technischen Länge des Fahrzeuges um 0,76 Meter (zulässige Länge: 18,75 Meter). Demnach war, um die Ladung transportieren zu können, die Zugdeichsel des Anhängers um 0,89 Meter ausgezogen worden. Des Weiteren stellten die Beamten eine Fahrzeuggesamtlänge (inklusive Ladungsüberhang) von 21,83 Metern (zulässig: 20,75) fest. Der Fahrer konnte zudem  keine Ausnahmegenehmigung gemäß §§ 29, 46 StVO bzw. § 70 StVZO vorlegen. Da es sich eindeutig um eine teilbare Ladung gehandelt habe, sei die Fahrt so auch nicht genehmigungsfähig gewesen, die Fahrt hätte so nicht durchgeführt werden dürfen. Deswegen untersagten die Beamten die Weiterfahrt, auch weil durch internes Umladen die zulässige Länge des Fahrzeuges nicht erreicht werden konnte.  In diesem Fall setzte die ZBS Karlsruhe eine Verfallssumme von 1.127 Euro fest.

Ein Lkw mit Anhänger hatte laut Frachtpapieren 4,08 Tonnen Ladung transportiert. Anhand einer Wiegung wurde ein tatsächliches Gesamtgewicht von 15,06 Tonnen festgestellt. Das zulässige Gesamtgewicht betrug 11,98 Tonnen. Die Überladung betrug rund drei Tonnen. Gemäß dem Bruttoprinzip richtete sich die bayerische ZBS für die Verfallsanordnung nicht nach dem Betrag, der für die Überladung dem Verfall unterliegt, sondern den gesamten Frachtkosten, die der Unternehmer für diese Fahrt erhalten hat – in dem Fall für eine Fahrt von 900 Kilometern also 850 Euro, die die ZBS einzog.

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