Ein nächtlicher Unfall mit einem DHL-Gliederzug lässt die Frage aufkommen, ob Fahrer an extrem heißen Tagen ihre Ruhezeit überhaupt im Lkw verbringen müssen.
Der nächtliche Unfall auf der A1 zwischen Vechta und Cloppenburg fand am 26. Juni um 1.38 Uhr statt, zu einem Zeitraum also, als es tagsüber in einigen Regionen Deutschlands deutlich über 35 Grad heiß war. Ein 51-jähriger Fahrer aus Duisburg war mit dem weißen MAN-Gliederzug eines Frachtführers aus Oberhausen und zwei geladenen DHL-Wechselbrücken unterwegs. An einer Wanderbaustelle krachte er in ein Baustellenfahrzeug. Als Grund gab er gegenüber der Polizei einen Sekundenschlaf zu. Gegen den Unfallverursacher wurde ein Strafverfahren wegen Gefährdung des Straßenverkehrs eingeleitet. Sein Führerschein wurde von der Polizei beschlagnahmt. Weitere Details gibt die Polizei wegen des eingeleiteten Verfahrens nicht bekannt.
Bei Übermüdung droht Freiheitsstrafe
Ein anderer Lkw-Fahrer hat gegenüber FERNFAHRER gesagt, den DHL-Lkw bei dessen Pause nahe Osnabrück gesehen zu haben. Ihm war vor allem die neutrale Lackierung des MAN aufgefallen. Eine Gefährdung des Straßenverkehrs ergibt sich aus Paragraf 315c des Strafgesetzbuches. Dort heißt es unter anderem: "Wer im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." "Körperliche Mängel" schließen auch die Übermüdung des Fahrers ein, also insbesondere, wenn die Ruhezeit nicht eingehalten wurde. Eine Verurteilung ist selbst dann möglich, wenn dem Fahrer ein Verstoß gegen Lenk- und Ruhezeiten laut Tachodaten gar nicht nachgewiesen werden kann, die Übermüdung aber eine andere Ursache hat. Und so stellt sich die Frage, wieweit ein Fahrer rechtlich gegenüber seinem Arbeitgeber argumentieren kann, dass es an extrem heißen Tagen im Prinzip unzumutbar sei, in einem überhitzten Lkw zu schlafen oder dies vergeblich zu versuchen. Lkw fallen nicht unter die Arbeitsstättenverordnung.
Gute Standklimaanlagen sind eine Möglichkeit, sie werden laut den Herstellern immer öfter verbaut. Doch in einer Umfrage auf Facebook klagen viele Fahrer, dass sie von zwei bis maximal sechs Stunden sehr unterschiedlich ihre Leistung erbringen. So steht die Frage im Raum, ob es Fahrer nicht sogar ganz ablehnen müssten, einen heißen Sommertag im Lkw zu verbringen. Die juristische Grundlage böte dazu der Artikel 8, Absatz 8 der VO (EG) 561/2006 über die Lenk- und Ruhezeiten: "Sofern sich ein Fahrer hierfür entscheidet, können nicht am Standort eingelegte tägliche Ruhezeiten und reduzierte wöchentliche Ruhezeiten im Fahrzeug verbracht werden, sofern das Fahrzeug über geeignete Schlafmöglichkeiten für jeden Fahrer verfügt und nicht fährt." Der Fahrer muss demzufolge im Umkehrschluss gar nicht im Lkw übernachten – auch wenn es im Fernverkehr Usus ist. "Für die Folgen eines Sekundenschlafs, der seine Ursache in einer Übermüdung des Fahrers aufgrund nicht angemessener Schlafbedingungen hat, trägt jedenfalls auch der Fahrer die Verantwortung, wenn er sich nicht gegen die Missstände zur Wehr setzt", sagt Rechtsanwalt Pfitzenmaier. "Im Fall der Fälle, also wenn es zu einem Vorfall kommt, sollte der Fahrer gegenüber der Polizei in jedem Fall von dem ihm zustehenden Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen, um sich die Möglichkeit einer erfolgreichen Verteidigung nicht von vornherein zunichte zu machen."