Future Lab IAA 2018 Mercedes-Benz setzt auf fahrende Intelligenz

Stefan Buchner, Mitglied des Bereichsvorstands Daimler Trucks & Leiter Mercedes-Benz Lkw, beim FutureLab@Mercedes-Benz Trucks am 26.6.2018 in Wörth 

Stefan Buchner, Member of the Divisional Board of Daimler Trucks & Head of Mercedes-Benz Trucks, at the FutureLab@Mercedes-Benz Trucks on 26.6.2018 in Wörth, Germany Foto: Daimler AG 7 Bilder

Im Vorfeld der IAA hat Daimler im Branchen-Informations-Center (BIC) in Wörth am Rhein Einblicke in die Entwicklungsarbeit gegeben. Alternative Antriebe und eine weiter gesteigerte Effizienz, die fortschreitende Vernetzung, moderne Assistenzsysteme und das digitalisierte Cockpit standen im Fokus.

Mit einem klaren Statement startet Stefan Buchner vor rund 100 internationalen Fachjournalisten in das FutureLab zur IAA 2018: "Wir sind die Erfinder des Lkw und werden auch der Taktgeber für seine Weiterentwicklung bleiben", behauptet der Mercedes-Benz-Lkw-Chef. Der Lkw der Zukunft werde vor allem mit Intelligenz und inneren Werten punkten. "Wenn wir heute über einen neuen Lkw nachdenken, dann vor allem über sein Innenleben: Wie vernetzen wir seine Synapsen? Wie schärfen wir seine Sinne?", sagt er.

Mercedes-Benz Future Truck 2025 

Mercedes-Benz Future Truck 2025 Foto: Daimler AG
Ausblick auf 2018? Der 2014 vorgestellte Future Truck 2025 kommt ohne Außenspiegel aus.

Über sein Design denke man dagegen nur nach, wenn dadurch die Performance des Trucks verbessert werden könne. So habe man zum Beispiel die Außenspiegel im Blick – die großen Windfänger könnte man einfach abschaffen und damit die Aerodynamik verbessern. Auch die Sicherheit im Straßenverkehr würde durch die damit einhergehende Vergrößerung des Sichtfelds der Fahrer gesteigert werden. Gibt der Chef von Mercedes-Benz Lkw hier einen Ausblick auf das, was da im Zuge der IAA kommen mag? Und wie würde er die Spiegel ersetzen wollen – durch ein Kamerasystem wie im 2014 vorgestellten Future Truck 2025? All das wissen wir frühestens zur Messe im September sicher.

Daimler macht zweites Level des automatisierten Fahrens möglich

Deutlich konkreter fallen da die Ausblicke in Sachen Assistenzsysteme aus: Der Active Brake Assist 4 (ABA 4) mit Fußgängererkennung ist schon bekannt. Auch der Abbiege-Assistent, der den Fahrer beim Rechtsabbiegen vor Fußgängern und Radfahrern im toten Winkel warnt, ist nicht neu. In der nächsten Lkw-Generation wird die Technik, die diese und andere Assistenzsysteme nutzen, laut Daimler aber noch weitgehender miteinander verknüpft – und so das zweite Level des automatisierten Fahrens möglich gemacht. Konkret bedeutet das, dass der Lkw dann teil-automatisiert fahren kann – sowohl in Längsrichtung (mit dem adaptiven Tempomaten und dem Notbremsassistenten) als auch in Querrichtung (mit Spurhalteassistent samt aktivem Lenkeingriff) übernimmt die Elektronik zeitweise das Steuer. Das Kombinieren der einzelnen Assistenzsysteme wird den Weg zum hochautomatisierten Fahren "in den nächsten Jahren" ebnen. Der Fahrer soll damit "in monotonen oder auch in besonders stressigen Fahrsituationen" entlastet werden. Auch um die Effizienz weiter zu steigern, ist intelligente Software gefragt.

Das Predictive Powertrain Control (PPC), der vorausschauende Tempomat, der auf hügeligen Autobahnstrecken heute schon den Schwung des Lkw nutzt, könnte morgen dank hochauflösender Karten auch in der Innenstadt aktiv sein. Der Lkw könnte noch vor der nächsten Kurve wissen, ob dahinter ein Kreisverkehr wartet oder ein neues Tempolimit eingehalten werden muss, und diese Informationen in seine Schaltstrategie einbeziehen. Einen eigenständig handelnden Lkw, dessen Fahrstil der Fahrer am Steuer gar nicht mehr nachvollziehen kann, möchte Daimler aber nicht bauen. Die Komplexität der Anzeigen im Cockpit soll zwar reduziert werden – über Displays werden sie aber immer genau die Informationen ausspielen, die in der jeweiligen Situation gefragt sind. Die Bedienelemente sollen wie Tablets oder Smartphones steuerbar sein – über große Touchscreens mit einer auf das Minimum reduzierten Zahl an Tasten. Der Fahrer soll seine persönlichen Einstellungen – vom Lieblingsradiosender über die Farbe der Ambientebeleuchtung bis hin zur Gestaltung der Instrumente – von Lkw zu Lkw mitnehmen können.

Daten und Intelligenz müssen miteinander kombiniert werden

Jeder Mercedes soll ihm eine Wohlfühlatmosphäre bieten, jeder eigentlich fremde Truck soll zu seinem bekannten, mobilen Zuhause werden. Die intuitive Bedienbarkeit im Stile von Smartphone und Co. ist auch für das Backoffice von Transportunternehmen angedacht: In der Zukunft sollen die Informationen rund um die Lkw-Flotte nicht mehr auf drei Computerbildschirmen in vielen unübersichtlichen Diagrammen, sondern im Extremfall auf nur noch einem Tablet ausgespielt werden können. Auch in Sachen Vernetzung macht die Entwicklung keinen Halt: Rund 400 Sensoren zählt ein moderner Lkw laut Daimler – mit den Daten, die sie liefern, lasse sich die Effizienz weiter steigern. Im konzerneigenen Innovation Hub in Berlin werde daran im Stile eines Start-ups gearbeitet. Während Mercedes-Benz Uptime heute beispielsweise mit Fehlercodes arbeitet, könnten in der Zukunft Daten wie das Gewicht der Ladung und das Fahrprofil in Berechnungen einfließen, die die Lebensdauer einzelner Komponenten vorhersagen.

FutureLab@Mercedes-Benz Trucks am 26.6.2018 in Wörth 

FutureLab@Mercedes-Benz Trucks on 26.6.2018 in Wörth, Germany Foto: Daimler AG
Reges Interesse: Rund 100 Journalisten besuchten das FutureLab.

Über Daten hinaus ist also eine Intelligenz nötig – erst daraus entsteht für Daimler der eigentliche Kundennutzen. In Sachen alternative Antriebe konzentrieren sich die Schwaben auf Erdgas, batterieelektrische Konzepte und die Brennstoffzelle. Der Econic NGT, der komprimiertes Erdgas (CNG) nach dem Prinzip eines Ottomotors verfeuert, ist bereits heute verfügbar. Die effiziente Verbrennung von Erdgas nach dem Prinzip eines Dieselmotors, wie Volvo das aktuell im FH LNG betreibt, kann Methan als Brennstoff laut Daimler "für schwere Lkw im Fernverkehr zunehmend attraktiv werden lassen". Im innerstädtischen Verteilerverkehr sehen die Ingenieure den reinen Elektroantrieb im Kommen. In genau diesem Einsatzprofil, bei dem die Fahrzeuge häufig beschleunigen und bremsen, könne diese Technologie ihre Vorteile ausspielen und viel Energie rekuperieren, also zurückgewinnen und wieder in die Batterie einspeisen.

Mit dem eActros will Daimler den ersten vollelektrischen Lastwagen für den schweren Verteilerverkehr bald bei den Kunden erproben. Weiter sehen die Daimler-Ingenieure in der Brennstoffzellentechnologie großes Potenzial. Wasserstoff als Brennstoff bietet viele Vorteile: Er ermöglicht lokal emissionsfreie Mobilität, kann eine hohe Energiedichte aufweisen, lässt sich gut transportieren und schnell tanken. Wie auch bei der batterieelektrischen Mobilität ist ein entsprechend ausgebautes Tankstellennetz von großer Bedeutung. Die H2 Mobility Deutschland GmbH & Co. KG, die die Daimler AG gemeinsam mit Air Liquide, Linde, OMV, Shell und Total 2015 gegründet hat, soll sich dieser Thematik widmen. Stufenweise soll das Gemeinschaftsunternehmen die Infrastruktur ausbauen – auf bis zu 400 Stationen bis zum Jahre 2023. Viele spannende Themen und künftige Lösungen hat Daimler anlässlich des FutureLab also schon einmal kommuniziert – abzuwarten bleibt jetzt nur noch, inwieweit die Neuheiten ganz konkret in die Serien-Lkw einfließen.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 09 2018 Titel
lastauto omnibus 09 / 2018
11. August 2018
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