Fraunhofer IWU Institutsleiter Interview mit Prof. Welf-Guntram Drossel

Prof. Welf-Guntram Drossel Foto: Fraunhofer IWU

Prof. Welf-Guntram Drossel vom Fraunhofer IWU sieht das autonome Fahren erst in ferner Zukunft.

Ab wann fahren Autos und Lkw von ganz allein?

Welf-Guntram Drossel: Das vollautonome Fahren ist noch weit weg. Derzeit kann es bei bestimmten isolierten Fahr­situa­tio­nen, wie im Stau oder in definierten Umgebungen wie beispielsweise auf einem Werksgelände, eingesetzt werden.

Aber wie sieht die Zukunft aus, wo sehen Sie Chancen?

In meinen Augen wäre das Koppeln von Lkw auf der Autobahn eine sinnvolle Situation, weil hier Platz gespart werden kann und Transporte effizienter werden. Aber das Ganze birgt auch große Risiken, die einer schnellen Umsetzung im Wege stehen.

Können Sie das erläutern?

Nötig ist dafür eine durchgängige Software-Vernetzung bis auf die Ebene der Steuergeräte, man muss ja bis ins ABS eingreifen. Das heißt, gebraucht wird ein vollkommen sicherer Datenkanal von ganz unten bis zu einem Leitzentrum nach ganz oben, die informationstechnisch ganz unterschiedlichen Risiken ausgesetzt sind. Je größer die Datenmenge, desto unsicherer ist ein IT-System. Mit der Anzahl der übertragenen Daten steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass hier jemand etwas einschleusen kann.

Was wären die Folgen?

Wer die Cloud hackt – man denke dabei nur an die jüngsten Vorgänge bei der Telekom –, hätte Zugang zum ABS von einzelnen Fahrzeugen. Das heißt, wenn jemand bösartig ist, könnte er diese Lkw auch steuern, bremsen oder quer über die Autobahn fahren lassen. Ich bin sehr skeptisch, dass man das in naher Zukunft sicherheitstechnisch vollständig beherrschen kann. Dort ist zumindest noch sehr viel zu tun, es gibt auch noch keine Vorgehensweise, wie man solche Systeme sicher prüfen kann.

Ist das eine Absage an das automatisierte Fahren insgesamt?

Das automatisierte Fahren wird kommen, davon bin ich fest überzeugt, denn technisch ist es möglich. Aber die Entscheidung dafür ist eine Abwägung von Risiken. Die Frage ist, bis zu welchem Grad kann man dem Missbrauch vorbeugen und wie gelingt es, diese Systeme so zu prüfen, dass sich die Missbrauchssicherheit quantifizieren lässt.

Der Weg dahin ist also keineswegs eben und bekannt?

Nein. Autofahren ist insgesamt ein klassisches Beispiel, das die Grenzen der Automatisierbarkeit zeigt. Immer dort, wo die Situationen ähnlich sind oder sich wiederholen, sind sie gut automatisierbar. Dort, wo unerwartete Situationen auftreten, sind sie schlecht automatisierbar.

Heißt das in der Folge, dass die menschliche Leistung beim Autofahren nicht so leicht zu ersetzen ist?

Beim autonomen Fahren werden alle zehn Kilometer ungefähr ein Petabyte Daten generiert. Das ist deutlich mehr, als das menschliche Gehirn in dieser Zeit verarbeiten kann. Theoretisch dürften wir aus diesem Grund gar nicht Auto fahren können. Der Mensch kommt mit wesentlich weniger Sensoren aus und kriegt das trotzdem hin. Die Möglichkeit, nicht folgerichtig, aber richtig zu handeln, bezeichnet man gemeinhin als Intuition. Wir werden noch sehr lange brauchen, um Maschinen das beizubringen.

Was sollte ein mittelständisches Transportunternehmen tun, das den Weg der Digitalisierung mitgehen will?

Die Vernetzung bringt vor allem neue Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Dort muss man investieren. Eine Automatisierung aller Prozesse ist nicht immer sinnvoll. Es kann nicht darum gehen, überall bunte Bildschirme aufzustellen, wenn Menschen das auch im Kopf haben. Eine wichtige Frage ist überdies, inwieweit die Produktion für die jeweiligen Lieferketten transparent gemacht werden wird. Denn dabei geht es nicht zuletzt um Datensicherheit und innere Kenntnis der Betriebsabläufe. Wenn alles transparent ist, steht auch unternehmerische Freiheit auf dem Spiel.

Was empfehlen Sie?

Man sollte sich dezentral vernetzen. Das heißt: offen sein, Schnittstellen haben, aber nicht die Souveränität über Entscheidungen aufgeben.

Das Interview führte Regina Weinrich.

Zur Person

  • Prof. Welf-Guntram Drossel ist Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU
  • Der 49-Jährige leitet die Professur Adaptronik und Funktionsleichtbau in der Produktion an der Technischen Universität Chemnitz
  • Das Fraunhofer IWU widmet sich seit 25 Jahren der Zukunft der Produktionstechnik
  • Kernkompetenz des IWU ist die Umformtechnik, die das Institut zu einem Forschungs- und Entwicklungspartner für die Automobilindustrie und ihre Zuliefererbetriebe gemacht hat
Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
TA01 2017 Titel
trans aktuell 01 / 2017
16. Dezember 2016
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