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Firmenchef Fröhlich im Gespräch ADAC Truckservice setzt auf Pannenprävention

ADAC Truck Service Foto: UweRattay

Digitale Pannenprävention und straffe Prozesse - der neue ADAC Truckservice-Geschäftsführer Dirk Fröhlich erläutert seine Schwerpunkte im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell.

trans aktuell: Herr Fröhlich, von der Versicherungs- über die Beraterbranche zum Mobilitätsdienstleister. Was hat Sie an der neuen Tätigkeit als Geschäftsführer des ADAC Truckservice besonders gereizt?

Fröhlich: Der besondere Reiz ist, dass die Mobilität eines der großen Zukunftsthemen ist. Der Mobilitätsbereich erlebt einen tief greifenden Wandel. Hier gibt es durch die Digitalisierung noch reichlich Luft nach oben und damit verbunden einen riesigen Nutzen für die Kunden. Dadurch können wir Pannen schneller bearbeiten beziehungsweise durch Prävention verhindern.

Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?

Im Idealfall wissen wir, dass ein Lkw-Fahrer auf der Fahrt von München nach Stuttgart sein Ziel wegen nachlassenden Reifendrucks nicht mehr erreichen kann, sondern in Ulm in die Werkstatt muss. Dort haben wir schon alles vorbereitet und können den Lkw wieder flottmachen. Das Ziel ist also, dass ein Fahrzeug nicht mehr auf der Strecke liegen bleibt. So können wir nicht nur die Ausfallzeiten, sondern auch die Gefahren an der Pannenstelle für Fahrer, Pannenhelfer und andere Verkehrsteilnehmer vermeiden.

Ist die Transformation der Prozesse in die digitale Welt einer Ihrer Schwerpunkte beim ADAC Truckservice?

Absolut. Der ADAC Truckservice hat dafür in den vergangenen Jahren bereits die Grundlagen geschaffen. Wir haben die digitale Pannenprävention oder die Europe-Net-Karte als Zahlungsmittel im Pannenfall an den Start gebracht. Die Aufgabe ist es nun, diese digitalen Angebote in unsere Prozesse zu integrieren, damit alles aus einem Guss ist. Dafür braucht es zum Beispiel die entsprechenden Schnittstellen zwischen den Systemen.

Wie hat sich die Nachfrage nach der digitalen Pannenpräven­tion entwickelt?

Unsere Kunden sind überzeugt, dass der Weg, den wir damit eingeschlagen haben, der richtige ist. Das zeigen die Trailerhersteller Humbaur und Fliegl, die das Angebot bereits nutzen. Die Pannenprävention setzt ein grundsätzliches Umdenken voraus – das gilt für uns, aber auch für die Kunden. Jeder kennt den Ablauf im Schadenfall. Jetzt gilt es, die Vorteile des neuen Prozesses, der bei einer Pannenprävention greift, in die Köpfe der Verantwortlichen zu bringen. Das klingt einfach, ist aber ein Paradigmenwechsel. Hier liegt der Schwerpunkt woanders – weil es ja gar nicht erst zum Schadenfall kommen soll.

Foto: Marcus - ADAC Truckservice
ADAC Truckservice-Geschäftsführer Dirk Fröhlich will sich stark der Digitalisierung widmen.
Suchen Sie bei der Prävention auch den Schulterschluss mit den Logistikdienstleistern?

Wir möchten sowohl mit Fahrzeugbauern als auch Flottenbetreibern kooperieren. Und wir haben für beide gute Argumente, unseren Service zu nutzen. Bevor wir die digitale Pannenprävention auf der IAA 2016 vorgestellt haben, haben wir einen bundesweiten Praxistest mit 1.153 Trailern, davon 485 mit Kühlaggregaten, über drei Monate durchgeführt. Ziel war es, die Technologie und ihre Prozessanbindung zu testen. Durch Prävention konnten wir 200.000 Euro an Schäden vermeiden. 2017 haben wir dann unsere Hausaufgaben gemacht, um das System stabil zu bekommen, und 2018 haben wir es in den Markt gebracht.

Was sind die technischen Vo­raussetzungen, um das System zu nutzen?

Generell gilt: Unsere Pannenprävention lässt sich an alle Tele­matiksysteme anbinden. Zum Start haben wir uns für das Dia­gnosesystem Jaltest der spanischen Coyali-Gruppe entschieden, die in diesem Bereich führend ist. Jaltest kann in jedem Lkw nachgerüstet werden. Es muss lediglich eine Dia­gnosebox verbaut werden, die uns die relevanten Daten sendet.

Dann treten Sie in Konkurrenz zu den Fahrzeugherstellern, die mit Uptime oder Rio ja auch entsprechende Angebote ­machen?

Nein. Wir sehen keine Konkurrenz zu Daimler oder MAN. Wir verstehen uns als Dienstleister, der beim Thema Panne oder Pannenprävention ins Spiel kommt. Wir können unseren digitalen Service überall anbinden – sei es bei Fleetboard oder Rio –, weswegen wir unser Angebot als Ergänzung zu den Angeboten der Fahrzeugbauer anbieten. Vorstellbar wäre zum Beispiel ein Ampelsystem. Bei Grün ist alles in Ordnung, bei Gelb bleibt noch Zeit, und bei Rot muss gehandelt werden. Diese dritte Stufe ist auf uns wie zugeschnitten. Pannenhilfe ist unser Spezialgebiet. Wir könnten die Hersteller hier deutschland- und europaweit unterstützen.

Geben die Fahrzeugbauer denn ihre Daten frei, die Sie im Rahmen der digitalen Pannenhilfe benötigen?

Generell gilt, dass Digitalisierung nur gewinnbringend für alle ist, wenn jeder seine Daten für den definierten Fall auch tatsächlich zur Verfügung stellt. Hier braucht es bei manchen Fahrzeugbauern noch mehr Offenheit. Das ist meiner Meinung nach nur eine Frage der Zeit, denn Daten werden erst dann wertvoll, wenn man sie teilt. Im Übrigen greift das von uns genutzte Diagnosesystem der Coyali-Gruppe nur so weit in die Fahrzeugdaten ein, wie es die Garantie- und Datenschutzbestimmungen erlauben.

Gibt es denn schon Erkenntnisse aus der Pannenprävention, die Sie für Fliegl und Humbaur anbieten?

Beide Unternehmen bieten den Pannenservice im Rahmen der Gewährleistung an. Noch sind die Fallzahlen nicht im signifikanten Bereich, sodass wir keine 100-prozentig belastbaren Aussagen treffen können oder auf alle Schadenbereiche verallgemeinern können. Besonders im Fokus stehen im ersten Schritt die ­Kühlaggregate, weil deren Dateninfrastruktur am einfachsten in einen Prozess einzubinden ist. Insbesondere für Humbaur ist das Angebot ein zusätzliches Verkaufsargument, denn die Kunden verlangen eine hohe Zuverlässigkeit und wollen Ausfälle am liebsten ganz ausschließen.

Die digitale Pannenprävention ist ja erst im Aufbau – weshalb die gelbe Flotte erst mal weiterhin tausendfach zur Pannenhilfe ausschwärmen muss. Welche waren die Top-Pannenursachen 2018?

Stimmt, durch Prävention können wir die Zahl der Fälle verringern, aber sie vorerst nicht komplett verhindern. Auch 2018 hatten wir es bei den Pannenursachen mit den Klassikern zu tun: Reifen, Motor und Bremsen. Rund 65 Prozent aller Einsätze erfolgen aufgrund von Reifenschäden. Das Thema gewinnt immer im Sommer an Bedeutung, wenn die Temperaturen stark ansteigen. Perspektivisch können wir auch hier mit den Möglichkeiten der Digitalisierung ansetzen – wenn Flottenbetreiber zum Beispiel Reifen mit integrierten Aktivchips nutzen, die dem Fuhrparkleiter ständig Informationen über den Reifendruck liefern und uns einen Impuls geben, wenn akuter Handlungsbedarf besteht.

Was kostet den ADAC-Truckservice-Kunden eigentlich der Reifenplatzer?

Im Fall einer Reifenpanne fallen im Durchschnitt Kosten von 500 bis 600 Euro brutto an, hinzu kommen die Kosten für die Reifen. Bei der Pannenhilfe-Dienstleistung sind alle bei uns anfallenden organisatorischen Kosten abgedeckt, Reifen und Reparatur aber nicht. Dafür haben wir unser Komfortschutz-Paket.

Und können Ihre Partner das Pannenfahrzeug immer an Ort und Stelle wieder flottmachen?

Das ist die Prio eins. Das Fahrzeug muss wieder rollen. Abschleppen nur dann, wenn es technisch nicht anders geht oder die Gefahr für eine Reparatur an Ort und Stelle zu groß wäre. Haben wir es nicht nur mit einer Panne, sondern mit einem Unfall zu tun, ist jeder Fall anders gelagert. Dann erfolgt die Abstimmung nicht mehr nur mit dem Flottenbetreiber, sondern zusätzlich mit der Polizei und der Versicherung – je nach Art und Schwere des Unfalls. In diesem Fall greifen wir auf das Know-how derjenigen Servicepartner zurück, die über Kräne und andere schwere Geräte verfügen.

Wie schnell sind Ihre Partner immer vor Ort?

So schnell wie möglich – das ist der Anspruch. Es macht sich aber sehr wohl bemerkbar, dass sich immer weniger Menschen für eine Tätigkeit als Monteur entscheiden, der bei Wind und Wetter und teilweise schwierigen Verkehrsverhältnissen in Aktion treten muss. Eine Hürde ist sicherlich, dass die Monteure den Lkw-Führerschein und natürlich eine technische Ausbildung mitbringen müssen. Dadurch arbeiten viele Servicepartner an der Kapazitätsgrenze. Hinzu kommt, dass die Einsätze wegen der vielen Staus immer länger dauern. Deshalb ist es jeden Tag eine Herausforderung, schnell genug einen freien Servicepartner zu finden. Was vor fünf Jahren nach zwei Telefonaten erledigt war, braucht heute zehn Telefonate.

Eine weitere Anforderung ist sicherlich die Sprachenvielfalt, die Sie beherrschen müssen, oder?

Das Geschäft wird immer internationaler. Deshalb haben wir unser Service-Center personell verstärkt und in den vergangenen Monaten acht zusätzliche Service-Agents eingestellt. Die Anrufer sprechen immer seltener Deutsch und immer öfter Polnisch, Ungarisch, Tschechisch oder Bulgarisch. Wir stellen daher nur noch Agents ein, die neben Deutsch und Englisch mindestens eine dritte Sprache sprechen. In der Summe sprechen unsere Mitarbeiter ein Dutzend Sprachen, damit ist eine Verständigung garantiert, es gibt weniger Missverständnisse und damit eine erhöhte Prozesssicherheit.

Zur Person

  • Dirk Fröhlich ist seit Jahresbeginn Geschäftsführer des ADAC Truckservice in Laichingen (Schwäbische Alb).
  • Der Manager bekleidete Führungsfunktionen bei der AOK Baden-Württemberg und der Privatärztlichen Verrechnungsstelle. Zuletzt war er Vorstand der beiden von ihm gegründeten Beratungsfirmen AFA Management Holding und Living Business.
  • Der 39-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er spielt in seiner Freizeit gern Tennis, fährt Motorrad und reist. Morgens zwischen fünf und sechs Uhr absolviert er sein tägliches ­Sportprogramm.

Das Unternehmen

  • Der ADAC Truckservice bietet Pannenhilfe für Lkw, Trailer, Busse und leichte Nutzfahrzeuge an. Er unterhält ein Werkstattnetz mit mehr als 800 Standorten und mehr als 3.000 Pannenhelfern in Deutschland. Das Unternehmen aus Laichingen beschäftigt rund 70 Mitarbeiter. Sie wickeln in Deutschland jährlich rund 40.000 Pannenfälle ab.
  • Über das Netzwerk Europe Net bietet der ADAC Truckservice Pannenhilfe in 39 europäischen Ländern an. Das Netzwerk wickelt jährlich 300.000 Pannenfälle ab. Gesellschafter des Netzwerks, das voriges Jahr 30 Jahre alt wurde, ist der ADAC Truckservice mit 99 Prozent. Dahinter stehen 40.000 Vertragswerkstätten von 13 Partnern in Europa.
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