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Finanzierung Kreditklemme erfolgreich entkommen

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Mit Factoring können Kunden in 24 Stunden zu ihrem Geld kommen. Eine kleine Spedition aus dem Breisgau finanziert mit dem Rechnungsverkauf ihr Wachstum.

Ist die Leistung erbracht, bezahlt der Kunde schnellstmöglich seine Rechnung. Im besten Fall. Doch die tägliche Praxis von Speditionen und Logistikunternehmen sieht leider anders aus und bringt einige in Existenznöte. Laut Creditreform liegen die durchschnittlichen Zahlungsziele der Branche bei rund 15 Tagen. "Die Branche tut sich schwer, die passende Kreditversorgung in jeder Bonitätsklasse zu bekommen", sagt Hauke Kahlcke, Vorstandsmitglied der Pforzheimer Aktivbank.

Aktuell gibt es keine Kreditklemme

Aktuell gebe es zwar keine Kreditklemme, doch "die Transportbranche steht bei vielen Banken immer noch unter Beobachtung", so Kahlcke. Dabei gilt: Mit der Firmengröße sinkt auch der finanzielle Spielraum. Hinzu kommt die mangelhafte Zahlungsmoral mancher Kunden, die vor allem nach der Finanzkrise Speditionen in die Insolvenz getrieben hat, weil sie offene Rechnungen von Lieferanten und Löhne nicht mehr begleichen konnten.

So wundert es kaum, dass immer mehr Unternehmen den Forderungsverkauf für sich entdecken, wie der Deutsche Factoring-Verband in Berlin aktuell vermeldet, in dessen Vorstand Kahlcke ist und der die Interessen der 23 führenden Factoring-Institute und damit rund 90 Prozent des deutschen Factoring-Volumens vertritt. 2013 seien die Umsätze des Verbands um knapp neun Prozent auf einen neuen Umsatzrekord von 171,29 Milliarden Euro geklettert. Vier Prozent mehr Kunden konnten die Institute vergangenes Jahr gewinnen.

Zahlungsziele von 45, 60 oder gar 120 Tagen sind keine Seltenheit

Einer der Kunden ist die kleine Spedition von Michael Kuhn aus Teningen im Breisgau, die neben Transport- und Logistikdienstleistungen auch Weiterbildungen für  Berufskraftfahrer anbietet. Dabei fährt Kuhn seit 2013 auch mit einem eigenen Lkw. Die meisten Aufträge – die er oftmals selbst von großen Speditionen bekommt – vergibt er jedoch an Subunternehmer. Dabei seien Zahlungsziele von 45, 60 und sogar 120 Tagen keine Seltenheit, berichtet Kuhn. "Die Zahlungsmoral der großen Speditionen und Industriekunden lässt schon zu wünschen übrig", kritisiert er offen. Die ausstehenden Zahlungen lagen teils zwischen 20.000 und 40.000 Euro. "Weil wir die Ausstände nicht selbst finanzieren konnten, mussten wir Aufträge ablehnen", erinnert sich der Spediteur.
Sein erstes Ziel sei stets, seine Mitarbeiter und Partner fristgerecht zu bezahlen. Da auch Gespräche mit den Kunden keine Änderung brachten, "deren Zahlungsziele ändern wir leider nicht" – fuhr Kuhn nach eigenen Angaben zunächst externe Aufträge großer Hersteller zurück und suchte nach einer Lösung seines Liquiditätsproblems.

Frei am Markt bewegen

Diese fand er im Factoring. "Für mich ist das eine gute Sache: ich kann mich frei am Markt bewegen und meine Wettbewerbsfähigkeit erhalten." Viele kleine Speditionen gingen an nicht beglichenen Ausständen kaputt, beklagt Kuhn, was angesichts von Margen zwischen 15 und 80 Euro pro Transportauftrag kein Wunder sei.

Factoring verschafft somit dem Unternehmer die nötige Luft zum Handeln. Durch den Mietkauf eines eigenen Lkw konnte Kuhn neue Kunden gewinnen. Ein zweiter Euro-6-Scania plus Dachsattelzug mit Walking Floor kam hinzu. Die nötige Liquidität – laut Kuhn insgesamt immerhin rund 170.000 Euro – verschaffte ihm die Aktivbank als Factoring-Anbieter. "So dient mir Factoring als Wachstumsfinanzierung, um meinen eigenen Fuhrpark aufzustocken.´"

"Sympathie und gute, unkomplizierte Beratung"

Den Ausschlag für die Aktivbank gaben vor dreieinhalb Jahren laut Kuhn "Sympathie und gute, unkomplizierte Beratung". Dabei bedient die Aktivbank Kunden mit einem Jahresumsatz zwischen einer halben und 30 Millionen Euro. Die Bank will sich künftig verstärkt in der Logistik- und Transportbranche engagieren, die bisher ein Fünftel des Portfolios ausmacht. Ziel sei ein Kundenanteil von 30 bis maximal 40 Prozent, so Kahlcke.

Individuelle Konditionen anonym und seriös ermitteln

Wer sich im Internet erst mal schlau machen will, kann laut Hauke Kahlcke seine individuellen Kondition auf der Aktivbank-Internetseite anonym und seriös in wenigen Schritten selbst ermitteln.Vor Vertragsabschluss reicht der Spediteur seine aktuellen Geschäftszahlen, ausstehende Rechnungen, Informationen über Geschäftspartner und mehr an den Factoring-Anbieter ein. Bei einem Gespräch werden die weiteren Schritte besprochen.

Beim Umgang mit Factoring gibt es noch immer Unsicherheiten. "Seid ihr jetzt pleite, oder warum macht ihr das", hat Kuhn neulich ein Kunde gefragt. Dabei ist es so, dass die Factoring-Bank die Kreditwürdigkeit der Speditionskunden prüft, via Ampelsystem schwarze Schafe herausfiltert und so Schwierigkeiten vorbeugt. Mit dem Verkauf seiner Rechnungen tritt Kuhn die Risiken an den Factor ab. Die Daten werden über eine Schnittstelle online übertragen. Kuhn sieht anhand der Abrechnung, welche Auszahlungen in den nächsten 24 Stunden erfolgt. 80 Prozent werden ihm quasi als Vorschuss gleich überwiesen, wofür er (ein bis drei Prozent) Zinsen zahlen muss. Die restlichen 20 Prozent behält sich die Aktivbank als Sicherheit ein und überweist diese einmal monatlich. Bei anderen Kunden ist das Verhältnis 90/10 oder 85/15. Auf Wunsch übernimmt der Factor auch das Mahn- und Inkassowesen des Kunden. "Unsere Preise sind absolut transparent – der Kunde muss von Anfang an wissen, was auf ihn zukommt", betont Kahlcke. Die Gebühr für die Transaktionen richtet sich nach dem Jahresumsatz – bei Kuhn sind das 7.200 Euro. Dass seine Transporte gegen Zahlungsausfall und Insolvenz versichtert sind, ist für den Kleinunternehmer Kuhn "sehr wichtig".

Probleme individuell lösen

Auch die EKF Finanz in Frankfurt betreut seit 25 Jahren Kunden aus der Logistik- und Speditionsbranche mit ihren speziellen Fragestellungen. "Die Probleme liegen anders und müssen individuell und pragmatisch gelöst werden", sagt EKF-Geschäftsführer Thomas Frericks. Als Beispiele nennt er Palettenrechnungen, Rückfrachten aus dem Ausland oder die Frage, wie plausibel Rechnungen sind. Für Rückfrachten bietet EKF etwa die Blinddeckung bis zu einem vorher vereinbarten Betrag an. "Das erhöht die Flexibilität für die Speditionen." Der häufigste Grund für Factoring sei jedoch mit 90 Prozent, den Liquiditätsbedarf alternativ zur Bankfinanzierung zu decken. Wichtig ist eine schnelle, einfache und kostengünstige Abwicklung. Bei der Wahl des Factoring-Anbieters sollten Speditionen auch auf dessen Bonität achten. Eine Büro- oder Bankauskunft sorgt rasch für Klarheit.

Profitieren mit Skonto und Rabatten

Spediteur Kuhns Bilanz fällt bisher positiv aus: mehr Aufträge, mehr Margen, mehr Geld. Kauft er Lehrmaterial für den Unterricht, kann Kuhn heute sieben Prozent Skonto abziehen, "weil ich nach sieben Tagen bezahlen kann". Auch seine Subunternehmer profitieren mit Skonto und Rabatten.

Trotz der Aktivbank-Gebühr von drei Prozent des Jahresumsatzes (mindestens 600 Euro monatlich) ist Michael Kuhn vom Factoring überzeugt. Die Summe sei immer noch gering, verglichen mit dem Überziehungszins der Banken, sagt er. Für seine Situation sei es das passende Instrument: Denn unterm Strich habe er von Januar bis heute mit 136.000 Euro mehr Umsatz gemacht als im ganzen Jahr 2013.

Factoring-Modell

Je nach Anforderung eines Unternehmens bieten sich verschiedene Verfahren für das Factoring an. Im Mittelstand erfährt das Full-Service-Modell die größte Nachfrage.

Ausschnitts-Factoring

Verkauf eines Teils der Forderungen, etwa einer Gruppe oder eines Produkts.

B2B- und B2C-Factoring

Ankauf von Forderungen von Unternehmern oder privaten Konsumenten.

Cross-Border-Factoring

Über Landesgrenzen hinweg durch den Ankauf von Forderungen gegenüber ausländischen Debitoren oder den Erwerb von Forderungen ausländischer Factoring-Kunden (Internationales Factoring).

Echtes/Unechtes Factoring

Der Factor übernimmt das Ausfallrisiko (echt) oder eben nicht (unecht).

Fälligkeits-Factoring

Vollständige Absicherung gegen das Ausfallrisiko und Entlastung beim Debitorenmanagement ohne sofortige Regulierung des Kaufpreises.

Full-Service-Factoring (Standard-Factoring)

Umfasst alle Leistungen wie Forderungsausfallschutz,
Debitorenmanagement, Mahn- und Inkassowesen.

Online-Factoring

Factoring-Prozesse per Datenübertragung.

Inhouse-Factoring

Das Debitorenmanagement verbleibt im Unternehmen.

Offenes/Stilles Factoring

Der Debitor wird über den Forderungsverkauf informiert
(häufigste Form hierzulande) oder nicht unterrichtet.


Quelle: Deutscher Factoring-Verband

 

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