Faktencheck Meinungsfreiheit in sozialen Medien

Jan Bergrath Foto: Rainer Glissnik

In den Facebook-Gruppen verschiedener Berufskraftfahrer geht es oft sprachlich hoch her – bis zur Beleidigung. Doch soziale Medien sind keine Kneipentheke, sondern unterliegen dem Äußerungsrecht.

Die Schwierigkeit bei einer juristischen Bewertung von Äußerungen im Internet, hier insbesondere Facebook, fasst Christoph Domernicht, Anwalt für Arbeits- und Medienrecht aus Köln, so zusammen: "Der gesamte Zusammenhang einer Meinungsäußerung in einem Chatverlauf muss angesehen werden. Es folgt eine richtige Textanalyse. So machen es jedenfalls Anwälte und Richter. Es wird immer bewertet, was jemand versteht. Und nicht, was jemand im Kopf hatte, als er es schrieb. Was hier im Grunde bedeutet: Es wird bewertet, wie es der Richter versteht."

Für Lkw-Fahrer gilt das Laienprivileg

Die Sendung #012 zum aktuellen Thema "Meinungsfreiheit oder Beleidigung?" auf FERNFAHRER Live widmet sich mit den Lkw-Fahrern Heinz Mahn, Franco Filippone, Markus Gödde und Mike Örtel unter anderem der Frage, wo die Grenzen der von vielen Fahrern in den Fahrergruppen immer wieder betonten Meinungsfreiheit sind – und wo eine Beleidigung oder bewusst falsche Tatsachenbehauptung am Ende doch vor Gericht landen kann.

Ein wesentlicher Unterschied: Ein Journalist oder ganz allgemein "die Presse", wie auch der ETM Verlag mit seinen Redaktionen, muss eine im Netz verbreitete Behauptung etwa über eine namentlich genannte Spedition oder einen Vorwurf gegen eine Fahrerorganisation erst auf ihre Richtigkeit prüfen, also den Wahrheitsgehalt kontrollieren. So wie etwa im April in den sozialen Medien massenweise Screenshots einer Frachtenbörse auftauchten, die eine sicher verständliche Wut über das Preisdumping auch zum Teil mit Beleidigungen zum Ausdruck brachten. Für Lkw-Fahrer gilt dagegen das sogenannte Laienprivileg.

screenshot, chat, fakeprofil Foto: Markus Bauer
Ein Austausch auf Facebook

Jeder Laie kann Gerüchte zunächst einmal ohne inhaltliche Prüfung weiterverbreiten. Auch zu Corona. In einem Chat auf Facebook kommt es daher immer auf den inhaltlichen Zusammenhang einer thematischen Auseinandersetzung an, und so kann in der Tat die bekannte Äußerung des "Tittenbonus", die eine Zuschauerin kritisierte, in Zusammenhang mit etwaigen Vorteilen, die eine Fahrerin allein durch ihre äußere Erscheinung an einer Rampe erfährt, noch zulässig sein. Anders sieht es etwa mit der öffentlichen Verwendung des "A-Wortes" aus, die in der Regel eine Herabwürdigung oder Beleidigung ist, zumal wenn sie nicht in der hitzigen Erregung an einer Kneipentheke fällt, sondern durch bewusstes Tippen am PC geschieht.

Anonymität schützt nicht vor Strafe

Auch die Anonymität eines Fake-Profils nützt am Ende nichts, wenn es hart auf hart kommt, wie nun das Kammergericht Berlin im bundesweit bekannt gewordenen Fall der Grünen-Politikerin Renate Künast geurteilt hat. "Dann hat ein Kläger das Anrecht, sogar die IP-Adresse des Verfassers zu bekommen", so Domernicht, der ebenfalls darauf hinwies, dass auch die Admins der vielen Fahrergruppen auf Facebook für die Inhalte der dort getätigten möglichen Beleidigungen oder falschen Tatsachen verantwortlich sind. Dass eine einfache Anzeige bei der Staatsanwaltschaft selten Erfolg hat, liegt schlicht und einfach an deren Überlastung. "Einfach ignorieren", rät Mike Örtel, der den Shitstorm mit nicht zulässigen Drohungen wie "Ich dränge dich im Lkw von der Straße ab" aus seiner Zeit in einer Fahrergruppe kennt.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
FF 07 2020 Titel Meldung
FERNFAHRER 07 / 2020
6. Juni 2020
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