Mal das ganze Land lahmlegen, um auf die Probleme der Fahrer in der Transportbranche hinzuweisen: Diese Forderung taucht immer wieder in den sozialen Medien auf. Das kann aber teuer werden.
Undank ist der Welt Lohn. Hunderttausende Lkw-Fahrer rackern sich Tag für Tag ab, kämpfen gegen Staus, mangelnde Parkplätze, unflexible Sozialvorschriften und arrogante Lagermitarbeiter. All das, damit der liebe „Verbraucher“ jeden Tag seine Ware im Regal hat, die von arg unterbezahlten Fahrern trotzdem pünktlich geliefert wird. „Ohne uns läuft nichts“, hallt es durch die sozialen Medien.
Es dauert nicht lange, bis in einer der zahlreichen Fahrergruppen auf Facebook der erste Kommentar zum Streik oder gar zur Blockade aufruft, „damit die Bevölkerung endlich aufwacht“. Damit sollen sich die Zustände verbessern. Einmal „das Land lahmlegen“.
Das große Vorbild sind immer wieder die französischen Routiers, die sich nicht scheuen, ihre Forderungen mithilfe von quer stehenden Lkw durchzusetzen, was heute auch nicht immer garantiert ist. Doch Vorsicht: In jedem Land der Europäischen Union gibt es eigene gesetzliche Grundlagen. Rein politische Streiks, so wie sie auf Facebook immer wieder gefordert werden, sind in den meisten Ländern verboten.
In Deutschland sind Streiks als letzte Maßnahme bei turnusmäßigen Verhandlungen zwischen den beiden Sozialpartnern erlaubt. In der Logistik sind das auf der einen Seite die Vertreter der Arbeitgeberverbände, auf der anderen Seite verhandeln bei der für Fahrer zuständigen Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) die Landesbezirksfachbereiche des Fachbereichs 10 – Postdienste, Speditionen und Logistik. Doch mit der „Streikmacht“ ist es bei knapp fünf Prozent Mitgliedschaft der Fahrer im gewerblichen Güterverkehr bei Verdi so eine Sache. Und Fachsekretäre klagen immer wieder, dass viele Fahrer in letzter Minute das Interesse am Arbeitskampf wieder verlieren. Unter anderem, weil es zwar Streikgeld, aber keine Spesen gibt.

Dass sogar ein Warnstreik in einem Bundesland für die Gewerkschaft richtig teuer werden kann, zeigt das Beispiel von 1983: Die damalige Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) in Niedersachsen hatte, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, den damals noch existierenden Grenzübergang an der A 2 bei Helmstedt mit streikwilligen Fahrern aus Niedersachsen am Sonntagabend kurzerhand blockiert. Da damals die Versorgung des eingeschlossenen Westberlins in Gefahr war, wurde diese Blockade am Dienstag von der Polizei wieder aufgelöst.
Da jedoch auf der seinerzeit wichtigsten Strecke von Nordrhein-Westfalen nach Berlin auch Lkw von Speditionen aus anderen Bundesländern durch die Blockade behindert wurden, kamen plötzlich Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe (Deutsche Mark) auf die ÖTV zu. So ist es natürlich heute ein Leichtes, auf Facebook und in anderen sozialen Medien mal eben zu nicht legalen Streiks aufzurufen. Für die Fahrer – und die Halter der Lkw – könnte dies jedoch existenzvernichtende Konsequenzen haben.