Fahrerthemen auf der IAA 2018 Zurück in die Zukunft

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath
Meinung

Zwischen all den innovativen Lkw, die derzeit auf der IAA in Hannover gezeigt werden, beschäftigen sich drei Diskussionen am sogenannten Fahrerwochenende mit den Menschen hinterm Steuer. Mein persönliches Highlight: Rüdiger Kirschstein alias Günther Willers aus der Kultserie „Auf Achse“ kehrt in der „World of Heroes“ auf die Bühne zurück. Anfang der 90er-Jahre waren wir gemeinsam "In der Höhle des Löwen".

Da stehen sie nun also wieder akkurat ausgeleuchtet auf den Ständen der Hersteller der diesjährigen Nutzfahrzeug-IAA: die Lkw aller Klassen, für viele Fahrer auch das Blech, aus dem die Träume sind. Von der alles dominierenden Daimler-Show rund um den neuen spiegellosen Actros bis zum eTGM von MAN berichten meine Kollegen täglich über die Neuigkeiten bei Digitalisierung, Vernetzung, automatisiertes Fahren, Elektromobilität und urbaner Logistik.

Das für mich meistgenannte Wort bei den zahlreichen Pressekonferenzen war „holistisch“, also ganzheitlich. Heißt: jeder Hersteller hat quasi die ganze Palette im Angebot. Und jeder ist auf irgendeinem Gebiet der beste, erfolgreichste und größte Hersteller. So ist das halt auf einer Fachmesse.

Dunkle Wolken über der heilen Lkw-Welt

Dabei türmt sich über dem vielfach musikalisch unterlegten Selbstlob bereits bedrohlich eine dunkle Wolke auf - und die heißt Fahrermangel. Rund 45.000 Fahrer fehlen bereits jetzt schon, auch in Zukunft soll der Nachwuchs den jährlichen Schwund nicht aufhalten können. Dazu trägt für mich auch das IAA-Thema des zukünftigen „automatisierten Fahrens“ bei, das derzeit besonders von allen großen Lkw-Herstellern massiv betont wird, dass sich potenzielle Nachwuchsfahrer möglicherweise fragen, ob es sich für sie überhaupt noch lohnt, eine Ausbildung zu beginnen, wenn die Lkw eines Tages vielleicht wirklich selber fahren sollen.

Aber schon jetzt zeigt der Fahrermangel durch Kapazitätsengpässe erste Auswirkungen bei der Versorgung, sodass Prof. Dirk Engelhardt vom Bundesverband Güterverkehr, Logistik und Entsorgung, BGL, in einem Interview mit meinem Kollegen Matthias Rathmann betont, dass er den Fahrerberuf staatlicherseits sogar zum Mangelberuf erklären lassen will. Deshalb beschäftigen sich an diesem sogenannten „Fahrerwochenende“ drei hochkarätig besetzte Podiumsdiskussionen vor allem mit den Menschen hinterm Steuer.

Auftakt bei TRATON in Halle 12

In Halle 12 hat sich Traton eingerichtet, ehemals als Volkswagen Truck & Bus AG bekannt. Traton ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Volkswagen AG und gehört mit ihren Marken MAN, Scania, Volkswagen Caminhões e Ônibus und RIO zu den weltweit führenden Nutzfahrzeugherstellern. Ab 10.30 Uhr wird sich dort das geschäftsführende Vorstandsmitglied (CEO) der TRATON GROUP, Andreas Renschler, mit weiteren Gästen unter der Moderation von Werner Bicker der großen Frage stellen: „Auf der IAA gibt es so viele tolle neue Produkte, aber wie lange wird es noch Leute geben, die sie fahren?“

Geladen sind unter anderem Claudia Ball von der Dekra Akademie mit einem ersten Einblick in Ausbildungskonzepte der Zukunft, Udo Schiefner wird als stellvertretender Sprecher Verkehrspolitik der SPD-Bundestagsfraktion über die Möglichkeiten der Politik bei der Verbesserung der oftmals als schlecht bezeichneten Arbeitssituation der Fahrer sprechen.

Auch der Spediteur Hubertus Kobernuss aus Uelzen, Thomas Zernechel, Leiter der VW Konzernlogistik, und drei geladene Fahrer wollen über die derzeit drängenden Fragen wie den Auftragsdruck, die Anforderungen der Auftraggeber, die zunehmende Verkehrsdichte, die Ruhezeiten und anderen gesetzliche Hürden reden. Besonders freue ich mich darauf, dass wir uns auch über das für mich so entscheidende Thema der schlimmen Zunahme der verheerenden Unfälle am Stauende wie etwa auf der A2 austauschen – und wie diese durch verbesserte Notbremsassistenten wie etwa den EBA2 von MAN verhindert werden könnten.

Die gewerkschaftspolitische Seite des Fahrerproblems im Convention Center

Ungewollt wird ein weiterer Podiumsgast bei TRATON, Matthias Maedge, der derzeitige Generalbevollmächtigte der Internationalen Straßentransportunion, IRU, in Brüssel zum Bindeglied für eine gewerkschaftspolitische Diskussion ab 14 Uhr im Convention Center (CC) auf dem Messegelände. Denn unter dem für mich etwas zu polemischen Titel „Tschüss Papa, wir sehen uns in drei Wochen“ diskutieren Mitglieder der Kraftfahrerkreise unter anderem mit SPD-Politiker Schiefner und BGL-Hauptgeschäftsführer Engelhardt über die Konsequenzen des geplanten Mobilitätspaketes der EU. Hier hatte die EU-Kommission auch den Vorschlag gemacht, dass vor allem die Fahrer aus den mittel- und osteuropäischen Ländern spätestens nach drei Wochen und nicht, wie heute oft traurige Realität, erst nach einem bis zwei Monaten nach Hause fahren dürfen.

Maedge hatte den Berichterstatter des Verkehrsausschusses des Europäischen Parlaments (EP), Wim van de Camp, zu einer Nacht in einem Scania auf einem Rasthof vor den Toren Brüssels eingeladen, worauf dieser später vorschlug, dass die Fahrer unter bestimmten Bedingungen auf Sonderparkflächen auch die eigentlich verbotene regelmäßige wöchentliche Ruhezeit doch wieder im Lkw verbringen dürften. Auch ein Grund, warum die Vorschläge im Juli von der Mehrheit des EP abgelehnt wurden.

Aus Brüssel kommen nun Gerüchte, dass van de Camp, in der Hoffnung auf eine Lösung vor den kommenden Europawahlen im Jahr 2019, doch bereit sein könnte, die reguläre wöchentliche Ruhezeit außerhalb des Fahrzeugs zu akzeptieren. Ich bin auch wirklich gespannt, ob es bei dieser Runde angesichts der wirklich drängenden Arbeitszeitprobleme der deutschen Fahrer vielleicht endlich zu einem Schulterschluss von Verdi und BGL auf politischer Ebene kommen wird, oder ob Verdi weiter darauf besteht, mit dem BGL erst zusammenzuarbeiten, wenn es in Deutschland einen allgemeingültigen Tarifvertrag für Lkw-Fahrer gibt.

Mein persönliches Highlight am Sonntag in Halle 11B

Das Fahren eines Lkw wird immer weiter automatisiert und reglementiert, auch das ist ein Grund dafür, warum viele ältere Fahrer aussteigen und Nachwuchskräfte so schwer zu finden sind. Die Arbeitsbedingungen haben sich definitiv geändert. Auch im FERNFAHRER 11/2018, der am 6. Oktober erscheint, berichte ich einmal mehr über die Arbeit von Daniel Stancke von Truck Jobs aus Hamburg und seinen engagierten Mitarbeitern wie Marike Wöbken. Sie haben nun eine eigene Umfrage zur Arbeitszufriedenheit und zur Entlohnung unter Lkw-Fahrern ausgewertet. Sie deckt sich in vielen Punkten mit der Studie des BGL: zu viel Arbeit, zu wenig Geld und vor allem eine mangelnde Wertschätzung.

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath

Zusammen mit ihren neuen Partnern VW Financial Services AG, Euro Leasing, Truck Parking Europe, BFS und LogPay haben sie im neuen Pavillon der Halle 11 B die „World of Heroes“ aufgebaut, eine Sammlung von bestechend schönen Fotos über Menschen aus der Logistik, darunter auch viele Berufskraftfahrer, die auf dem Autohof Sittensen entstanden sind. Die Dreharbeiten sind hier im Film zu sehen. „Jeder sollte den Job bei einem Transportunternehmen haben, der zu wirklich ihm passt“, sagt Stancke. Über 200 Speditionen suchen nun über das Internetportal nach geeigneten Fahrern. „Deren Lohngefüge liegt dabei teilweise deutlich über dem Durchschnitt der Branche.“

Ein Hauch von "Auf Achse" bei der IAA

Vor allem eins ist über all die Jahre im Fahrberuf verloren gegangen: das Gefühl der Freiheit. Eine Freiheit, die vor allem in den 80er Jahren, als ich selbst noch quer durch Europa im Lkw unterwegs war, durch die Kultserie „Auf Achse“ (1979 bis 1996) geprägt wurde, mit dem leider 2016 viel zu früh verstorbenen Manfred Krug als Franz Meersdonk und Rüdiger Kirschstein als Günther Willers, die mit ihren anfangs noch 320 PS starken Lkw ungehindert durch digitale Tachos oder Sozialvorschriften durch Zeit und Raum rasten, allerlei spannende Abenteuer bestanden und über die Jahre das Herz von Millionen TV-Zuschauer gewannen. Auch meins.

Es ist ein wirklicher Coup, dass es Stefan Helmgens, Leiter Business Development bei Euro Leasing, gelungen ist, den heute 77-jährigen Willers am Sonntag ab 13.30 Uhr zurück auf die Bühne der „World of Heroes“ zu holen. Mit Christina Scheib, der beliebten Fahrerin aus den TV-Sendungen „Trucker Babes“ und „Asphalt Cowboys“, wird er sich über die glorreiche Vergangenheit und die Zukunft des Fahrberufs unterhalten.

Ein Termin, auf den ich mich besonders freue: Denn Anfang der 90er Jahre durfte ich als junger Autor des FERNFAHRER mit einem grünen Scania in der Folge „In der Höhle des Löwen“ als Fahrer eines Privatdetektivs hinter seinem blauen MAN durch das wilde Anatolien rasen. Und daher freue ich mich, bei dieser sicher einmaligen Diskussion, die von FERNFAHRER-Chefredakteur Thomas Rosenberger moderiert wird, dabei sein zu können. Anschließend verteilt Kirschstein noch Autogramme!

Seine beiden liebsten Folgen präsentiert Günther Willers dann am Montag, 24.9., ab 19.00 Uhr, vor geladenen Gästen im Astor Grand Cinema Hannover. Dort wird auch der Preis des beliebtesten Fahrers aus der kleinen Reihe „Kraftfahrerhelden“ verliehen.

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