Fahrermangel und Mobilitätspaket Das kommt 2019 auf die Branche zu

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath
Meinung

Mangelberuf oder Mangel an Berufung? Der drohende Fahrermangel bleibt auch im Jahr 2019 das beherrsche Thema in der deutschen Transportwirtschaft. Doch das ist nicht die einzige Belastung für die Branche in diesem noch jungen Jahr.

Liebe Leserinnen und Leser, ich hoffe, Sie sind gut ins Neue Jahr gestartet, das gleich zu Beginn mit der Feinstaubdebatte um Silvesterfeuerwerke und dem ersten Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge in Stuttgart die Bandbreite der möglichen Irrungen und Wirrungen der nahen Zukunft zeigt. Dazu kommt nun die noch im alten Jahr von der EU vorgegebene Senkung des CO2-Ausstoßes für Nutzfahrzeuge bis 2030, die die Industrie vor zwar lösbare, aber teure Weiterentwicklungen der Motorentechnik stellt – bis alternative Antriebe auch für längere Strecken wirklich zur Verfügung stehen.

Letzen Endes, so sagte mir noch im Dezember der hochrangige Vertreter eines deutschen Lkw-Herstellers in einem Hintergrundgespräch, sei das alles technisch machbar – würde aber vor allem den Transport selbst auf lange Sicht weiter verteuern.

Lkw-Maut zum Jahreswechsel gestiegen

Nun ist zum Jahreswechsel auch noch die Lkw-Maut gestiegen – inlusive neuer Pflichten bei der OBU-Bedienung. Aus Gesprächen mit einigen Transportunternehmen weiß ich, wie schwierig es für sie ist, diese Mautsteigerung bei ihren Kunden auch durchzusetzen. Nicht alle Frachtführer, so steht zu befürchten, werden dies tun oder tun können, sondern sie mit in den Frachtpreis einrechnen. Das wird auf Dauer nicht gutgehen. Zudem steigt 2019 auch wieder der Arbeitgeberanteil bei der Krankenversicherung, was natürlich auf der anderen Seite die deutschen Fahrer wieder ein klein wenig entlastet.

Lohngefälle und Westwanderung

Allerdings liegen aufs ganze Jahr gerechnet die Gesamtkosten der deutschen Unternehmen für einen Fahrer weiterhin deutlich über denen der osteuropäischen Konkurrenz, die wiederum, da rund 20 Prozent osteuropäische Fahrer hier in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, immer öfter auf Fahrer aus Drittstaaten wie der Ukraine zurückgreifen muss. 108.000 Fahrer aus Drittstaaten 2017 waren nach einer Statistik der EU-Kommission bereits bei überwiegend osteuropäischen Frachtführen beschäftigt. Tendenz steigend.

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So verfügt etwa die eigentlich deutsche Spedition Hegelmann aus Karlsdorf kaum noch über in Deutschland zugelassene Lkw sondern meldet diese über ihre vollkommen eigenständigen osteuropäischen Niederlassungen an und beschäftigt dort eben auch zunehmend Fahrer aus der Ukraine. Oder beauftragt osteuropäische Subunternehmer, die Trailer zu ziehen. Deren Fahrer wiederum sind dann für mehrere Wochen in Europa unterwegs.

Warten auf das Mobilitätspaket

Der multinational Päckchen transportierende Weihnachtsmann ist nun wieder mitsamt seinen Rentieren in der Homebase, und so wartet die westeuropäische Transportbranche auf das Mobilitätspaket aus Brüssel mit der bangen Frage, ob sich die EU unter der seit dem 1. Januar bestehenden halbjährlichen Ratspräsidentschaft Rumäniens, die unlängst von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf Grund der anhaltenden Korruptionsvorwürfe innerhalb der Politik in Zweifel gezogen wurde, endlich auf Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer einigen kann.

Einigungsversuch unter rumänischer Ratspräsidentschaft

Doch wie ich die Situation im frisch erschienenen FERNFAHRER 2/2019 beschreibe, ist es eben nur ein Vorschlag, und dieser ist noch lange nicht spruchreif. Erst muss sich das Europäische Parlament endlich über die ursprünglichen Vorschläge der Kommission einigen, was tatsächlich schon im Januar passieren könnte, dann geht es zusammen mit je einem Vertreter aus Verkehrsministerrat, Parlament und Kommission unter ebenjener umstrittenen Ratspräsidentschaft Rumäniens in den „Trilog“. Sollte hier bis zum Ende der Legislaturperiode Mitte 2019 weiterhin keine Einigung erfolgen, dann war es das fürs erste mit dem Mobilitätspaket.

Auch die Frage, wie es grundsätzlich mit der Europäischen Union weitergehen soll, wird bei den Neuwahlen des EU-Parlaments Mitte des Jahres beantwortet. Der anstehende, wohl ungeordnete Brexit, der Abschied der Engländer aus der EU, wird die Transportbranche belasten. Angeblich bucht die britische Regierung bereits zusätzliche Fährkapazitäten, um ab März das totale Chaos in Dover und den Häfen des Kontinents zu verhindern.

Fahrermangel bleibt das große Sorgenkind

Doch das große Sorgenkind nicht nur der deutschen Transportbranche ist der aktuelle und zukünftige Fahrermangel. Eine wirklich gute Zusammenfassung der komplexen Problematik, die auch für den einfachen Bürger und Verbraucher verständlich ist, hat ein Kollege der Welt bereits im Dezember geschrieben. So dramatisch ist die Situation bereits, dass der Lkw-Fahrer als Mangelberuf gilt, wie es unter anderem der Bundesverband Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) bereits im letzten Jahr gefordert hat.

Dann könnte, so eine Idee, die Bundesagentur für Arbeit gezielt im Ausland nach geeigneten Arbeitskräften suchen. Doch auch diese Quelle ist längst versiegt. Experten wie ELVIS-Chef Jochen Eschborn, der ebenfalls eine wissenschaftliche Fahrerbefragung in Auftrag gegeben hat, befürchten eher, dass über kurz oder lang osteuropäische Fahrer mit einer sukzessiven Angleichung der Lohnkosten wieder in die Heimat zurückkehren werden. Und sollte sich die Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ der Gewerkschaften, die derzeit auch von den europäischen Verkehrsministern und den westeuropäischen EU-Parlamentariern getragen wird, tatsächlich durchsetzen, dann wird in Zukunft auch der Lohnkostenvorteil westeuropäischer Unternehmen mit ihren osteuropäischen Niederlassungen, die nicht selten reine Briefkastenfirmen sind, schwinden.

Arbeitsbedingungen und Berufung

Ja, es ist grundsätzlich richtig, dass derzeit mehr Fahrer in Rente gehen, als durch die dreijährige Ausbildung zum Berufskraftfahrer oder die von den Arbeitsagenturen geförderte sechsmonatige Umschulung zum EU-Berufskraftfahrer nachrücken. Leider ist die Qualität der letztgenannten Gruppe, so sagen es mir immer wieder die suchenden Unternehmer, oft nicht ausreichend für den deutlich komplexer gewordenen Beruf. Aus der Not heraus werden heute Fahrer eingestellt, die früher noch nicht einmal zu einem Bewerbungsgespräch geladen worden wären. Auch das führt mittlerweile zu immensen Schäden in den Fuhrparks, was wiederum die Versicherungsprämien und damit die Betriebskosten steigen lässt.

Ich persönlich stelle fest, dass es vor allem bei vielen der neu eingestellten und schnell ausgebildeten Fahrer an der Berufung fehlt. Andererseits verlassen viele langjährige und erfahrene Fahrer in einer stillen Flucht die Branche, weil sie in anderen Jobs für weniger Arbeitsstunden mehr Geld bekommen und regelmäßig zuhause sind. Und nicht zuletzt wird den Fahrern, die ihren Job immer noch lieben und mit Begeisterung ausüben, diese Freude immer öfter genommen. Ein Beispiel ist die nach wie vor vorhandene Besessenheit einiger überaktiver Polizeibeamten der Schwerlastkontrollgruppen, die weiterhin Jagd auf Lkw mit Zusatzbeleuchtung machen. Dabei ist für mich doch längst erwiesen, dass Fahrer mit ihren attraktiven Fahrzeugen nicht nur besser auf diese aufpassen sondern auch so gut wie nie in Unfälle verwickelt sind.

Mehr Wertschätzung – und dann?

In weiteren Befragungen der deutschen Lkw-Fahrer im vergangenen Jahr war immer wieder von mangelnder Wertschätzung die Rede. Gut, es soll Verlader oder Warenempfänger geben, die den Fahrern heute immerhin eine Tasse Kaffee spendieren und sie freundlich behandeln.

Doch glaubt man den Aussagen viele Fahrer, so liegt das Hauptproblem bei den insgesamt deutlich zu langen Arbeitszeiten, die die Fahrer immer noch mit ihren pauschalen Arbeitsverträgen absolvieren müssen. Was ich nicht verstehe: Selbst beim akuten Fahrermangel trauen sich immer noch viel zu wenige Fahrer, solchen Chefs zu sagen: „Ich halte mich fortan ans Gesetz und wenn dir das nicht passt, dann musst du dir einen anderen Fahrer suchen!“ Was letzten Endes dazu führt, dass sich die Arbeitsbedingungen in der Gesamtheit nicht wirklich verbessern.

Andere Konzepte nötig

Deshalb möchte ich zum Abschluss dieses Blogs zwei Unternehmen hervorheben, deren Konzepte ich im FERNFAHRER 2/2019 genau beschreibe. Zum einen die Spedition Rothermel aus Östringen mit ihren 130 Lkw, die sich freiwillig an der begrüßenswerten Kampagne „Hellwach mit 80 km/h“ der Verkehrspolizei Mannheim beteiligt. Denn die Zahl der getöteten Lkw-Fahrer ist 2017 wieder gestiegen. Und für 2018 dürfte es nach meinem Eindruck nicht viel besser geworden sein. Für die Fahrer der Spedition Rothermel sind die zehn goldenen Regeln der Kampagne, die vor allem die tödliche Gefahr der Ablenkung vermeiden sollen, daher eine Frage der Berufsehre.

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Und die Spedition Barth aus Burladingen, deren Konzept „Gut geregelte Arbeit“ im Heft beschrieben ist, hat schon länger erkannt, dass sie ihren Fahrern alternative Angebote machen muss, um die Belegschaft zu halten oder weiterhin junge Menschen für den Beruf des Fahrers zu begeistern. Nicht nur probiert sie mit Erfolg das Konzept, dass ein Azubi in vier Jahren gleich zwei Berufe lernen kann, sie bietet dazu Jobs im Nahverkehr, im Fernverkehr und im nächtlichen Begegnungsverkehr.

So hat jeder Fahrer die Möglichkeit, das zu tun, was seiner Neigung und seinem zunehmenden Bedürfnis an geregelter Freizeit und Teilhabe am sozialen Leben entspricht oder, was es immer noch gibt, seinem schier unstillbaren Verlangen nach Touren im internationalen Fernverkehr nachzukommen.

Es ist natürlich nicht die eine Lösung gegen den Fahrermangel, sondern eine von vielen. Und sie steht unter dem Motto: „Der Mensch macht´s aus." Das wiederum sollten viel mehr Unternehmen und vor allem die Kunden der Transportunternehmen berücksichtigen.

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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