Fahrermangel Es fehlen qualifizierte Berufskraftfahrer

Foto: Stephan Bannert

Vor der Coronakrise gab es in Deutschland Fahrermangel. Jetzt zieht der Transport in Teilbereichen an – doch nun sind viele Fahrer auf dem Arbeitsmarkt, die in der Krise mangels Qualität entlassen wurden.

Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) warnte Ende 2019 noch einmal eindringlich davor, dass pro Jahr im Zuge des demografischen Wandels mindestens 30.000 Fahrer mit viel Erfahrung nun in Rente gehen (siehe den Report über den Profi Wolfgang Dorn auf ­Seite 48). Nachgekommen waren 2019 genau 1.833 Fahrer, die ihre dreijährige Ausbildung bestanden hatten, und 20.942 Fahrer mit ­einer meist staatlich geförderten „beschleunigten Grundqualifikation“.

Dann kam die Coronakrise mit einem Einbruch der Transporte. Anfang Juni berichtete das Bundesamt für Güterverkehr (BAG), dass im April 2020 die Zahl der offenen Stellen für Lkw-Fahrer um 31,7 Prozent von 18.332 im Vorjahresmonat auf 12.526 gesunken sei. Insgesamt waren 35.031 Berufskraftfahrer im Güterverkehr auf Stellensuche, im April 2019 waren es 28.793 gewesen. Die Zahl der Arbeitssuchenden stieg um 21,7 Prozent. Die Kurzarbeit im Bereich Verkehr und Lagerei stieg im März und April 2020 sprunghaft auf insgesamt 419.873 Betroffene an.

Nun zieht das Transportgewerbe in Teilen wieder an, Speditionen und Frachtführer sind auf der Suche nach qualifizierten Fahrern. So wie Paul Apelt aus Klein-Gerau. Im Juli 2009 hatte er mit einem Kipperzug als selbst fahrender Unternehmer begonnen, heute hat er eine Flotte mit 15 Fahrzeugen, die überwiegend mit Abraum im Baustellenverkehr im Rhein-Main-Gebiet unterwegs sind, aber auch im internationalen Fernverkehr mit Plane und Kühler. Gerade hat er zwei Scania S 650 neu zugelassen. Einen für sich, den anderen für seinen zuverlässigen Griechenlandfahrer.

Gute Fahrer sind auf dem Markt selten

Mitte Juni hat Apelt Fahrer gesucht und dabei mit Schrecken festgestellt: „Im Zuge der Coronakrise haben viele Speditionen ihre schlechtesten Fahrer ausgesondert. Die sind nun auf dem Markt und suchen Arbeit.“ Rund 40 Bewerbungen hatte er auf eine Anzeige bei Facebook bekommen. „Von guten Fahrern, die eine anständig bezahlte Stelle suchen, erwarte ich, dass sie in der Lage sind, sich halbwegs vernünftig per Mail bewerben zu können.“ Vielfach scheiterte es, weil die potenziellen Mitarbeiter den Lkw mit nach Hause nehmen wollten – was Apelt nach schlechten Erfahrungen grundsätzlich ablehnt. „Am Ende waren es zehn Fahrer, die ich überhaupt erst in die engere Auswahl für ein Vorstellungsgespräch genommen habe.“

Darunter ein Fahranfänger mit viel ­Motivation, aus dem vielleicht etwas werden könnte; ­einer, der erst noch den Lkw-Führerschein machen möchte. „Abgelehnt habe ich die Fahrer, die sich aus der Kurzarbeit bei ihren aktuellen Arbeitgebern bei mir beworben haben“, sagt Apelt, der auch eigene Fahrer für eine kurze Phase in Kurzarbeit schicken musste. „Das ist bei mir etwas Prinzipielles. Fahrer, die in schlechten Zeiten nicht zu ihrer Firma stehen, die brauche ich in guten Zeiten auch nicht. Die sind bald wieder weg.“ Einige Bewerber absolvieren noch eine Probefahrt. Bislang konnte Apelt immerhin einen 25-jährigen motivierten Fahrer einstellen.

Unternehmen haben in der Krise Flotten reduziert

Nach Rücksprache mit Spediteuren und Frachtführern ergibt sich in der Tat kein sehr positives Bild über den aktuellen Arbeitsmarkt für Lkw-Fahrer. Viele Unternehmen haben in der Krise tatsächlich die Flotten reduziert und Fahrer freigestellt. Besonders in den sozialen Medien schaukeln sich viele Fahrer aktuell mit Lohnvorstellungen gegenseitig hoch, die mit der aktuellen Entwicklung am deutschen Frachtmarkt nichts mehr zu tun haben. „Die qualifizierten Fahrer wissen natürlich, was sie im Grunde wert sind“, sagt Micha Hofmann, Fuhrparkleiter der Spedition Steinbach aus Bayreuth. „Doch durch den Wettbewerb mit osteuropäischen Frachtführern sind die einfachen Touren von A nach B mit Standardfahrzeugen oft nicht rentabel.“

Mit anderen Worten: Der Markt an Lkw-Fahrern aus der Region Oberfranken nahe der Grenze zu Tschechien ist wie leer gefegt. Die Fahrerlöhne sind etwas niedriger als in anderen Regionen, ebenso die Lebenshaltungskosten. Daher setzt Steinbach erfolgreich auf die Ausbildung von Berufskraftfahrern – und auf Spezialfahrzeuge, also Volumenzüge mit Mitnahmestapler, mit denen sich Steinbach noch gegen die Lohnkostenvorteile der Wettbewerber aus Osteuropa am Markt behaupten kann. Und er hofft darauf, dass sich durch das nun beschlossene Mobilitätspaket (siehe Seite 10) in der Zukunft diese Kostenvorteile etwas verringern. „Unser Problem sind vor allem die schlecht bezahlten Rückladungen.“

Marktbereinigung im Zuge der Krise

Der BGL hat bereits in der Vergangenheit immer wieder betont, dass deutsche Transportunternehmen vor allem in der Nische noch eine Chance haben, wirtschaftlich zu leben. Im Zuge der Coronakrise findet dabei derzeit eine Marktbereinigung statt. „Die guten Fahrer aus dem Ausland, die längst in Deutschland und natürlich auch bei uns beschäftigt sind, sind auch nur eine Alternative für schlechter qualifizierte hiesige Fahrer, wenn sie die Sprache beherrschen. Das ist unser zweites großes Problem.“

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