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EU-Entsenderichtlinie Österreich erleichtert Meldeverfahren

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Viele Unternehmen beklagen die bürokratischen Auswüchse der EU-Entsenderichtlinie, Österreich hat nun nachgebessert.

Deutschland hat es mit dem Mindestlohngesetz vorgemacht, seine Nachbarn haben im Kampf gegen Sozialdumping nachgezogen, etwa die Niederlande, Belgien, Italien und Frankreich. Das Entsenderecht zum Schutz von Beschäftigten im EU-Ausland – Grundlage sind die Richtlinie 96/71/EG sowie die Richtlinie 2014/67/EU für deren Durchsetzung – bedeutet für die Unternehmen im Kern die Anmeldung des entsendeten Mitarbeiters, die Benennung eines Ansprechpartners im Land und das Bereithalten von wichtigen Dokumenten.

Doch die bürokratischen Auswüchse – vor allem in Österreich – lassen die Unternehmen des Transportgewerbes verzweifeln. "Jeden einzelnen Transportauftrag vorab anzumelden – das geht gar nicht. Dieser bürokratische Aufwand steckt in keinem Frachtpreis", sagt Michael Nuber, Inhaber der Spedition Nuber in Augsburg. Seine erste Reaktion zum österreichischen Entsendegesetz, das seit 1. Januar gilt, war daher, keine Lkw mehr in das Land zu fahren.

Dabei sorgt das Lohn- und Sozialdumping-Gesetz (LSD-BG) selbst unter österreichischen Transporteuren für viel Unmut. Mit dem LSD-BG soll das Lohn- und Sozialdumping durch ausländische Dienstleistungserbringer im Zusammenhang mit Entsendungen von Arbeitnehmern nach Österreich noch wirksamer bekämpft werden als bisher. Auch sollen der Schutz der entsandten Arbeitnehmer, des Arbeitsmarktes und Wettbewerbs in Österreich wesentlich erhöht werden, verlautet aus dem österreichischen Sozialministerium, das dieses Gesetz gemacht hat.

Jeder Transport erfasst

Grundsätzlich wird außer dem Transit jeder grenzüberschreitende Transport unabhängig von seiner Dauer vom LSD-BG erfasst und muss der Finanzpolizei gemeldet werden. Unternehmen, die ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU, des EWR oder der Schweiz haben, müssen die Entsendung oder Überlassung der Arbeitnehmer vor Beginn der Arbeiten (bei Entsendung oder Überlassung mobiler Arbeitnehmer im Transportbereich vor der Einreise nach Österreich) der sogenannten Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung melden. Für Arbeitskräfte aus Kroatien gelten Sonderbestimmungen.

Knackpunkt der Umsetzung des LSD-BG ist das derzeit noch komplizierte und aufwendige Meldeverfahren bei der Entsendung, das die Transportunternehmen auf die Palme bringt. Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels: Das Sozialministerium hat bereits auf die zahlreichen Anfragen ausländischer Unternehmen reagiert und zwischenzeitlich (auf der Website www.entsendeplattform.at) ein eigenes spezielles Informationsblatt zu Entsendungen im Transportbereich veröffentlicht, in dem alle Verpflichtungen von Unternehmen und Fahrpersonal beim Transport ausführlich erläutert werden.
"Damit sollten nun auch viele der bisher gestellten Fragen rund um den Meldevorgang beantwortet sein", erklärt Erik Wolf, Geschäftsführer der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich, gegenüber trans aktuell.

Meldeverfahren wird ab Juni leichter

Und es tut sich noch mehr: Ab Anfang Juni soll das Meldeverfahren spürbar erleichtert werden. "Es wird eine auf die Erfordernisse der Transportwirtschaft abgestimmte einfache Sammelmeldung für mobile Arbeitnehmer im Transportbereich mit eigenem Meldeformular geben", sagt Wolf. Die Abgabe der Meldung wird pauschal für jeweils sechs Monate, unabhängig von den einzelnen Entsendungen möglich sein.
Nicht mehr gemeldet werden müssen dann etwa Auftraggeberdaten, Beginn und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung in Österreich, Dauer und Lage der vereinbarten Normalarbeitszeit sowie der Beschäftigungsort.

Im Fahrzeug müssen künftig folgende Dokumente entweder mitgeführt oder elektronisch zugänglich sein: Arbeitsvertrag (in Deutsch oder Englisch), Sozialversicherungsbestätigung A1 und Entsendemeldung. Ab Juni müssen aber keine Lohnunterlagen wie Zahlungs- oder Überweisungsbelege oder Einstufungsunterlagen mehr bereitgehalten werden.

Bis zum Inkrafttreten der Änderungen müssten die bisherigen Regelungen weiterhin beachtet werden, rät Wolf ausdrücklich, weil bis zum Inkrafttreten der neuen Anmeldepflichten Kontrollen durchgeführt werden. "Die Kontrollen werden aber unter Berücksichtigung der rechtlichen und technischen Probleme durchgeführt", so die Aussage der österreichischen Finanzpolizei gegenüber trans aktuell. Es sollte daher auf jeden Fall eine Meldung bei der Finanzpolizei abgegeben werden, um allfällige Sanktionen im Zuge von Straßenkontrollen zu vermeiden, verlautet aus dem Sozialministerium. Sollte sich herausstellen, dass die Meldung fehlerhaft ist, werden Meldefehler bis 1. Juni 2017 jedenfalls "nachgesehen" und nicht sanktioniert.

Frankreich kontert mit Loi-Macron-Gesetz

Frankreich hat die EU-Entsenderichtlinie im Straßengüterverkehr bereits zum 1. Juli 2016 umgesetzt und prüft die Einhaltung auch im Rahmen des sogenannten Loi-Macron-Gesetzes. Dafür muss jeder einzelne Fahrer auf dem Portal "SIPSI" angemeldet und eine Entsendebescheinigung ausgefertigt werden. Die Bescheinigung hat laut DSLV eine Gültigkeitsdauer von maximal sechs Monaten und gilt für alle in diesem Zeitraum durchgeführten Fahrten, ohne dass für jeden weiteren Transport erneut eine Entsendebescheinigung auszustellen ist und die Beförderungen zu spezifizieren sind. Die enthaltenen persönlichen Daten werden nach Beendigung der Entsendung fünf Jahre lang gespeichert.

Neu ist, dass nach Österreich auch Frankreich seit 1. April 2017 bei Kontrollen die Vorlage einer A1-Bescheinigung vom Fahrpersonal verlangt. Zu beachten ist außerdem, dass die Meldepflicht auch dann gilt, wenn die Fahrer etwa im Rahmen von Kabotage-Fahrten weniger als acht Tage in Frankreich unterwegs sind. Ausgenommen bleibt hiervon allein der Transitverkehr.

Italien hat Kabotageverkehr im Blick

Beispiel Italien: Dort ist das neue Arbeitnehmer-Entsendegesetz seit 22. Juli 2016 in Kraft, seit 26. Dezember können im EU-Ausland ansässige Unternehmen es auch tatsächlich rechtskonform umsetzen. Hier gilt die Mitteilungspflicht ebenfalls nur für die Entsendung von Arbeitnehmern im Sinne der Leiharbeit sowie für Kabotage-Fahrten – Transitfahrten sowie einfache Beförderungen mit Be- und Entladestellen in Italien sind nicht betroffen, informiert die Deutsch-Italienische Handelskammer (AHK).

Entsendete Mitarbeiter müssen bis spätestens um 24 Uhr vor dem ersten Entsendetag beim Arbeitsministerium registriert und das Formular UNI_Distacco_UE ausgefüllt werden. Fahrer müssen im Rahmen des Entsendegesetzes zwar keine Unterlagen mit sich führen, die Unternehmer müssen aber während der Entsendung und für zwei Jahre nach der Entsendung eine Reihe von Unterlagen aufbewahren.
Das Fazit: Für die Unternehmen sind die verschiedenen nationalen Auslegungen und die damit verbundene Bürokratie schlicht eine Behinderung des freien Wirtschaftsverkehrs. Der DSLV fordert daher eine verbindliche Ausgestaltung des Entsenderechts speziell für den Transportbereich und "mindestens die zügige europäische Harmonisierung nationaler Meldeverfahren" – und einen deutlichen Abbau der bürokratischen Belastungen.
Spediteur Nuber ist zumindest insoweit zufrieden, als dass die neuen Regelungen für Österreich "handhabbarer werden". Aber auch er fordert, das Thema aus der nationalen Gesetzgebung zu holen und etwa in einem nächsten EU-Weißbuch zu verankern

Folgende Angaben müssen gemeldet werden:
Österreich (ab Anfang Juni)
 

  • Name, Anschrift, Kontaktdaten des Arbeitgebers
  • Fahrerdaten (Name, Geburtsdatum, Anschrift, SV-Nummer, SV-Träger, Staatsangehörigkeit)
  • Kennzeichen des Fahrzeuges
  • Höhe des Entgelts nach den österreichischen Rechtsvorschriften (Kollektivvertrag) und Beginn des Arbeitsverhältnisses
  • Art der Tätigkeit und Verwendung des entsandten Arbeitnehmers (im Wesentlichen "Lenker")
  • Angabe der Daten der ausländischen Behörde sowie der Genehmigung (GZ, etc.), falls Beschäftigungsbewilligung und/oder Aufenthaltsbewilligung im Entsendestaat notwendig ist, oder Kopie der Genehmigung

 
Frankreich:
 

  • Name, Anschrift, Kontaktdaten des Arbeitgebers; Name des zuständigen Sozialversicherungsträgers;
  • Fahrerdaten, Arbeitsvertrag, berufliche Qualifikationen
  • Höhe des Bruttoarbeitslohn pro Stunde in Euro und Einzelheiten zu firmenspezifischen Spesen und Übernachtungssätzen
  • Name und vollständige Anschrift  des Vertreters in Frankreich
  • die Registrierung des Unternehmens im jeweiligen nationalen elektronischen Register der Transportunternehmer gemäß Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 (nur für den Straßengüterverkehr)
  • für Selbständige Fahrer gilt dies nicht. Der DSLV empfiehlt aber, einen Handelsregisterauszug ihres Unternehmens mitführen

 
Italien:

  • Name, Anschrift, Kontaktdaten des Arbeitgebers und dessen gesetzlichen Vertreter; Kontaktdaten des Vertreters in Italien
  • Leistungsempfänger und dessen gesetzlicher Vertreter
  • Fahrerdaten
  • Dauer und Sitz der Entsendung

Im Fahrzeug mitzuführen oder elektronisch zugänglich muss sein:
 
Österreich (ab Juni)

  • Arbeitsvertrag (in Deutsch oder Englisch)
  • Sozialversicherungsbestätigung A1
  • Entsendemeldung

 
Frankreich:

  • Entsendebescheinigung (weitere Ausfertigungen sind beim jeweiligen Vertreter in Frankreich sowie beim entsendenden Unternehmen  zu hinterlegen)
  • Arbeitsvertrag/Gehaltsabrechnungen; falls verfügbar: eine in Französisch übersetzte Kopie eventuell der zur Anwendung kommender Tarifvereinbarungen. Laut DSLV werden diese Dokumente nicht in elektronischer Form akzeptiert.

 
Italien:
Während der und bis zu zwei Jahre nach der Entsendung muss das Unternehmen folgende Unterlagen (wenn nötig in italiensicher Sprache) vorhalten:

  • Arbeitsvertrag
  • Lohnzettel/Stundenzettel
  • Nachweise über die Gehaltszahlungen
  • A1-Bescheinigung
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Rechtsanwalt Matthias Pfitzenmaier Matthias Pfitzenmaier Fachanwalt für Verkehrsrecht
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