Embargo Handel in Gefahr

Russland, Embargo, Wirtschaft, Foto: Montage: Grobosch, Grafik: Mannchen, Quelle: Germany Trade & Invest

Die deutsche Wirtschaft sieht die gegen Russland verhängten Sanktionen mit Unbehagen. Auch die Transportbranche wird nicht ungeschoren davonkommen.

Das Geschäftsklima wird ungemütlich, die Unsicherheit wächst. Spediteure und Logistiker müssen sich auf Embargo-Maßnahmen einstellen, obwohl sie oft gar keine genaue Kenntnis über die Ware oder deren Verwendungszweck in Russland haben. Doch Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Ihnen drohen drastische Strafen, warnt der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV). Gerade bei güterbezogenen Sanktionen wird es schwierig, denn hier müssten sich die Unternehmen meist auf Informationen aus Frachtpapieren und Aufträgen verlassen. Da mittlerweile auch 20 Organisationen und 87 Personen auf schwarzen Listen stünden, rät der DSLV, diese Informationen dringend in die Compliance-Software einzupflegen und regelmäßig zu aktualisieren.

Verband kritisiert das schwammig formulierte Exportverbot

Der Verband kritisiert das schwammig formulierte Exportverbot für die sogenannten Dual-Use-Güter, die ganz oder teilweise für militärische Zwecke bestimmt sein können. Hier sehe sie das größte Risiko für die Unternehmen, sagte Jutta Knell, Geschäftsführerin und Außenwirtschafts-Rechtsexpertin des DSLV. Bereits fahrlässige Embargo-Verstöße würden mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 500.000 Euro geahndet, vorsätzliche Zuwiderhandlungen mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren und Verstöße gegen das Waffenembargo mit Freiheitsstrafen von einem bis zehn Jahren.
Doch bestraft werden kann nur, wer etwas transportiert. Und hier bröckelt es weiter. Das ist nicht eine unmittelbare Folge der Sanktionen, sondern geht auf die Gesamtentwicklung und das sinkende Konsumklima in Russland zurück. So stellt die Deutsche Bahn im Schienengüterverkehr nach Russland seit drei Wochen fest, "dass einzelne Kunden Aufträge schieben oder sogar absagen", sagt ein Sprecher gegenüber trans aktuell. In umgekehrter Richtung, von Russland nach Deutschland, laufe alles wie gewohnt, auch die Straßentransporte seien bislang verschont geblieben. Christian Wahl von der Ludwigshafener Spedition Wahl-Trans-East ist seit 1994 im Russland-Geschäft ­tätig. Auch er bemerkt die derzeitige Krise am Umsatz und am Volumen.

Verunsicherung bringe andere Regionen der Welt ins Stocken

Kunden berichteten nicht nur von verschobenen oder stornierten Aufträgen aus Russland, sondern die allgemeine Verunsicherung bringe auch Aufträge aus anderen Regionen der Welt ins Stocken, sagt Harald Klug von der in Köln ansässigen russischen Spedition Sovtransavto Deutschland. Sovtransavto macht 80 Prozent des Umsatzes mit Russland-Verkehren, seit April sei das Geschäft um zwei Drittel eingebrochen. "Das kann man ein paar Monate durchstehen und dann ist Ende", sagt Klug gegenüber trans aktuell. In Russland, Polen, Litauen, Weißrussland oder in der Ukraine gingen reihenweise Frachtführer pleite oder stünden kurz davor, erläutert Klug. Viele dieser Unternehmen versuchten jetzt vor der Krise auszuweichen, und das wirke sich dann auf den Frachtenmarkt innerhalb der EU ganz gewaltig aus.

Richtig eingeschlagen hat es bei den deutschen Maschinenbauern, die aufgrund der schwierigen Standortbedingungen in Russland in der Vergangenheit auf eigene Produktion vor Ort oder Niederlassungen weitgehend verzichtet haben. "Das meiste läuft deshalb über den Export und damit über die Logistik", sagt Dr. Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), auf Anfrage. Der VDMA verzeichnete von Januar bis Mai ein Minus im Handel mit Russland von fast 20 Prozent.

Bereits die Androhung von Sanktionen sorge für Kaufzurückhaltung

Bereits die Androhung von Sanktionen habe für eine Kaufzurückhaltung gesorgt. Die politischen Reaktionen seien nachvollziehbar und begründet, sagte Wiechers. Trotzdem müsse man sich mit den Folgen beschäftigen und die Entwicklung sehe er sehr skeptisch. "Der Konflikt mit Russland hinterlässt nicht nur im bilateralen Handel Spuren. Er behindert generell die Nachfrage in wichtigen Absatzmärkten unserer Industrie." Die Stimmung der Wirtschaft habe sich in vielen Ländern eingetrübt, sodass der VDMA von einer merk­lichen Verdüsterung der Lage spricht.

Thomas Schleife, Geschäftsführer von Transco Berlin-Brandenburg, hat noch keine Probleme mit seinen Russland-Verkehren. "Da kommt erst noch was", sagt er. Transco fährt hochwertige Pharmaprodukte und Lebensmittel und im Kühlerbereich gebe es ein stabiles Aufkommen. "Es entsteht eher der Eindruck, dass die Russen sich bevorraten", sagt Schleife. Im Konsumgüterbereich aber gingen die Mengen herunter. "Das wird die deutsche Industrie treffen und noch spürbare Auswirkungen haben." Die Lage sei generell schwierig und für ihn ist entscheidend: "Wie ­lange dauert das Ganze?"

Die Ukraine erlebt ein Desaster

Die Transportmärkte im Osten würden derzeit gehörig durcheinandergeschüttelt, sagt der Transco-Geschäftsführer. In der Ukraine sei das Ladungsaufkommen für Planenfahrzeuge derart gesunken, dass diese sich auf dem Markt für die exotischsten Relationen anböten. "Die suchen jetzt Arbeit und fahren nach Usbekistan und überallhin." Die ukrainische Verkehrswirtschaft erlebe national und international ein Desaster. Ein anderes Problem entstehe jetzt zur Erntezeit in Polen mit dem russischen Einfuhrverbot für Obst und Gemüse. Betroffen seien Hunderte von Lkw. Schleife macht sich aber keine Sorgen, dass sie den westeuropäischen Markt überschwemmen könnten. Die Fahrzeuge seien häufig schon älter "und mit Euro 3 nach Deutschland reinzufahren, kommt viel zu teuer".

300.000 Jobs auf der Kippe

Die Exporte nach Russland sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Mai um 17,5 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro gefallen. Im April betrug der Rückgang 16,9 Prozent, im März 7,2 Prozent. Von Januar bis einschließlich Mai lag der Exporteinbruch insgesamt bei 14,7 Prozent. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) befürchtet, dass die Russland-Exporte durch die EU-Sanktionen noch stärker sinken könnten, als bisher angenommen, so der zuständige Referatsleiter Tobias Baumann. Der ­Experte hält es für "realistisch, für das Gesamtjahr von einem Minus von rund 20 Prozent auszugehen". Der russischen Konjunktur könnte eine Rezession bevorstehen. Die rund 300.000 Arbeitsplätze, die in Deutschland vom rus­sischen Export abhängen, werden nach Baumanns Einschätzung "sicher nicht von heute auf morgen wegfallen, sind aber teilweise durchaus in Gefahr". Das deutsch-russische Handelsvolumen war bereits 2013 um mehr als vier Milliarden auf 76,5 Milliarden Euro zurückgegangen.

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