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Elsen-CEO Thomas Klein „Digitalen Hype hinterfragen“

Foto: Elsen-Gruppe

Thomas Klein, Chef der Elsen Gruppe, über Kosteneinsparung und effiziente Logistik durch Lean Management und Digitalisierung.

trans aktuell: Herr Klein, das Unternehmen Elsen hat seit vergangenem Jahr einen Geschäftsbereich Digital Office und Transformation. Was kann man sich darunter vorstellen?

Klein: Es liegt immer am Logistikdienstleister, dem Kunden gute Ideen nahezubringen. Die Herausforderung ist, den digitalen Hype zu hinterfragen. In der Sprachkultur des Unternehmens Elsen verstehen wir unter Lean Management und Digitalisierung, laufende Prozesse dahingehend zu überprüfen, ob sie verschwendungsfrei und effizient sind. Etwa in der Gestaltung der Prozesskette: Können wir sie durch eine Verkürzung verbessern – und auch den Personaleinsatz reduzieren –, wenn wir die Durchlaufzeiten optimieren? Erst wenn das geschehen ist, überprüfen wir mit unserem Digitalisierungsteam, ob ein Mehrwert gegeben ist, wenn man auch den Prozess digitalisiert. Erst da schließt sich der Kreis – nur was sinnvoll ist, wird digitalisiert, und nur, wenn aus Kundensicht ein positives Geschäftsmodell besteht, denn der Kunde muss den Schritt auch zahlen. Generell muss man bei der Digitalisierung trennen – zwischen extern und intern.

Heißt?

Intern heißt, dass wir all unsere eigenen Prozesse im Hinblick auf die Digitalisierung überprüfen – das fängt beim Urlaubsschein an. Hier kann man den ausschließlich manuellen Prozess in eine digitale Lösung überführen. Ein weiteres Potenzial besteht in der Dokumentation gewisser Abläufe, im transportlastigen Bereich etwa beim Papierfluss zwischen Kunden, Spediteur und Frächter. Grundsätzlich reden wir bei Lean Management und Digitalisierung nicht über einen Abbau von Arbeitsplätzen, sondern über Prozessverbesserung und Schaffung neuer Zeitressourcen, die sinnvoll eingesetzt werden sollen.

Extern heißt dann außerhalb der eigenen Elsen-Organisation, sprich bei Schnittstellen zu Kunden und Lieferanten?

Wir müssen lernen, zu verstehen, was der Mehrwert möglicher Services innerhalb der Supply-Chain ist. Hierzu gilt es auch, intelligent mit komplexen Datenstrukturen umzugehen und diese handlungs- und aktionsfähig zu interpretieren. Ein Beispiel: Wir haben die Datenbanken unserer Transportorganisation in Deutschland und in Polen zusammengefasst. Dabei haben wir festgestellt, dass wir zahlreiche überlappende Empfängergebiete und Abholstellen haben, ohne dass die andere Länderorganisation davon Kenntnis hatte. Jeder hat isoliert in seiner Datenbank gearbeitet – eine ziemliche Verschwendung.

Was haben Sie aus der Erkenntnis gemacht?

Wir haben alles in einer zentralen Auftragsdatenbank zusammengeführt und Grundlagen definiert, die helfen, die richtigen Entscheidungen bei der Frage zu treffen, welche Fahrzeuge beziehungsweise Frächter welche Aufträge beziehungsweise Folgeaufträge übernehmen können. Zukünftig wissen die Disponenten aus Deutschland, dass ein von polnischen Kollegen eingesetzter Frächter an dem Beladeort in Deutschland leer wird und somit für eine Folgetour aus dem PLZ-Gebiet beauftragt werden kann.

Seit wann ist dieses zentrale Auftragsmanagement im Einsatz?

Seit Ende 2018. Wir nutzen die Lösung Microsoft Power BI für multinationale Datenbanken. Über Kennzahlen-Dashboards sind alle Disponenten eingebunden. Jeder Disponent hat Einblick in jede Relation, in seine verwalteten Touren und in seine Margen. Allein in Polen haben wir durch dieses Werkzeug brutto drei Prozentpunkte in der Spedition verbessert. Wir machen mit der Lösung – was uns vorher mangels Daten nicht möglich war – eine Wirksamkeitsprüfung der Disponenten, Sales-Controlling, Wirtschaftlichkeitsprüfungen auf Kunden- und Frächterebene und so weiter.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie Elsen mit dem Lean-Ansatz verfährt?

Ein Beispiel ist unser Lager am Standort Koblenz. Der Standort beziehungsweise die Immobilie war vom Kunden vorgegeben und mit baulichen Restriktionen belegt. Für unseren Kunden haben wir vorher die Waren im Lkw-Shuttleverkehr in den benachbarten Produktionsstandort gefahren, dort mit Flurförderfahrzeugen aufgenommen und weiter ans Montageband transportiert. Nach eingehender Analyse und der Umsetzung baubehördlicher Vorgaben konnten wir mit baulichen Maßnahmen einen direkten Zugang zum Fabrikgelände schaffen. Jetzt sind wir in der Lage, mit einem eigens entwickelten Versorgungszug, der an den Fertigungsbereich angepasste Anhänger zieht, viel effizienter zu arbeiten und somit dem Kunden signifikante Produktivitätspunkte zu heben. Innerhalb unseres eigenen Logistikzentrums haben wir diverse andere Lösungen von einer Projektgruppe der Hochschule Koblenz, unseres Kooperationspartners, bewerten lassen.

Mit welchem Ergebnis?

Insbesondere hat die Gruppe führerlose Transportsysteme bewertet, die den manuellen Einsatz deutlich reduzieren sollten. Hierbei wurden ROIs von jeweils zwei bis drei Jahren ermittelt. Dabei reden wir heute, anderthalb Jahre später, von ganz anderen Volumina – würden wir die heutigen reduzierten Volumina anwenden, kämen wir auf einen ROI von vier bis fünf Jahren. Gut, dass wir das damals nicht so gemacht haben. Das Credo ist, immer sicher zu sein, dass die Volumina auf Basis der Investitionsentscheidung auch sicher sind. Ansonsten fällt man später in ein Fixkostenamortisationsloch.

Der Lean-Ansatz „Verschwendung vermeiden“ heißt also, auch mal auf einfache Lösungen zu setzen?

Wir haben am Standort Koblenz ein ganz einfaches Regallager mit flexiblen Standardregalen. Ein hochautomatisiertes Lager ist nicht flexibel und noch dazu mit einem hohen Invest verbunden. Wenn ein Kunde dann ein transaktionsbasiertes Preismodell haben will und man als Dienstleister seine Investition ausschließlich über diese Erlöse generieren muss, hat man ein großes Fixkostenabsorptionsproblem. Wenn wir von Elsen einen hohen Invest tätigen, wollen wir dafür auch eine gewisse Absicherung haben.

Gibt es diese Sicherheit?

In der Kontraktlogistik haben wir es inzwischen auch mit hochaggressiven Preisen zu tun. Als Logistiker muss ich immer in der Lage sein, wenn mir das Volumen eines Kunden wegbricht, auch andere Kunden aufzunehmen. Das sind dann Situationen, wo dies etwa mit einem Standardregallager mit entsprechenden Anpassungen gelingt, nicht aber mit einem automatisierten Lager. Das sieht vielleicht nicht immer so sexy aus, ist aber unternehmerisch sinnvoller.

Ist es nicht auch eine Frage der Vertragslaufzeiten?

Natürlich, bei einem Investment von mehreren Hunderttausend Euro, etwa wenn es um den Robotereinsatz oder führerlose Transportsysteme geht, kann es keinen ROI von zwei bis drei Jahren geben. Anders sieht es bei Großkunden mit deutlich längeren Vertragslaufzeiten aus. Da findet dieselbe Prozessüberprüfung statt, aber die Lösungen, um den Prozess zu digitalisieren, sehen ganz anders aus. Das kann dann eine andere Software sein, die eingesetzt wird, oder auch voll automatisierte Kommissionierungsprozesse.

Einen der langfristigeren Kontrakte haben Sie sicherlich mit dem Kunden Musashi, einem japanischen Automobilzulieferer. Wie kam die Beziehung zustande?

Über eine klassische Beratung. Wir haben für Musashi die Frachtausschreibungen für deren europäische Niederlassungen durchgeführt, in der Folge neue Dienstleister nominiert und erfolgreich eingeführt, erst für die deutschen, dann die ungarischen und spanischen Werke. Im Zuge dessen haben wir auch andere Beratungsaufträge erhalten, etwa zur Erweiterung und Optimierung der existierenden Werkstruktur in Bockenau, wo wir mit dem technischen Management vor Ort ein Reengineering betrieben haben. Dabei haben wir etwa den Materialfluss bewertet. Seit September 2018 wickeln wir für alle drei Werke in Deutschland die Produktionslogistik ab.

Und was macht Elsen konkret?

In Bockenau sind wir für den innerbetrieblichen Warentransport zuständig, in Bad Sobernheim ebenso, zusätzlich übernehmen wir den Warenein- und -ausgang. In Lüchow sind wir für den Warenausgang zuständig. Neben der Intralogistik und dem Outsourcing von Warenein- und -ausgang sind wir für Musashi auch mit unserer Personaldienstleistung als Master-Vendor tätig.

Was beinhaltet das?


Das Konzept sieht vor, dass wir die Gesamtverantwortung in der Arbeitnehmerüberlassung tragen. Im Vergleich zur normalen Arbeitnehmerüberlassung können wir aber als Master-Vendor den Bedarf auch über sogenannte Co-Lieferanten koordinieren, beispielsweise in Hochphasen, wenn wir die Mitarbeiter in der Güte oder Quantität selbst nicht allein stellen können. Die Co-Lieferanten haben dabei auch einen Vertrag mit dem Kunden, werden aber über den Master-Vendor prozessual gemanagt. Der Vorteil für den Kunden ist, dass er so eine 1:1-Beziehung in puncto Qualität hat und die Prozesse durchgehend definiert sind.

Haben Sie bei Musashi auch Prozesse digitalisiert?

Nein – wir sind an den Standorten stark im Wechsel zwischen außen und innen tätig, also von einer Halle in die andere. Führerlose Transportsysteme sind derzeit im Außenbereich noch nicht besonders prozessfähig, und auch bei den Transportzeiten gibt es gewisse Restriktionen. Solche führerlosen Transportsysteme leben von einer gezielten Taktung und Verlässlichkeit, man muss einen Prozess haben, der relativ frei ist von Unterbrechungen. Wenn man aber in einer Organisationsstruktur arbeitet, in der Maschinen umgestellt oder eine andere Reihenfolge aufgestellt werden muss, sodass ein Staplerfahrer auch mal seine Route ändern muss – das ist schwierig für ein automatisches System.

Der Automobil- und auch andere Industriebereiche erleben gerade eine Flaute. Besteht das Potenzial für Outsourcing weiterhin?

Die Delle heißt ja nur, dass man mit bestehenden Kunden durch das Tal der Tränen geht. Aber der Bedarf an Outsourcing ist auf jeden Fall weiter da. Noch zu viele Unternehmen betreiben ihre Logistik selbst – mit sehr viel Personal und nicht so prozesssicher wie ein fähiger Logistikdienstleister. Viele sind dabei noch zurückhaltend, weil es auch immer darum geht, welchen Bereich und wie viel man outsourct – etwa, wenn es dabei tief in die Wertschöpfungskette geht und Fehler möglich sind, die eine Auslieferung verhindern. Diese Angst ist nachvollziehbar. Aber Potenzial ist auf jeden Fall in vielen Industriebereichen auch in der Zukunft vorhanden.

Symposium bei Elsen

  • Die Unternehmensgruppe Elsen hat europaweit rund 30 Standorte und beschäftigt mehr als 1.700 Mitarbeiter. Das operative Geschäft wird vom Standort Koblenz aus geleitet, während die Verwaltung ihren Sitz in Wittlich hat
  • Zum Geschäftsschwerpunkt gehören neben der Beratung auch Transport und Dienstleistungen in der Produktionslogistik, Qualitätsmanagement und Personaldienstleistungen sowie organisatorische Dienstleistungen
  • Am 1. Juli ist trans aktuell mit einem Symposium zu Gast bei der Elsen Gruppe in Koblenz. Thema: Lean Management und Digitalisierung
Foto: Elsen-Gruppe

Zur Person

  • Thomas Klein ist seit 2011 CEO, Geschäftsführender Gesellschafter und Sprecher der Geschäftsführung der Elsen Holding
  • Seit 2007 leitet er die operativen Geschäfte
  • Vor seinem Einstieg bei dem Logistiker sammelte der Betriebswirt Berufserfahrung bei General Electric, TRW Automotive und Tenneco Automotive
  • Klein war vor seiner Karriere in Industrie und Logistik Basketball-Profi beim TBB Trier
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