Elektronik im Nutzfahrzeug Der Rechner übernimmt

Elektronik im Nutzfahrzeug Foto: Daimler

Vom ersten ABS über die Dieselregelung bis zum Assistenzsystem – innerhalb der letzten Jahrzehnte entwickelte sich die Elektronik im Fahrzeug in atemberaubendem Tempo.

Eine von General Motors entwickelte Gasturbine mit rotierenden Keramik-Wärmetauschern oder ein neues Doppelachsaggregat von BPW standen im Rampenlicht der Nutzfahrzeugmesse RAI Anfang 1972. Hingegen rangierten die ersten Antiblockiersysteme unter ferner liefen – nicht mehr als eine Randnotiz wert.

ABS zunächst von Mercedes und Knorr-Bremse

Nachdem Mercedes und Knorr-Bremse erste Systeme entwickelt hatten, präsentierten auch Eaton und Bendix Lösungen auf der holländischen Messe. Das Prinzip der Systeme ähnelte sich: Ein elektromagnetischer Messfühler an der Bremstrommel, der über ein elektronisches Steuersystem ein Solenoid-gesteuertes Schaltventil beeinflusste und somit den Bremsdruck kurz vor dem Blockieren der Räder verringerte.

Die Getriebefraktion im Nutzfahrzeugbau brachte allerdings schon zehn Jahre früher die Elektronik ins Spiel. Faun experimentierte mit einer sogenannten Symo-Schaltung, bei der Sensoren Schaltungen nur bei Synchrondrehzahlen zuließen. Die Elektronik war allerdings unzuverlässig. Nachdem Faun das Konzept zur Weiterentwicklung an Bosch abgetreten hatte, verschwand es dort in der Versenkung.

Mitte der 70er-Jahre trennte VDO das Gaspedal von der mechanischen Verbindung. Stellvertretend waren ein Sollwertgeber, ein Steuergerät und ein elektrisches Stellglied mit Kabelverbindungen zur Motorsteuerung vorgesehen.

1980er: Elektronik übernimmt Hoheit über das Getriebe

In den 80er-Jahren ging es Zug um Zug. Die Elektronik übernahm immer mehr die Hoheit über das Getriebe. Scania kam mit seiner CAG-Schaltung auf den Markt, Daimler und ZF folgten mit eigenen Schalthilfen. Zulieferer Knorr nutzte die Elektronik indes für eine neue Luftfederung. Ein Algorithmus erzeugte unter Berücksichtigung verschiedener Betriebszustände Stellsignale für das Be- oder Entlüften der Federung. Ein weiteres Projekt auf den Reißbrettern des Zulieferers revolutionierte die Bremsen: das elektronische Bremssystem EBS. Wichtigste Komponente war dabei der elektro-pneumatische Wandler als Bindeglied zwischen Elektronik und Pneumatik. Gleichzeitig hielt die Elektronik auch in die Kraftstoffeinspritzung Einzug. Bosch entwickelte 1986 die elektronische Dieselregelung (EDR). Allerdings vergingen noch einige Jahre, bis die EDR Einspritzbeginn, Einspritzdauer und Einspritzmenge optimal regelte.

Ende der 80er-Jahre gediehen auf dem ­Boden der Elektronik die ersten Kommunikations­systeme im Lkw. Die Satellitenkommunikation nahm bei dem Transcom genannten Bordcomputer von MAN eine Schlüsselrolle ein. Kurz darauf präsentierte Sachs Boge 1992 die Fahrwerkssysteme Automatic Damping Control (ADC) und Active Roll Stabilisation (ARS). Bei ADC entschied ein Steuergerät je nach Beladung, Fahr- und Straßenzustand innerhalb von Millisekunden über die Einstellung der Stoßdämpfer, während ARS die Neigung des Aufbaus bei Kurvenfahrt oder Seitenwind unterdrückte.

Ab 1996 intelligentes Thermomanagement

1996 ging es auch bei der Motorkühlung nicht mehr ohne. Intelligentes Thermomanagement hieß die Devise. Behr kam mit einem System, bei dem ein Rechner aus verschiedenen Signalen den Kühlbedarf des Motors ermittelte und Thermostat, Lüfter, Jalousie und Pumpe steuerte.

Ein Lkw-Hersteller sperrte sich allerdings vorerst gegen den Elektroniktrend, zumindest was den Motor betraf: DAF stellte 1997 sein neues Flaggschiff 95XF mit dem Prädikat "ohne Elektronik" vor. In Zeiten der Abgasnorm Euro 3 ging die Rechnung gerade noch so auf – das richtige für Kunden, die lieber dem Schraubenschlüssel als einer Blackbox vertrauten. Spätestens nach der Euro-4-Abgasnorm hatte sich aber die mechanische Einspritzung auch bei DAF erledigt.

Nach der Jahrtausendwende kommen Abstandswarner und Abbiegeassistent

Ab dem Jahrtausendwechsel nahm die Elektronikentwicklung immer mehr an Geschwindigkeit auf. lastauto omnibus sah sich in Israel bei Experten, die unter anderem für das dortige Militär Radartechnik entwickelten, die zweite Sensorengeneration für Abstandswarner, Abbiegeassistent und Einschlafwarner an. Die Entwicklung in diesem Bereich hatte sich auf eine klare Richtung fokussiert: der Sensor-Fusion mit dem Ziel des unfallfreien Fahrens. Bei drohenden Unfällen nicht nur warnen, sondern aktiv ins Fahrzeug eingreifen würden künftige Systeme, prophezeite damals Eberhard Hipp, Leiter Technik Vorentwicklung bei MAN.

Doch mit komplexerer Elektronik war auch ein nur schwer zu lösendes Problem entstanden. Antrieb, Bremsen und Assistenzsysteme mussten gleichzeitig gesteuert werden. Leitungen, die zu armdicken Kabelbäumen führten, stießen an die Grenze des Machbaren. Die Lösung hieß Controller Area Network (CAN), das die Datenübertragung mit Bus-Systemen auf ein Minimum an Kabeln begrenzte. Ein Zentralrechner übernahm über Zweidrahtleitungen die Vernetzung der Steuergeräte und Sensoren von Motor-, Getriebe-, Brems-, Fahrwerk- oder Kommunikationsregelung. Ein Datenbus zur Steuerung von Motor und Getriebe bot damals eine Übertragungsrate von einem Megabit pro Sekunde. Die Multiplex-Technik für die Einbindung der Karosserie- und Komfortelektronik, beispielsweise Kommunikationsanwendungen für Anzeigen oder Bedieneinheiten. Eine wesentliche Funktion kam mit dem CAN-Bus ebenfalls hinzu: der Diagnosestecker zum Auslesen der Daten.

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