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Joachim Haan im Gespräch "Die letzte Meile mit dem E-Truck"

Verteilerverkehr: Nestlé Frisco Foto: Braun 2 Bilder

Nestlé Frisco produziert Eis für die Schweiz. Logistikleiter Joachim Haan ist verantwortlich dafür, dass das Kühlgut an seinen Bestimmungsort kommt. Bald setzt er dafür auch einen Elektro-Lkw ein.

In der Schweiz kennt ihn jedes Kind, den Speiseeis-Produzenten Nestlé Frisco. Logistikleiter Joachim Haan ist Herr über die Eiswagen und sorgt dafür, dass Kinder zu ihrem Eis kommen. Im Gespräch mit trans aktuell-Redakteur Markus Braun erzählt er von motivierten Mitarbeitern und Investitionen in nachhaltige Projekte, wie die Elektromobilität.

trans aktuell: Herr Haan, welche Aufgaben decken Sie mit dem Tochterunternehmen Nestlé Frisco innerhalb des Schweizer Konzerns ab?

Haan: Wir sind für Nestlé im Eis- und Tiefkühlproduktbereich unterwegs. Nestlé ist dezentral organisiert, immer mit dem Fokus auf die Bedürfnisse des jeweiligen Geschäftsbereichs. Eiscreme funktioniert anders als Kaffee, Wasser, Schokolade oder Maggi-Produkte.Jedes Produkt hat seine spezifischen Vertriebswege. Unserer ist auch innerhalb von Nestlé sehr speziell. Mit der Direktbelieferung weichen wir von der sonst üblichen Auslieferung der produzierten Waren an Zentrallager ab. Dort liegt der Fokus mehr auf Überlandverkehr und internationale Distribution, während wir bis an den Verkaufspunkt oder den Ort, an dem die Ware zubereitet wird, gehen. Damit sind wir viel näher am Konsumenten als unsere Kollegen der anderen Bereiche bei Nestlé.

Wo liegen die besonderen Herausforderungen?

Wir stellen Produkte von hoher Qualität her und in dieser Qualität sollen sie auch beim Kunden ankommen. Wenn das funktionieren soll, während die Kosten in der Logistik überproportional zur Entwicklung der Verkaufspreise unserer Produkten wachsen, müssen wir permanent an Verbesserungen arbeiten. Das betrifft zum Beispiel das Distributionsnetzwerk. So werden wir dieses Jahr ein Verteilerzentrum schließen und in ein größeres mit Bahnanschluss umziehen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Bahn gemacht?

Sehr gute. Deshalb setzen wir auf die Schiene bei verschiedenen Transporten. Zur Optimierung der Transportkosten werden wir den Einsatz der Bahn in Zukunft weiter ausdehnen. Daneben suchen wir Synergien mit unseren Partnern. Für drei Großkunden in der Schweiz machen wir die gesamte Tiefkühllogistik, das heißt wir haben auf unseren Lkw auch Produkte unserer Mitbewerber oder Eigenmarken des Kunden. Das beinhaltet den kompletten Service, also Disposition, Bestellannahme, Auslieferung und Verrechnung.

Welche Kunden genau?

Wir beliefern beispielsweise rund 1.200 Kiosk-Filialen von Valora, an Bahnhöfen und anderen stark frequentierten Orten. Wir befüllen dort die Eistruhen, die oft nicht sonderlich groß sind. Außerdem gibt es in den Filialen kaum Möglichkeiten zur Vorratshaltung. Eisverkauf ist ein saisonal geprägtes Geschäft, das bedeutet, dass die Truhen im Sommer häufig befüllt werden müssen. Was ein Kiosk-
Betreiber da nicht brauchen kann, sind vier Lieferanten für vier Marken.

Wie lösen Sie das Problem?

Kiosk hat bereits vor zehn Jahren bei uns angefragt, ob wir nicht die Distribution für andere Marken mit übernehmen können. Daraufhin haben wir uns die Logistik für Kiosk mit einem Mitbewerber in der Schweiz aufgeteilt. Das ist verkäuferisch natürlich ein Wermutstropfen, aber aus Sicht der Logistik macht die Aufteilung absolut Sinn. Und am Ende zählt eben der Wunsch des Kunden.

In Zukunft setzen Sie zur Belieferung Ihrer Kunden in Zürich und später in Lausanne einen Elektro-Lkw ein. Warum?

Wir kommen als Hersteller von Markenartikeln und ich als Mensch nicht um das Thema Umwelt und die großen Fragen, die sich da auftun, herum. Wir müssen Anstrengungen unternehmen, die größer sind, als das rein Betriebswirtschaftliche. Nestlé ist deshalb bereit, neue Wege zu gehen und investiert Geld in Projekte, bei denen oft unscharf ist, was in zwei oder fünf Jahren daraus wird. Es ist unsere Aufgabe als großes Unternehmen, eine technologische Führerschaft zu übernehmen. Deshalb haben wir auch die E-Trucks gekauft, um technisch auf dem neuesten Stand zu sein. Wir leisten uns aber den Luxus, die Fahrzeuge am Anfang zusätzlich zu unserem normalen Fuhrpark mitlaufen zu lassen. So können wir, falls noch nicht alles 100 Prozent funktioniert am Anfang, auf ein anderes Fahrzeug als Ersatz zurückgreifen. Einsetzen werden wir die Fahrzeuge im Nahverkehr, um unsere Waren auf der letzten Meile mit den E-Trucks zu transportieren. Natürlich ist der Preis von solch einem Fahrzeug heute deutlich höher, als der von einem klassischen Dieselfahrzeug. Aber wenn nicht irgendjemand anfängt, diese Fahrzeuge zu kaufen, werden die Preise auch nicht sinken.

Werden Ihre Wettbewerber Ihrem Vorbild folgen und auch in Elektromobilität investieren?

Ich hoffe es. Ich hoffe, auch als normaler Bürger, dass wir andere ein wenig inspirieren. Ich erwarte hier von den großen Spielern mehr Mut und Engagement auch zu großen Investitionen in diesem Bereich. Ich hoffe, dass sich das Produkt von Renault durchsetzt, aber ich hoffe auch, dass sich unsere Mitbewerber mit eigenen Ideen einbringen. Es gibt viele Beispiele, bei denen wir nicht die Vorreiterrolle übernommen haben. Beim Thema Telematik beispielsweise sind andere vorangegangen. Da können wir heute auf ein gut funktionierendes System zurückgreifen. Wir setzen die Technik auch seit kurzem in unseren Fahrzeugen ein.

Was versprechen Sie sich vom Einsatz der Telematik?

Die Ziele, die wir mit der Telematik hatten, sind die klassischen: sicheres Fahrverhalten, ökonomische Fahrweise, Arbeitssicherheit sowie Reduktion von Treibstoffverbrauch und Wartungskosten. Bei uns kommt hinzu, dass wir bei der Überwachung der Kühlkette neue Wege gehen können. Wir können nicht nur die Temperaturdaten aufzeichnen, sondern diese Daten mit verschiedenen Ereignissen verknüpfen. Wenn zum Bespiel das Fahrzeug übers Wochenende beladen im Verteilerzentrum steht und mit der Kühlung etwas nicht stimmt, verschickt das System automatisch eine Warnmeldungen per SMS. Auch wenn ein Kunde Informationen für interne Zwecke verlangt, können wir für jeden gewünschten Zeitpunkt die genaue Temperatur sagen.

Rechnet sich das System?

Wir sparen Kosten ein, indem wir die Daten der Telematik mit unseren Fahrern besprechen. Das System zeigt zum Beispiel an, wie das Verhalten des Fahrers beim Beschleunigen und beim Bremsen ist. Wir schulen die Fahrer dann entsprechend. Derzeit gehen wir davon aus, dass sich die Telematik nach ein bis zwei Jahren amortisiert.

Was sagen die Fahrer in Ihrem Unternehmen dazu?

Es gibt unter den Fahrern einen sportlichen Wettbewerb um gutes Fahren. Wir haben schon seit 15 oder 20 Jahren ein Prämiensystem, das über Verbrauch und Schadenhäufigkeit geregelt ist. Das müssen wir jetzt allerdings den Möglichkeiten der Telematik anpassen, weil die bisherigen Daten zu Fehlinterpretationen geführt haben. So haben wir festgestellt, dass der Fahrer, der bei uns jahrelang den höchsten Verbrauch hatte, eigentlich der Fahrer ist, der sein Fahrzeug nahezu ideal bedient. Das Problem ist, dass der Fahrer in St. Moritz ausliefert und wir bisher nur den Gesamtverbrauch gesehen haben und nicht, wie der Fahrer mit dem Lkw umgeht. Ein weiteres Problem ist, dass die Fahrzeuge im Verbrauch schwanken. Unsere Euro 5-Lkw benötigen ein wenig mehr Diesel als ältere Fahrzeuge. Das haben wir bisher in der Bewertung nicht korrekt berücksichtigt. Erst mithilfe der Telematik. So machen wir die Bewertung der Fahrer unabhängiger von der Topographie des Liefergebiets oder dem Alter des Fahrzeugs.

In Deutschland haben Unternehmen mit dem Fahrermangel zu kämpfen. Wie ergeht es Ihnen in der Schweiz?

Wir haben bis jetzt keine Probleme Fahrer zu finden. Allerdings muss ich sagen, dass unser Bedarf an neuem Personal auch nicht hoch ist. Wir haben in der Verteilorganisation derzeit eine durchschnittliche Firmenzugehörigkeit von 18 Jahren. Die meisten unserer Mitarbeiter gehen auch bei uns in Pension.

Woran liegt das?

Ich glaube, der Arbeitsplatz ist speziell. Wir haben bei uns nicht den klassischen Trucker der Touren zwischen Dänemark und Italien oder Polen und Spanien fährt. Wir sind im Eis-Geschäft tätig und damit im Grunde im Stückgutverkehr. Auf den Touren haben unsere Fahrer auch die Aufgabe, unsere Beziehung zu den Kunden zu pflegen. Umfragen bei Kunden zeigen uns, dass der Fahrer eine entscheidende Rolle bei der Zufriedenheit spielt. Deshalb stehen bei uns die Fahrer auch nicht unter dem Zeitdruck, wie sonst im Gewerbe üblich. Die Fahrer sollen sich hin und wieder auch die Zeit nehmen, um mit unserem Kunden einmal einen Kaffee zu trinken. Denn die Fahrer haben auch die Aufgabe Sorgen und Wünsche der Kunden aufzunehmen. Intern bezeichnen wir unser Personal auf den Lkw als Verkaufsfahrer. Nicht weil der Fahrer unsere Produkte verkaufen soll, aber er unterstützt unsere Verkäufer und fördert über sein Verhalten auch unseren Warenabsatz.

Zur Person

Joachim Haan verantwortet seit 2009 für Nestlé in der Schweiz die Kühllogistik. Zuvor leitete der Diplom-Kaufmann den Bereich Lager und Transport. Bis 2005 verbrachte Haan vier Jahre im australischen Sydney im Nestlé Globe Center. Weitere Stationen absolvierte der Logistikleiter im Controlling, Produkt-Management und der IT. Seinen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre erwarb Haan nach dem Studium mit Schwerpunkt Materialwirtschaft und Wirtschaftsinformatik am Niederrhein sowie in Heidelberg und Augsburg.

Renault Midlum E-Truck

Der elektrisch angetriebene Midlum von Renault feierte seine Premiere für den täglichen Einsatz in Frankreich. Im vergangenen Jahr nahm dort der erste lokal emissionsfreie Lkw bei Carrefour seinen Dienst auf. Das dort eingesetzte Fahrzeug hat ein zulässiges Gesamtgewicht von 16 Tonnen und damit eine Nutzlast von 5,5Tonnen.
Für den Einsatz im Verteilerverkehr bei Nestlé Frisco ist eine geringere Nutzlast ausreichend. Deshalb bringt der kleine Bruder des Carrefour-Midlums auch nur maximal 13 Tonnen auf die Waage und begnügt sich mit einer Nutzlast von 2,5 Tonnen. Das senkt den Verbrauch und steigert die Reichweite.
Bis zu 140 Kilometer soll der Midlum laut Hersteller durchhalten. Dafür sorgen Lithium-Ionen-Batteriepakete die mit einer Gesamtkapazität von 170 Kilowattstunden das Aggregat mit Energie versorgen.
Da der Midlum für Nestlé Frisco Kühlgut transportiert, stellt sich die Frage, wie das Fahrzeug die Kühlaggregate versorgt. Die Lösung dafür kommt von Heller aus der Schweiz. Die Eutektische Speicher-Tiefkühlanlage sorgt für eine konstante Temperatur im Kühlaufbau, ohne am Bordnetz zu hängen. Dafür muss die Anlage über Nacht ans Stromnetz, um die Kälte für den kommenden Tag zu produzieren. Zehn Stunden bleibt dann die Temperatur auf minus 33 Grad Celcius, bei fünf Türöffnungen je Stunde.

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