E-Mobilität Made in Germany

Siemens und Scania forschen gemeinsam am elektrifizierten Straßengüterverkehr / Siemens and Scania are conducting joint research into the electrification of road freight traffic Foto: Dan Boman

Emissionsfrei transportieren – das ist keine Vision mehr. Siemens wird in Kalifornien einen Straßenabschnitt elektrifizieren und dort bis zu vier Oberleitungs-Lkw einsetzen.

Deutsche Logistiklösungen erweisen sich einmal mehr als Exportschlager. Der Technologiekonzern Siemens wird im Sommer nächsten Jahres in Kalifornien ein Oberleitungssystem für schwere Lkw in Betrieb nehmen. Die elektrische Autobahn (E-Highway) ist die weltweit erste ihrer Art. Bislang erprobt Siemens den Betrieb von Elektrofahrzeugen, die ihre Energie per Stromabnehmer von einer Oberleitung aufnehmen, im Rahmen des Projekts Enuba 2 auf einem Gelände in Groß Dölln bei Berlin. Eine Praxiserprobung auf einer öffentlichen Straße steht aber noch aus.

Technologie soll sich auch unter realen Bedingungen bewähren

"Wir werden den Beweis antreten, dass sich unsere Technologie auch unter realen Praxisbedingungen im Pendelverkehr auf einer hoch belasteten Verkehrsachse bewährt", erklären Martin Birkner und Holger Sommer im Gespräch mit trans aktuell am Siemens-Standort München. Birkner leitet die Geschäftsentwicklung des Projekts E-Highway, Sommer verantwortet die Technologieentwicklung sowie die Projekte Enuba und Enuba 2.
Konkret geplant ist, eine zwei Meilen lange Strecke (eine Meile pro Fahrtrichtung) auf einer Straße im kalifornischen Carson mit Oberleitungen auszurüsten. Diese Strecke bildet das letzte Teilstück auf dem Weg von den Häfen in Los Angeles und Long Beach zu den küstennahen Güterbahnhöfen, die täglich von Tausenden von Lkw angesteuert werden. Auf diesem Teilstück will die südkalifornische Umweltbehörde für Luftreinhaltungspolitik Erkenntnisse darüber sammeln, ob sich die Siemens-Technologie auch für eine dauerhafte kommerzielle Nutzung eignet, nämlich auf einem Teil der nahe gelegenen Interstate 710. Der Güterverkehr darauf soll auf einem Streckenabschnitt künftig emissionsfrei ablaufen. Hintergrund ist die hohe Belastung durch lokale Emissionen –  in Form von Partikeln, Kohlendioxid oder Stickoxid.

Projektpartner sind Mack und Transpower

Projektpartner von Siemens sind der zum Volvo-Konzern gehörende Fahrzeugbauer Mack und der Umrüst-Spezialist Transpower. Mit beiden Akteuren zusammen wollen die Siemens-Verantwortlichen bis zu vier unterschiedliche Fahrzeugkonzepte entwickeln und bis Sommer 2016 – dem geplanten Projektende –  auf dem E-Highway verkehren lassen. Die Projektpartner werden die Fahrzeuge bei regionalen Logistikunternehmen in die Flotten integrieren. Befördert werden in erster Linie Standard-Seecontainer.
Anders als auf der Siemens-Versuchsstrecke in Groß Dölln werden die Fahrzeuge im Sunshine-State nicht alle mit Diesel-Hybridtechnologie ausgestattet sein. Einer der Lkw soll rein elektrisch und ein anderer mit Gas-Hybrid-Technik betrieben werden. Auf diese Antriebsarten greifen die Fahrer dann außerhalb der Oberleitungsstrecke zurück, wenn der Stromabnehmer abgebügelt ist. Als eine Konkurrenz für die Bahn betrachten die Projektverantwortlichen Birkner und Sommer das Projekt im Westen der USA nicht. Siemens hat eine starke Zugsparte. Daher sei man immer ein Befürworter eines Umstiegs auf die Schiene. Im kalifornischen Hafenumfeld scheitere ein Bahntransport oder der Aufbau von Strecken an den beengten Verhältnissen.

Die Oberleitung verläuft mit einer Spannung von 650 Volt

Der Export der Oberleitungstechnik war für Siemens nach eigenem Bekunden kein Selbstläufer. Unter die Rubrik "California Dreaming" fällt die Vermarktung in die USA aber auch wiederum nicht. Die Projektverantwortlichen hatten sich mit einer gewissen Zuversicht an der Ausschreibung beteiligt. Sie sind überzeugt, dass ihre Technik gegenüber anderen Ansätzen für den Aufbau eines Zero-Emission-Korridors wesentliche Vorzüge hat.
"Anders als bei Induktionslösungen muss bei unserer Technologie nichts in die Straße eingelassen werden, was im Fall einer Straßenabnutzung oder -verschmutzung zu Problemen führt", erläutert Holger Sommer. Da die Oberleitung mit einer Spannung von 650 Volt in rund fünf Meter Höhe verlaufe, ergebe sich auch kein Sicherheitsrisiko. Die oberirdische Energieaufnahme habe vielmehr den Vorteil, dass der Wirkungsgrad mit 99 Prozent deutlich höher als bei einer Übertragung per Induktion von einer Primärspule im Boden auf die Sekundärspule im Fahrzeug. Und unter Kostenaspekten sei die Oberleitung deutlich günstiger.

Pläne mit Mittelschweden sind am weitesten vorangeschritten

Was die weitere Verbreitung der Siemens-Technik angeht, scheint Kalifornien erst der Anfang zu sein. "Wir haben konkrete Anfragen von zahlreichen amerikanischen Häfen, aber auch aus Asien", sagt Siemens-Mann Birkner. Am weitesten vorangeschritten sind aber die Pläne in Mittelschweden, wo eine Elektrifizierung einer zwei Kilometer langen Autobahnstrecke von Borlänge nach Gävle im Gespräch ist. Das dortige Infrastrukturministerium ist stark an einem nachhaltigen Gütertransport interessiert und seit Längerem auch mit Siemens im Gespräch. Das Ministerium hat drei Partnern in der dritten Projektphase den Zuschlag dafür erteilt, in die Ausführungsplanung zu gehen. Siemens und der Fahrzeugbauer Scania gehören zu diesem Trio. Im Frühjahr wird sich dann zeigen, ob deutsche Fahrzeugtechnologie auch in Schweden ihren Siegeszug antritt.



DAS PROJEKT ENUBA

Das Projekt "Enuba" steht für "Elektromobilität bei schweren Nutzfahrzeugen zur Umweltentlastung von Ballungsräumen". Das vom Bundesumweltministerium geförderte Projekt wurde im September 2011 abgeschlossen. Der Projektpartner Siemens hat mit zwei umgebauten Mercedes-Benz-Actros-Gliederzügen mit integrierter Elektrotechnik und aufgebauten Stromabnehmern auf einer Teststrecke in Groß Dölln bei Berlin gezeigt, dass sich E-Mobilität auch für schwere Lkw eignet. Im Gegensatz zum Elektroauto kommt der Strom aber nicht aus der Steckdose, sondern aus der Oberleitung. Das Nachfolgeprojekt Enuba 2 war im Mai 2012 gestartet. Die Projektpartner untersuchen bis Jahresende, wie die Technologie noch besser an die logistische Praxis angepasst werden kann. Siemens hat mit Scania zusammen dafür ein neues Fahrzeug aufgebaut, das nicht mehr nur einen Anhänger, sondern einen kompletten Standardauflieger anhängen und bewegen kann. Die Ergebnisse von Enuba seien durchweg positiv und die Effizienz doppelt so hoch wie beim konventionellen Dieselantrieb. Ein ausführliches Interview zu den Projekten lesen Sie in der nächsten trans aktuell-Ausgabe.

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