Der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneien nimmt zu. Die traditionellen Apotheker bringen sich dagegen in Stellung.
Die Apotheke vor Ort, das gehörte jahrzehntelang vielerorts zum gewohnten Bild. Doch die Zahl der Apotheken sinkt. Zum Jahresende 2018 gab es in Deutschland 19.423 öffentliche Apotheken. 2017 waren es noch 19.748. Dieser Rückgang von 325 Betriebsstätten ist nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) der höchste, der bislang in einem Kalenderjahr verzeichnet wurde. Die aktuelle Apothekenzahl markiert denn auch den tiefsten Stand seit Mitte der Achtzigerjahre. Die Apothekendichte ist von 24 auf 23 Apotheken pro 100.000 Einwohner zurückgegangen und liegt damit nun deutlich unter dem EU-Durchschnitt, der bei 31 liegt. Auch dies zeigen Erhebungen der ABDA, die auf den Angaben der Landesapothekerkammern in allen 16 Bundesländern beruhen. „Noch haben wir eine flächendeckende Arzneimittelversorgung. Doch wenn sich nichts ändert, wird das bald nicht mehr so sein“, sagt ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Eine der Ursachen im Apothekenrückgang sieht die ABDA im zunehmenden Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten aus dem Ausland begründet.
Keine Preisbindung
Seit 2004 ist in Deutschland der Versandhandel mit rezeptpflichtigen und -freien Medikamenten erlaubt. Im Bereich der Selbstmedikation hat der Versandhandel bereits einen zweistelligen Marktanteil erreicht. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln liegt er deutlich niedriger. Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2016, wonach ausländische Versandhändler nicht mehr an die deutsche Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente gebunden sind, steigt der Absatz von rezeptpflichtigen Arzneimitteln im Versandhandel merklich an. Dies ist den deutschen Apothekern ein Dorn im Auge. Denn Apotheken machen durchschnittlich 80 Prozent ihres Umsatzes mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die ABDA fordert vom Bundestag und von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun, die Preisbindung für Arzneimittel auch für ausländische Versender gesetzlich zu verankern.
Europarechtliche Bedenken
Für den Fall, dass dies nicht gelingt, hält die ABDA an ihrer Forderung nach einem Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Medikamenten fest. Spahn hält von einem Verbot nichts und führt dafür unter anderem europarechtliche Bedenken ins Feld. ABDA-Präsident Schmidt machte währenddessen im Januar bei der Mitgliederversammlung des Verbandes noch einmal deutlich, dass er gegen Plattformen ist, die sich zwischen Patient und Apotheke schieben.
Täglich 27.500 Pakete
Eine davon ist Doc Morris, die größte Versandapotheke Europas. Das niederländische Unternehmen erwirtschaftete 2017 mit 600 Mitarbeitern einen Umsatz von 370 Millionen Euro, davon 65 Prozent mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die 14 Millionen Kundenkontakte vollziehen sich per Telefon, E-Mail oder Videochat. Das Unternehmen wächst rasant. Täglich versendet Doc Morris bis zu 27.500 Pakete. Vor einigen Jahren war es erst die Hälfte davon. DocMorris versendet darüber hinaus täglich zwischen 500 und 1.000 gekühlte Pakete. Darin verpackt sind Medikamente, die den Adressaten mit einer Temperatur zwischen zwei und acht Grad erreichen müssen. Damit die im Internet bestellten Arzneimittel den Empfänger mit der richtigen Temperatur erreichen, ist das SAP-System von Doc Morris mit dem Wetterservice verbunden. Interessant auch: Die Retourenquote liegt bei Doc Morris im Promillebereich. Dies ist umso wichtiger, da alle Rücksendungen direkt vernichtet werden.
E-Rezept wohl ab 2020
Für Doc Morris gelten die gleichen Regeln wie für deutsche Vor-Ort-Apotheken. „Wir arbeiten mit den gleichen Qualitätsvorgaben“, erklärt das Unternehmen, „ohne Rezept verlässt kein verschreibungspflichtiges Arzneimittel das Haus.“ Das Geschäft dürfte bei Doc Morris künftig weiter Auftrieb erhalten, denn in Deutschland soll das E-Rezept im ersten Quartal 2020 eingeführt werden. Zurzeit müssen die Kunden ihre Rezepte erst postalisch an Doc Morris senden, was wiederum 24 Stunden Zeitverlust bedeutet. Und auch das ständige Digitalisieren der täglich vielen Tausend Papierrezepte kostet bislang noch einiges an Zeit und Geld.
Die Kühlkette
- Temperaturempfindlichkeit von Medikamenten Arzneimittel können in unterschiedlichem Ausmaß temperaturempfindlich sein. Man unterscheidet bei Transport und Lagerung drei Temperaturbereiche: Raumtemperatur (15 bis 25 Grad Celsius, in besonders vermerkten Fällen bis 30 Grad Celsius), Kühllagerung (2 bis 8 Grad Celsius) und Tiefkühlung (unterhalb von minus 18 Grad).
- Kühlkettenpflichtige Arzneimittel müssen über die gesamte Lieferkette, das heißt vom Hersteller über den Großhandel und die Apotheke bis zur Anwendung am Patienten, im vorgeschriebenen Temperaturbereich gehalten werden – ohne Unterbrechung. Wird die Kühlkette unterbrochen, können die Medikamente ihre Wirkung verlieren.