Die Digitalisierung löst nicht automatisch einen Rückgang der im Straßenverkehr Verunglückten aus. Das wurde beim Internationalen Verkehrsforum (ITF) in Leipzig deutlich.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zeigte sich auf dem Internationalen Verkehrsforum (ITF) in Leipzig nahezu euphorisch. Er sprach von einer sehr spannenden Innovationsphase und davon, dass die Unfallzahlen auf der Straße im Zuge der Digitalisierung massiv zurückgehen werden. "Fahrcomputer werden in Zukunft die Fahrer deutlich entlasten und Unfälle stark reduzieren", sagte er. Es gebe zahlreiche Zwischenschritte, die ein großes Potenzial ablesen ließen. Deutschland werde zudem national festlegen, dass Notbremsassistenten nicht einfach deaktiviert werden können. "Wenn wir die Digitalisierung vorantreiben, erreichen wir eine neue Intelligenz der Mobilität", betonte er.
Elektronische Geräte bleiben ein Sicherheitsproblem
Derzeit sieht die Realität anders aus. Die Zahlen bei den Unfallopfern auf der Straße stagnieren allenfalls, und das weltweit gesehen auch nur in OECD-Staaten, die überwiegend als entwickelte Länder gelten. Ein Bericht der International Road Traffic Data and Analysis Group (IRTAD) geht zwar für 2017 von einem leichten Rückgang bei den Verkehrstoten im Vergleich zu 2016 aus, im Vorjahr war aber bei 32 einbezogenen Ländern ein Anstieg von 1,6 Prozent verzeichnet worden. Die Wissenschaftler sind skeptisch, dass der langfristige Trend eines Rückgangs anhält. Erschreckend sind Zahlen aus den USA, wo zwischen 2010 und 2016 rund 13,5 Prozent mehr Verkehrstote registriert wurden. Ursache hierfür seien besonders elektronische Geräte wie Handys, von denen sich die Fahrer ablenken ließen, führte der Vorsitzende der IRTAD-Gruppe, Prof. Fred Wegman, aus. Dieses Sicherheitsproblem lasse sich nur durch Beschränkungen lösen, technologisch sei es möglich, die Nutzung von Handys durch den Fahrer im Auto zu unterbinden. Vor so einer Maßnahme schreckt der deutsche Verkehrsminister aber zurück.
"Wir haben die Strafen deutlich erhöht", sagte Scheuer. "Mein Weg ist es, die Verkehrsteilnehmer auf die Problematik aufmerksam zu machen." Oftmals wird im Zuge der Digitalisierung ein Rückgang der tödlich Verunglückten auf der Straße um 90 Prozent angenommen, da 90 Prozent der Unfälle zur Zeit auf menschliches Versagen zurückgehen. Solche hohen Erwartungen in automatisiertes Fahren jedenfalls wurden in Leipzig durch eine Untersuchung des ITF beträchtlich gedämpft. Der Mangel an Erfahrung und Daten erschwere eine Bewertung, wie sicher automatisiertes Fahren wirklich sei, hieß es. Wenn sich Roboter und Mensch die Verantwortung für die Kontrolle über ein Fahrzeug teilten, führe das zu komplexeren Entscheidungen als bisher. "Die unbeabsichtigte Folge könnte sein, dass Autofahren statt sicherer weniger sicher wird", stellten die Forscher in Leipzig, ähnlich aber auch die EU-Kommission fest. Vorrangig in Situationen, in denen der Mensch die Kontrolle vom Computer übernehme, könne es vermehrt zu Unfällen kommen. Beim teilweise selbstständigen Fahren bleibe der Mensch der Automatik in vielen Situationen überlegen, betont die ITF-Studie, zu der auch Industrie-Unternehmen beigetragen haben.