BusBlog zur modernen Konkurrenz des ÖPNV Verkehr im allgemeinen Interesse?

Foto: HENNING SCHEFFEN PHOTOGRAPHY

Den Angriff von Uber und Konsorten konnte man in Deutschland mit rechtlichen Beschränkungen noch abwehren - was so einfach klingt, harmoniert nämlich nicht mit teutonischer Regelungswut und Besitzstandswahrung. Mit Ridehaling- und Pooling-Modellen wie MOIA startet die neue Mobilität aber schon den nächsten Angriff auf bisherige Gewissheiten.

Mit der neuen Mobilität tat man sich in Wolfsburg bisher eher schwer. Während Daimler und BMW mit ihren Free Floating Carsharing-Angeboten seit Jahren durchgestartet sind und schon zum festen Stadtbild europäischer Großstädte gehören, dümpelten VW-Pilotprojekte in Hannover vor sich hin. Nun sah es mit dem Geldverdienen aber auch bei den First-Movern wohl nicht ganz so gut aus, wie man nach außen immer zeigen wollte.

Jedenfalls aber hatte man eine Vorlage gemacht und gezeigt, was man mit einer digital beschleunigten Mobilitätslösung erreichen kann. Auch der immense Erfolg von Flixbus als neuem Quasimonopolist auf der Fernline ohne eigene Busse wäre ohne die Nutzung von Apps und intelligenten Algorithmen zur Findung des optimalen Angebotspreises nicht denkbar gewesen. Und jetzt, wie geht es weiter?

MOIA startet in Hamburg – mit angezogener Handbremse

Kommen jetzt die neuen Angebote, die dem ÖPNV direkte oder indirekte Konkurrenz machen werden? Die auf so spannende Wortschöpfungen wie Ridehaling und Ridepooling hörenden Konzepte, die partywütige Großstädter im Kiez einsammeln und zur nächsten Hipster-Disco karren oder die autolose Mutti auf dem Land zusammen mit der Nachbarin zum Einkaufen fahren? Volkswagen wollte hier diesmal nicht zu spät kommen und startete seinen Dienst MOIA frühzeitig. Sicher geht es nicht zuletzt darum, die Fahrzeuge zu platzieren, zu guter Letzt in Ihrer vollelektrischen Variante. Immer noch vollmundig in alter VW-Manier bekennt das Ende 2016 gegründete Unternehmen, bis 2025 "einer der weltweit führenden Mobilitätsdienstleister" werden zu wollen. Okay, verstanden. Mal sehen nur, ob das funktioniert - es dürften da noch einige Hürden auftauchen.

Das Konzept ist sicher clever, aber es rührt ansatzweise an den heiligen Gral des öffentlichen Verkehrs. Merken konnten das die Wolfsburger und Berliner Strategen (als Startup residiert MOIA natürlich in der Hauptstadt) erstmals, als sie ihren On Demand-Service in Hamburg starten wollten. Am Tag bevor der Verkehrsausschuss der Bürgerschaft die Zulassung beraten wollte, demonstrierten rund 300 Taxifahrer gegen das Unterfangen. Der Ausschussvorsitzende Ole Thorben Buschhüter kommentierte, es ginge hierbei nicht zuvörderst um Taxidienste. "Das Thema ist auch abseits des Taxiverkehrs spannend," sagte er dem Hamburger Abendblatt. Ende April erfolgte dann die Zulassung des On Demand-Dienstes, aber mit durchaus deftigen Auflagen: Bus- und Taxihalte dürfen nicht angefahren werden, von den geplanten 1.000 Transportern im MOIA-Look dürfen vorerst nur 500 loslaufen - und die dann auch nur mit einer Dichte von drei Fahrzeugen pro Quadratkilometer.

Was genau ist "öffentliches Verkehrsinteresse"?

Schon an diesen Vorgaben zeigt sich die gewisse Weltfremdheit der Verteidiger der kommunalen Ordnung. Muss der Algorithmus die Busschen verlangsamen, sollte der vierte in einen Großstadt-Quadraten einfahren wollen? Und die Krönung für die Begründung folgt dann zuletzt: weitere 500 Busse dürften nur auf die Straße, "wenn die Behörde feststellt, dass der Service öffentliche Verkehrsinteressen nicht beeinträchtigt". Ah ja. Verstanden. Alleine, was ist das, "öffentliche Verkehrsinteressen"? Ist es das Interesse der mobilitätswilligen Öffentlichkeit? Oder eher das finanzielle Interesse der öffentlichen Betreiber? Also freie Entfaltung der eigenen Mobilität oder überkommene Besitzstandswahrung?

Sicher, eine solche Infragestellung der leistungsfähigen deutschen Verkehrsinfrastruktur ist harter Tobak und wird durch allerhand Gesetze und hoheitliche Aufgaben der Grundversorgung gesichert. Alles richtig, gut und demokratisch gewollt. Alleine, die neuen Zeiten der digitalisierten Mobilität wird solches staatsbürgerliches Beharren letztlich nicht aufhalten können. Alleine die Begeisterung, die die teilautonomen, kleinen People Mover allenthalben auslösen, zeigt, dass die Öffentlichkeit nicht immer homogene und bündelbare Verkehrsinteressen hat, sondern dass diese immer individueller und differenzierter werden.

"door2door" macht es anders – Umarmung statt Konfrontation

Einen anderen Weg geht das Berliner Startup door2door, hinter dem die umtriebigen Machertypen Tom Kirschbaum und Maxim Nohroudi stehen, die schon einiges in der Welt der Wirtschaft geschaffen haben. Statt in den indirekten oder direkten Wettbewerb mit den ÖPNV Unternehmen zu gehen, verlegen sie sich mehr auf die Kooperation. Sie bieten ihre Dienste den Verkehrsunternehmen an, um deren Dienste wiederum mit den digitalen Mitteln zu optimieren. Dort nämlich, wo die Adaption herkömmlicher Fahrpläne an ihre Grenzen stößt. Das Ziel: MaaS, "Mobility as a Service", das allgegenwärtige Catchword des letzten UITP Kongresses in Montreal, das hinter den meisten gutbesuchten Vorträgen stand.

Nicht umsonst wurde der IT Specialist Ulrich Strötz als erster mit dem "Young Leadership Award" ausgezeichnet. Der VDV ehrte das Startup neulich mit einem Gastbeitrag in seinem Politik-Brief. Darin erläutert Tom Kirschbaum, worum es konkret geht bei door2door: "Unterschiedlichste Verkehrsmittel lassen sich unideologisch vergleichen und kombinieren. In Echtzeit lassen sich Fahrzeuge dem Bedarf zuordnen. Das Pooling von Fahrgästen mit ähnlichem Start oder Ziel wird in Millisekunden berechnet und an ein Fahrzeug übermittelt. Umfangreiche Datenanalysen erlauben eine adressgenaue Auswertung von Angebot und Nachfrage. Kurzum: Die Digitalisierung bringt eine neue Epoche des Nahverkehrs." Wow! Und das Ganze noch unideologisch! Aber keine Angst, ÖPNV Betreiber: "Traditionelle Angebote wie U-Bahn oder Linienbus
bleiben dabei das notwendige Rückgrat urbaner Mobilität. Sie können und müssen jedoch durch On Demand-Angebote ergänzt werden, um Lücken zu schließen und das System insgesamt zu stärken."

"Mobility inside" als übergreifende Plattform

Also ein unverfängliches Angebot zur Kooperation, dem kaum ein Unternehmen wiederstehen kann? Kirschbaum schließt sein Angebot an die ÖPNV-Branche mit einer leisen Warnung: "Für uns ist selbstverständlich: Wir sind Partner des VDV und seiner Mitglieder – bilateral, aber auch im Kontext von ‚Mobility inside‘."

Diese übergreifende Plattform soll die Angebote aller deutschen Verkehrsunternehmen bündeln, ohne deren Markenauftritt zu verwässern und kleinen Anbietern ohne teure Eigenentwicklung eine Plattform bieten. Über ein solches Konzept wurde lange geredet und vieles lief parallel aneinander vorbei. Jetzt kann es womöglich losgehen – und das im öffentlichen "New Mobility"-Interesse.

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