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Desaster von Rastatt hat Nachspiel Deutsche Bahn gelobt Besserung

Hupac mit SBB Cargo Rastatt-Lok Foto: SBB

Die Deutsche Bahn gelobt nach dem Desaster bei Rastatt Besserung und kündigt ein Bonus-Malus-System an.

Die Deutsche Bahn will ihre Güter-Kunden nach dem Rastatt-Desaster entschädigt sehen, entschuldigt sich offiziell und kündigt ein besseres Krisenmanagement an. "Wir analysieren ganz genau, was passiert ist, damit eine solche Situation nie wieder entsteht", sagte DB-Netz-Chef Frank Sennhenn. Auf einem intermodalen Forum betroffener Unternehmen in Düsseldorf erläuterte er, dass sich die DB in einem Schiedsverfahren mit Bauunternehmen befinde, das Mitte 2018 abgeschlossen sein soll. "Dann werden wir wissen, wen wir entschädigen können", sagte er. Ein ordentliches Gerichtsverfahren würde länger dauern und solle vermieden werden.

Die Ankündigung wird nicht nur der Intermodal-Direktor von P&O Ferrymasters, Wim Blomme, mit Interesse gehört haben. Sein Unternehmen konnte während der Totalsperre im Rheintal lediglich 55 Prozent der Kapazitäten unterbringen: „Wir und unsere Kunden wollen die Zeche nicht bezahlen“, sagte er.

Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) hatte im September kritisiert, dass sich DB Netz auf einen intransparenten Schlichtungsprozess zurückziehe, und hatte Kulanzregelungen angemahnt. Eine von der Branche breit unterstützte Forderung an die Politik nach einer Entlastung insbesondere kleinerer Unternehmen im KV-Sektor verhallte ungehört. Die Gütersparte sei für DB Netz sehr wichtig, unterstrich nun Sennhenn. Er kündigte ein neues Bonus-Malus-System in Deutschland an, mit dem bereits im kommenden Jahr Verspätungen ausgeglichen werden sollen. DB Netz will nicht nur bei künftigen Störfällen, sondern generell schneller und flexibler agieren können.

Enge internationale Zusammenarbeit

Eine Voraussetzung dafür sei eine enge internationale Zusammenarbeit, sagte der Manager. Die Deutsche Bahn wolle  mit der Schweizer Bahn SBB die Lokomotive sein. Ein grenzübergreifendes Notfallkonzept mit standardisierten Abläufen – nationale Störfallmanager, definierte Umleitungen, schnelle Kapazitätszuweisung, Dolmetscherdienste und Dieselloks gehören dazu – soll kurz- bis mittelfristig eingeführt werden. Prozesse und Infrastrukturen anzugleichen und interoperabel zu machen, werde aber länger dauern, betonte Sennhenn. Neben einer einheitlichen Arbeitssprache würden Regelungen zu Bremsvorschriften, Streckenkenntnissen oder Vier-Meter-Korridore wohl mittel- bis langfristig umgesetzt.

Während Europa politisch immer weiter auseinanderdriftet, waren sich in Düsseldorf alle Teilnehmer einig, dass die Schiene euro­pä­isch werden muss. SBB Cargo International-Vorstand Michail Stahlhut betonte, es gelte das Momentum für einen grundsätzlichen Wandel im Bahnsystem zu nutzen. Mit einem durchgängigen internationalen Infrastrukturmanagement müssten Verbesserungen im täglichen Geschäft und nicht nur in Krisensituationen erzielt werden. Bei geplanten Gleisarbeiten müsse die Kapazität zu 100 Prozent und bei Störungen zu 80 Prozent gesichert sein. „Der europäische Flickenteppich muss ein einheitliches Bahnsystem werden“, sagte Thorsten Dieter von DB Cargo. Die Güterbahn sei wesentlich wichtiger, als sie bislang in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, „diese Sichtweise hat sich jetzt dramatisch geändert“.

Aussichten für die Schiene sind gut

Die Aussichten für die Schiene werden keineswegs schwarz gesehen. „Wir haben eine glänzende Zukunft vor uns, wie müssen nur ein paar Dinge ändern“, betonte Hupac-Chef Bernhard Kunz. Die Sperrung bei Rastatt hat nämlich auch gezeigt, dass die Straße gar nicht in der Lage war, alle ausgefallenen Bahntransporte zu übernehmen. Die Kapazität war einfach nicht da, Mauten, Fahrermangel, Staus und Fahrverbote mindern zudem ihre Attraktivität. Bei aller Kritik an der Rastatter Krisenbewältigung sieht Joep Brekelmans, Manager beim Kunststoff-Produzenten Sabic, die Vorteile des KV-Systems. Sein Unternehmen fokussiere sich seit fünf Jahren darauf, zur Nutz­last­opti­mie­rung intermodale Verkehre zu entwickeln, sagte er.

Intermodal sei eine wichtige Säule der Transportstrategie, unterstrich auch Barbara Hoyer von BASF. Wichtig seien kontinuierlich zuverlässige Informationen über den Standort der Sendungen. Stephan Haass von Procter & Gamble betonte, man wolle bei entsprechender Leistung durchaus die Ausgaben für kombinierte Transporte erhöhen. Gebraucht würden End-to-end-Dienstleistungen – und es biete sich jetzt eine gute Gelegenheit, Service und Kosten zu optimieren. „Auf der Straße ist es eng“, sagte Haass. „Es ist Zeit, die Intermodalität zu stärken.“

Die Kosten

Wie hoch die Gesamtkosten sind, ist noch nicht erfasst. Folgende Forderungen stehen im Raum:

  • Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) hat allein für die Güterbahnen Verluste in Höhe von 100 Millionen Euro berechnet
  • Die Schweizerische Bundesbahn (SBB) beziffert den Umsatzverlust bei ihr und ihren Tochtergesellschaften auf umgerechnet rund 23 Millionen Euro
  • Der Schweizer Kombioperateur Hupac beklagt einen
  • zweistelligen Millionenverlust
  • Die deutsche Kombiverkehr war von Umsatzeinbußen in Höhe von 15 Millionen Euro ausgegangen
  • Der Schweizer Chemielogistiker Bertschi sprach von Schaden­ersatzforderungen in Höhe von umgerechnet etwa
  • 43 Millionen Euro

Die Gesellschaft für den Kombinierten Verkehr Schiene-Straße (UIRR) versucht derzeit, über ihre Mitglieder den tatsächlichen Schaden zu ermitteln.

Ansorge-Geschäftsführer Wolfgang Thoma hofft auf einen vernünftigen Vergleich

trans aktuell: Herr Thoma, gehen Sie davon aus, dass Sie Ihre Schadenersatzansprüche durchsetzen können?

Wolfgang Thoma: Die Branche befasst sich derzeit viel mit der Zukunft unter dem Motto: Rastatt never again. Aber wer in die Zukunft plant, muss auch mit der Vergangenheit aufräumen und sich zum angerichteten Schaden äußern. Das hat DB-Netz-Vorstand Frank Sennhenn mit der Bemerkung getan, dass derzeit ein Schiedsgerichtsverfahren mit den ausführenden Bauunternehmen läuft, dessen Ausgang für Mitte 2018 erwartet wird. Das hat mich etwas versöhnt.

Die Zukunft ist für Sie momentan kein Thema?

Doch natürlich. Aber Zukunftsvisionen, wie sich die Bahnen verbessern sollten, stehen auf einem anderen Papier. Dass sich die Bahnen verbessern müssen, dürfte wohl klar sein. Aber das ist bereits vor Rastatt diskutiert worden. Dazu gehören eben Themen wie ETCS-Systeme bei den Loks, Interoperabilität und modernes Equipment.

Wie geht es für Ansorge jetzt weiter?

Wir werden bis Mitte 2018 abwarten und hoffen, dass es zu einem vernünftigen Vergleich kommt oder dass das Schiedsverfahren einen klaren Spruch erbringt, sodass der Schaden dann ausgeglichen werden kann. Natürlich haben wir auch unsere Ansprüche bei unserem Vertragspartner schon platziert. Wir sind kein Milliardenunternehmen, wir rennen als Mittelständler dem letzten Cent hinterher – Spediteure und Logistiker arbeiten nun einmal mit sehr geringen Margen.

Was wünschen Sie sich von ­Ihren Kollegen?

Solidarität. Ich wünsche mir Solidarität in der Branche und kein Gejammere am Biertisch über die teuren Folgen des Rastatt-Desasters. Es geht darum, Farbe zu bekennen und die Politik zu sensibilisieren.

Wozu?

Wir müssen neue Perspektiven entwickeln. Ich betrachte mittlerweile die Infrastruktur für den Güterverkehr und insbesondere das Schienennetz als eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, also eher als staatliche Aufgabe. Im Personenverkehr haben wir Ersatzzahlungen und Verspätungsklagen fast tagtäglich. Wenn die Transportunternehmen nicht mehr im Verhältnis Privat zu Privat zur Bahn stünden, müsste geklärt werden, ob der Staat für ein funktionierendes Schienensystem sorgen muss, damit sowohl der Personen- als auch der Güterverkehr reibungslos laufen können.

Thoma Foto: Thomas Kueppers
Ansorge-Chef Wolfgang Thoma
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