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Jade Weser Port Terminal mit Tiefgang

Wilhelmshaven Jade Weser, Port Anlieferung der ersten Containerbrücken Foto: Eurogate

Am 5. August soll der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven in Betrieb gehen. Selbst die größten Containerschiffe können dann am Jade Weser Port Waren umschlagen.

Rund 20 Jahre hat es seit der ersten Idee gedauert. Am 5. August schließlich nimmt der Traum der Verantwortlichen Gestalt an: Dann nimmt Deutschlands Tiefwasserhafen, der Jade Weser Port (JWP), seine Arbeit auf. Das sind elf Jahre nach der grundsätzlichen politischen Weichenstellung und gut vier Jahre nach dem offiziellen Baubeginn im Frühjahr 2008.

Kaimauer ist 1,7 Kilometer lang

Der JWP wird, wie viele Container-Terminals rund um den Globus, in Modulform entwickelt. Der erste Bauabschnitt besteht aus einer 1,7 Kilometer langen Kaimauer mit dazugehöriger Container-Brücken-Ausstattung. Wilhelmshaven bekommt dabei die derzeit größten Containerbrücken der Welt. Diese stammen – wie heute fast immer – aus chinesischer Produktion. Das erste, aus vier  Einheiten bestehende  Brücken-paket traf am 6. März an Bord des chinesischen Spezialfrachters Zhenhua 23 ein. Weitere folgen im Laufe der kommenden Monate.

Die Brücken mit ihren 69  Meter langen Auslegern sind Krane der Superlative. Die rund 1.750 Tonnen schweren Arbeitsgeräte erlauben es, Containerschiffe mit bis zu 25  Stellplatzreihen nebeneinander zu überspannen. Zwar sind solche Frachter derzeit noch nicht im Einsatz, werden aber bereits gebaut. Die dänische Maersk-Reederei, weltgrößter Container-Carrier, lässt diese Riesen in Südkorea bauen. Sie sollen bis zu 18.000 Standardcontainer (TEU) mitnehmen können.

Ist der Tiefseehafen schon bald zu klein?

Die Umschlagkapazität des neuen Containerterminals, das von einem Joint Venture aus der deutschen Eurogate-Gruppe sowie dem Maersk-Mutterkonzern APM-Terminals betrieben wird, beläuft sich auf rechnerisch 2,7 Millionen TEU. Das entspricht ungefähr der Leistung des derzeit modernsten Container-Terminals im Hamburger Hafen, des im Oktober 2002 eingeweihten Container Terminal Altenwerder (CTA).

Auch die Kapazitäten des neuen Tiefseehafens reichen nicht in alle Ewigkeit. Wie schnell allerdings Wilhelmshaven ausgelastet sein wird, hängt von vielen Faktoren ab. Da ist zum einen das Wettbewerbsumfeld. Die JWP-Inbetriebnahme fällt in einen Zeitraum, der von rasanten Kapazitätserweiterungen im Containerbereich innerhalb der sogenannten Hamburg-Le-Havre-Range geprägt ist: Rotterdam, Antwerpen, Zeebrügge und Le Havre gleichermaßen realisieren in ihren Häfen derzeit verschiedene neue Terminals. Die Investitionssumme geht in die Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der JWP wird am Ende eine knappe Milliarde Euro kosten, wovon nach derzeitiger Planung rund 650 Millionen Euro auf die Infrastruktur entfallen.

Hamburger Hafen rüstet auf

Im Hamburger Hafen sollen ebenfalls neue  Kapazitäten entstehen, wobei man dort vor allem auf die Leistungssteigerung der Bestandsterminals setzt. Allerdings plant die Eurogate-Gruppe im Elbe-Hafen zusätzlich den Bau eines quasi neuen Terminal-Abschnitts im Zusammenhang mit der sogenannten Westerweiterung. Die Hamburg Port Authority geht derzeit davon aus, dass der Elbe-Hafen bis zum Jahr 2025 rund 25 Millionen TEU umschlagen wird. Das ist rund zweieinhalb Mal so viel wie 2011. Weitere Umschlagkapazitäten entstehen jedoch auch im Ostseebereich, allen voran in Polen.

Ein weiterer Einflussfaktor ist die Entwicklung der Weltschifffahrtsmärkte. Die großen Container-Carrier stehen weiterhin unter Druck und haben die Folgen der im Herbst 2008 ausgelösten Weltwirtschaftskrise immer noch nicht richtig überwunden. Die Charter­raten stehen dabei ebenso unter Druck wie die Frachtraten, die den Preis für einen Containertransport abbilden.

Der Wettbewerb um Ladung ist hart: Viele große Carrier schreiben wieder rote Zahlen oder weisen bestenfalls magere Gewinne aus. Die Folge ist ein massiver Sparkurs. Das aber bedeutet auch: Sie schauen sich sehr genau an, wie viele Häfen sie am europäischen Nordkontinent ansteuern.

Containerriesen spielen ihre Marktmacht aus

Eines ist sicher: Die Containerriesen spielen ihre Marktmacht aus. Auf Anfrage bei den Terminal-Betreibern der Nordrange heißt es unisono: "Es wird einen an Schärfe gewinnender Preiskampf unter den Terminal-Betreibern geben, um die Anlagen schnell zu füllen."

Fakt ist auch, dass die Großreeder noch eine ganze Flut von neuen Containerfrachtern erwarten, die noch vor der Krise bestellt wurden. "Die Großcontainerschiff-Flotte wächst bis Ende 2014 um mehr als die Hälfte des aktuellen Wertes", rechnet Michael Niefünd, Schifffahrtsanalyst und Mitautor des vom Fondshaus Hamburg (FHH) zwei Mal jährlich veröffentlichten Marktreports, vor. "Die Weltcontainerschifffahrt ist von einer nachhaltig wirkenden Markterholung weiterhin sehr weit entfernt", sagt Josef Sedlmeyr, Mitglied der Geschäftsleitung der Münchener Conti-Reederei-Gruppe.

Ein dritter Faktor für den Erfolg des JWP ist die Güte der Hinterlandanbindungen. Auch an dieser Stelle läuft es nicht ganz rund.  Gelöst ist zumindest die Straßenanbindung. Die Autobahn A 29 beginnt beziehungsweise endet inzwischen am Hafenterminal.

Logistizone schon zu zwei Dritteln vermietet

Das ist von großer Bedeutung für die vorgeschaltete, rund 160 Hektar große Logistikzone. Die Fläche ist bereits zu zwei Dritteln vermietet. Auf dieser Fläche entsteht unter anderem ein neues Kühllogistik-Zentrum. Die Nordfrost-Gruppe aus Schortens bei Wilhelmshaven baut dort auf einem 20 Hektar großen Grundstück ein neues Frische- und Tiefkühl-Zentrum. Bis zum Jahr 2015 will  die inhabergeführte Kühllogistik-Gruppe am neuen Standort rund 100 Millionen Euro investieren.

Auch für die Bahn ist der JWP gut ausgelegt. Zum eigentlichen See-Container-Terminal gehört ein auf dieser Großanlage von vornherein installierter Terminal für den Kombinierten Verkehr. Sechs Gleise (jeweils 700 Meter lang) stehen zur Verfügung. Der eigentliche Umschlag der Boxen erfolgt mittels Portalkränen. Das spart Raum und gewährleistet zudem eine schnelle Be- und Entladung der Containerganzzüge.

Negativ wirkt sich allerdings das lange Hickhack um den zweigleisigen Ausbau der 50 Kilometer langen Strecke zwischen Oldenburg und Wilhelmshaven aus. Zwar ist der Ausbau bis Jahresende unter Dach und Fach, allerdings geriet dabei die Elektrifizierung ins Hintertreffen. Diese soll erst 2017 abgeschlossen sein. Bis dahin ist eine teure Dieseltraktion nötig.

Gezerre um Lärmschutz-Maßnahmen in vollem Gange

Doch droht auf der Schiene noch weiterer Ärger. So wollen Bürgerinitiativen in Oldenburg klagen, weil sie mit der Inbetriebnahme der ausgebauten Strecke mit einem erheblichen Lärmzuwachs rechnen. Das Gezerre um die Finanzierung von Lärmschutz-Maßnahmen ist bereits in vollem Gange.

Keine Rolle spielt bis auf Weiteres das Binnenschiff. Die deutschen Bestimmungen erlauben nicht, dass ein Binnenschiff dort eingesetzt wird – selbst, wenn es sich um eine Fahrt direkt entlang der Küste handelte. Dass es auch anders geht, zeigen übrigens die seeerprobten Nachbarn aus den Niederlanden.

See-Feeder-Verkehr wird wichtige Rolle spielen

Bleibt für den Hinterland-Transport das Feederschiff. In Wilhelmshaven geht man davon aus, dass der See-Feeder-Verkehr eine wichtige Rolle spielt. Wobei dort der Begriff Hinterland weiter gefasst ist: Die Ostsee-Anrainer sind ein wichtiger Ziel- und Quellmarkt, ebenso Teile der Nordsee. Allerdings wird derzeit daran gedacht, in einer Übergangsphase kleinere Feeder einzusetzen, die zwischen Wilhelmshaven und den Bremischen Häfen pendeln. Der Weitertransport würde dann per Bahn oder Binnenschiff erfolgen.

Für Helmut Frank, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der mittelständischen, trimodalen Transport-Gruppe Acos, ist die Hinterland-Transport-Problematik für den JWP durchaus nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. "Ich vergleiche den Jade Weser Port gerne mit einem Hausbau", sagt er. Normal sei, dass sich ein potenzieller Bauherr zunächst einmal das Grundstück kaufe. Danach mache er sich darüber Gedanken, wie er zu seinem Grundstück komme. Erst danach werde das Haus gebaut. "Beim Jade Weser Port ist das vollkommen anders gelaufen, eigentlich ein  Schildbürgerstreich", sagt Frank. Bleibt nur zu hoffen, dass aus dem anfänglichen Traum kein Albtraum wird.

Technischen Probleme - Kommt der Rechtsstreit?

Für Aufsehen sorgen Berichte über gravierende Baumängel im Bereich der Kaimauer. Grob vereinfacht klaffen an verschiedenen Stellen der Stahlspundwand Lücken. Der Fachmann spricht von Schlosssprengungen, die an sich nichts Besonderes sind. Beim JWP allerdings scheinen die Mängel besonders gravierend. Weit über 130 Risse waren es im März. Erste Schadenseinschätzungen liefen auf rund 25 Millionen hinaus. Ein Rechtsstreit mit den Baufirmen ist wahrscheinlich.

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