Werkstattschließungen wegen Corona-Pandemie Der Krise die Stirn bieten

DAF-Werkstatt, Lohfeldener Rüssel, Werkstatt aktuell 1/2014 Foto: Mathias Heerwagen

Die Corona-Pandemie hat auch Servicebetriebe in eine finanzielle Schieflage gebracht. Was eine Werkstatt tun kann, um die Krise zu überstehen, weiß Dr. Wolf-Henning Hammer von der Kanzlei Voigt.

Die Betriebsschließungsversicherung ist oft Bestandteil der Betriebsunterbrechungsversicherung. Der konkrete Deckungsumfang, das heißt, was, wann und wofür der Versicherer zu leisten hat, ist in den Bedingungen festgelegt. Diese sind allerdings – selbst innerhalb eines Versicherungsunternehmens – uneinheitlich und werden fortlaufend angepasst.

Deckung der Betriebsschließungsversicherung prüfen

Der erste Schritt sollte daher sein, zu prüfen, ob die Deckung auch die Schließung aufgrund von Infektionskrankheiten nach § 6 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) umfasst. Da etliche ältere Bedingungen den Versicherungsschutz oftmals auf Krankheiten und Erreger beschränken, die in §§ 6 und 7 IfSG in der Fassung vom 20.7.2000 erwähnt wurden, haben etliche Versicherer auf die Bedingungen verwiesen und die Leistungen unter Hinweis auf die fehlende Nennung des Corona-Virus verweigert. Der Hinweis auf die unterbliebene Nennung kann richtig sein, muss es aber nicht. Die Zielsetzung des IfSG ist es, den Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten zu verbessern. Insbesondere sollen bekannte und neue Infektionskrankheiten frühzeitiger erkannt werden, um schneller und zielgerichtet Bekämpfungsmaßnahmen einleiten zu können (Bundestagsdrucksache BT 14/2530 vom 19.1.2000). Viel wichtiger ist aber, dass die Liste der Krankheitserreger, der Erläuterung zu §7 IfSG zufolge, gerade nicht abschließend ist und deshalb auch neue, nicht aufgeführte Krankheitserreger erfasst.

Unklarheiten gehen zulasten des Versicherers

Im Streitfall kann es daher darauf ankommen, ob die Versicherungsbedingungen lediglich auf das Infektionsschutzgesetz verweisen oder zusätzlich eine dezidierte Liste der erfassten Erreger enthalten.

Hinzu kommt, dass Versicherungsbedingungen aus Sicht des Kunden auszulegen und an der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zu messen sind. Der ständigen Rechtsprechung des BGH zufolge sind sie so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer, ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht, unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs und in Hinblick auf seine Interessen, versteht. Der mit den Bedingungen verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind daher nur in dem Umfang zu berücksichtigen, der für den Versicherungsnehmer erkennbar ist (z. B. BGH, Beschl. v. 18.3.2020, Az. IV ZR 43/19, m.w.N.).

Schutz vor Verklausulierungen

Wenn der Versicherer die Bedingungen derart verklausuliert, dass der Versicherungsnehmer sich etwas ganz anderes darunter vorstellt als der Versicherer, dann ist der Versicherungsnehmer infolge der Unklarheitenregelung im Vorteil. Das LG Mannheim hat in einem Urteil vom 29.4.2020, Az. 11 O 66/20, klargestellt, dass die Formulierung in Versicherungsbedingungen "die in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger" auch das Corona-Virus umfasst. Begründet hat es dies damit, dass der Sinn und Zweck der Regelung darin bestehe, Betriebsunterbrechungen durch behördliche Maßnahmen aufgrund des IfSG abzufedern, weshalb auch faktische Schließungen unter diese Klausel zu subsumieren seien. Dem entsprechend hat das Gericht eine behördliche Anordnung auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes für ausreichend erachtet, unabhängig davon, ob der Anordnung ein konkreter Einzelfall zugrunde gelegen oder die Gefahr in jedem Fall im Betrieb selbst ihren Ursprung gehabt hat.Das OLG Hamm kam dagegen mit Beschluss vom 15.7.2020, Az. 20 W 21/20, zu folgendem Ergebnis: Bei einer Klausel, wonach Deckungsschutz "nur für die im Folgenden aufgeführten (vgl. §§ 6 und 7 IFSG)" genannten Erreger gewährt wird – wobei die Erreger ausführlich aufgelistet werden – können die Bedingungen nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch bei nicht genannten, erst später bekannten Erregern Versicherungsschutz bestehen soll.

Nach Geschäftsalternativen suchen

Wenn ein Unternehmen aufgrund der Corona-Krise in Schieflage geraten sein sollte und mit Zahlungsunfähigkeiten und/oder Überschuldungen zu kämpfen hat, wird sich das Management mitunter nicht nur der Frage ausgesetzt sehen, warum kein hinreichender Versicherungsschutz bestanden hat. Zudem sind inzwischen etliche Fälle bekannt, bei denen mangelnde sicherheitstechnische Vorkehrungen zu Verletzungen des Datenschutzrechts geführt haben. Auch sehen sich Geschäftsführer mit der Frage konfrontiert, ob die Folgen der Krise, nicht hätte verhindert werden können, etwa durch alternative Geschäftskonzepte. Wo dies gelungen ist, gehen Unternehmen mit neuen Konzepten und gestärkt aus der Krise hervor.

Wo die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise allerdings derart heftig sind, dass ein Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen (§ 15a der InsO; § 42 Abs. 2 BGB), sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Pflicht zur Stellung eines solchen gemäß § 1 COVInsAG S. 1 grundsätzlich nur bis zum 30.9.2020 und nur dann ausgesetzt ist, wenn eine Aussicht auf Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit besteht. Da das COVInsAG allerdings erst am 1.3.2020 in Kraft getreten ist, gilt dies nur, wenn die Antragspflicht nicht bereits vor diesem Datum gegeben war. Gemäß Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes wurde für den Zeitraum 1.10.2020 bis 31.12.2020 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages wegen Überschuldung nach Maßgabe des § 1 des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes vom 27.3.2020 weiterhin ausgesetzt.

Zusammenfassend gilt: So wenig, wie es einen Impfstoff gegen Corona gibt, so wenig lässt sich aktuell eine universell gültige Handlungsempfehlung geben, ob eine Klage sinnvoll ist oder nicht. Eine klare Tendenz ist aktuell zwar noch nicht erkennbar. Die bisherigen Urteile belegen aber nicht nur die widerstreitenden Auffassungen, sondern eben auch die Bedeutung des Wortlauts der dem jeweiligen Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen. Solange keine BGH-Entscheidung vorliegt, können die Instanzgerichte entscheiden, wie sie wollen. Es bleibt abzuwarten, wie sich hier gegebenenfalls andere Landgerichte beziehungsweise OLGs hier positionieren.Wer sich mit dem Gedanken einer Klage trägt, sollte dies nicht überstürzen, sondern seine Entscheidung von dem Ergebnis einer eingehenden und fachkundigen Prüfung abhängig machen, zum Beispiel durch die auf derartige Fälle spezialisierten Fachanwälte für Versicherungsrecht.

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