Dekra stellt Verkehrssicherheitsreport 2016 vor EU-Ziele rücken in die Ferne

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Nach einem jahrelangen Abwärtstrend sind die Unfallzahlen im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit 2001 wieder gestiegen. Der Anstieg auf rund 26.000 Tote ist alarmierend. 

Das strategische Ziel der EU einer Halbierung der Zahl der Verkehrstoten bis 2020 gegenüber dem Jahr 2010 zu erreichen, ist akut in Gefahr. "Umso mehr sind alle Beteiligten aufgefordert, mit aller Macht gegenzusteuern", so Clemens Klinke, Mitglied des Vorstands DEKRA SE, bei der Vorstellung des DEKRA Verkehrssicherheitsreports 2016 in Berlin. Der Report rückt diesmal den Personenverkehr – insbesondere den Pkw-Verkehr, den mit Abstand größten Anteil der individuellen Mobilität – in den Fokus. Er zeigt auf, wo die größten Potenziale für die nachhaltige Verringerung der Unfallopferzahlen auf den Straßen der EU liegen und welche Herausforderungen sie für Mensch, Technik und Infrastruktur bedeuten.

Über viele Jahre hat sich das Risiko, im Personenverkehr tödlich zu verunglücken oder schwer verletzt zu werden, in nahezu allen Mitgliedstaaten der EU deutlich verringert. Doch diese positive Entwicklung ist nun ins Stocken geraten. So stieg die Zahl der Verkehrstoten 2015 nach vorläufigen Statistiken in Deutschland (+ 2,9 %), Frankreich (+ 2,4 %) und Italien (+ 1,3 %). Diese drei Länder machen zusammen knapp 40 Prozent aller Verkehrstoten in der EU aus. "Wenn die Zahl der Verkehrstoten ausgerechnet in diesen Staaten mit ihrer vergleichsweise modernen Fahrzeugflotte nach oben geht, ist das alarmierend", sagte DEKRA Vorstand Klinke.

Ansatzpunkt Pkw-Fahrer

Was den Personenverkehr anbelangt, sind Pkw-Fahrer seit Jahrzehnten die Verkehrsteilnehmergruppe, die am häufigsten an Unfällen mit Personenschaden beteiligt sind. Insofern gilt es insbesondere hier anzusetzen, um die Verkehrssicherheit nachhaltig zu erhöhen. Die Hauptursache von Unfällen mit Personen- und/oder Sachschaden ist dabei menschliches Versagen: Wie Statistiken immer wieder zeigen, ist der Mensch für etwa 90 Prozent der Unfälle verantwortlich. Nicht ohne Grund setzt daher die Automobilindustrie schon seit Jahren verstärkt auf Fahrerassistenzsysteme, die kritische Situationen frühzeitig erkennen, vor Gefahren warnen und wenn nötig auch aktiv eingreifen. 

Ergänzend kommt den Schlüsseltechnologien der Mobilität 4.0 ebenfalls ein wichtiger Part zu. Sie können mit der Kommunikation zwischen Fahrzeugen sowie von Fahrzeugen mit der Infrastruktur zusätzlich helfen, die Zahl der schweren Unfälle noch weiter zu reduzieren. Schon heute fahren einige Fahrzeuge teilautomatisiert und vernetzt. In Zukunft wird die Anzahl der Fahrzeuge mit Funktionen des automatisierten Fahrens und Vernetzung deutlich steigen. Das eröffnet beachtliche Perspektiven, um die Zahlen getöteter oder verletzter Verkehrsteilnehmer zu reduzieren. "Zuvor müssen dafür aber die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden", betonte Clemens Klinke. Das betreffe neben dem "Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr" vor allem auch die nationalen und internationalen Vorschriften über die Rechte und Pflichten der Verkehrsteilnehmer sowie die Regelungen für die Zulassung von Kraftfahrzeugen.

Elektronik: Fluch und Segen

Während insbesondere elektronische Assistenzsysteme den Verkehr sicherer machen, wird dieses positive Potenzial durch zunehmende Ablenkung im Verkehr teilweise zunichte gemacht. Verkehrsteilnehmer wenden ihre Aufmerksamkeit ab, weil sie beispielsweise ihre Smartphones bedienen. Die Gefahren hierdurch sind nicht zu unterschätzen. Die DEKRA Unfallforschung hat in sechs europäischen Hauptstädten beobachtet, dass insgesamt fast 17 Prozent der Fußgänger beim Überqueren der Straße ihr Smartphone benutzten. "Gerade beim Thema Ablenkung muss die Verkehrssicherheitsarbeit in den kommenden Jahren mit Nachdruck ansetzen. Aufklärungsarbeit steht hier an erster Stelle", so Klinke. 

Insgesamt sind nach seiner Überzeugung verantwortungsbewusstes Verhalten, die richtige Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und ein hohes Maß an Regelakzeptanz aller Verkehrsteilnehmer unerlässlich. "Daran kann auch die beste Fahrzeugtechnik und Straßenverkehrsinfrastruktur nichts ändern."

Zeitgleich mit der Veröffentlichung des DEKRA Verkehrssicherheitsreports 2016 startet die Sachverständigenorganisation das neue Online-Portal www.dekra-roadsafety.com zu wichtigen Themen rund um die Verkehrssicherheit. 

Dekra Forderungen für mehr Verkehrssicherheit

  • Höhere Marktdurchsetzung mit elektronischen Fahrerassistenzsystemen
  • Verständliche Aufklärung über das Vorhandensein, die Funktion und die Grenzen von Fahrerassistenzsystemen sowie Klarstellung der stets gegebenen Eigenverantwortung des Fahrers
  • Schnellstmögliche Ausarbeitung international einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für hoch- und vollautomatisierte Fahrfunktionen
  • Ständige Weiterentwicklung der technischen Fahrzeugüberwachung im Hinblick auf neue elektronische Systeme und sicherheitsrelevante Kommunikationstechnik
  • Erweiterte Öffnung des Zugangs für Überwachungsorganisationen zu Daten der Hersteller, die zur Prüfung elektronischer Systeme relevant sind
  • Verstärkter Einsatz von Unfalldatenspeichern (Event Data Recorder) zur Aufklärung von Unfallabläufen und zur Unfallursachenermittlung – vor allem im Zusammenhang mit automatisierten Fahrfunktionen
  • Förderung intelligenter Infrastruktur (Car-to-Infrastructure-Kommunikation) und intelligente Vernetzung von Verkehrsträgern (Mobilität 4.0)
  • Vorrang der Verkehrssicherheit gegenüber Kostenfragen bei der Planung und Instandhaltung von Infrastruktur
  • Aktive und aufmerksame Teilnahme am Straßenverkehr sowie größtmögliche Vermeidung von Ablenkung
  • Gegenseitige Rücksichtnahme und Hineinversetzen in die Lage anderer Verkehrsteilnehmer
  • Steigerung der Gurtanlegequote in Pkw auf 100 Prozent, auch mithilfe angemessener und wirksamer Kontrollen
  • Konsequente Umsetzung der europaweiten Gurtpflicht in Reise- und Fernlinienbussen
  • Steigerung der Helmtragequote bei Radfahrern – insbesondere auf Pedelecs mit ihren höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten
  • Frühestmögliche Verkehrserziehung schon im Vorschul- und Grundschulalter
  • Gezielte Förderung der Kompetenzen in Sachen vorausschauender Verkehrsbeobachtung und Gefahrenvermeidung in der Fahrausbildung
  • EU-weite Vereinheitlichung der Verfahren zur Überprüfung der Fahreignung nach dem Vorbild des bewährten deutschen MPU-Systems
  • EU-weit einheitliche Verkehrsregeln, soweit möglich und sinnvoll
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