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Container-Flugzeug VV-Plane Start eines unbekannten Flugobjekts

Foto: 4x4 Aviation

Das Flugzeug VV-Plane absolviert am 26. September in London seinen Jungfernflug. Es kann wie ein Helikopter senkrecht landen und Container punktgenau absetzen. Dahinter steht der Entwickler Thorsten Reinhardt.

Ryanair ist nicht das schlechteste Vorbild. Die irische Billig-Fluggesellschaft flog ihren Wettbewerbern viele Jahre lang davon. Der durch seine provokativen Preis- und Werbekampagnen  geschätzte wie gefürchtete Vorstandschef Michael O’Leary ist daran nicht ganz unschuldig. Er baute das Unternehmen zu einer  der – gemessen an Aufkommen und Flotte – größten und zeitweise profitabelsten Airlines Europas aus.
Thorsten Reinhardt ist einer der knapp 80 Millionen Ryanair-Fluggäste im Jahr. Er arbeitete in Deutschland, seine Familie lebte in England. Also nutzte er viel den Flieger. Und als regelmäßiger Passagier begann er sich näher für das Geschäftsmodell der Airline sowie die Branche insgesamt zu interessieren. Zehn Jahre später hat er selbst den Flugschein, führt ein Luftfahrtunternehmen – und wird am 26. September, dem Erscheinungstermin dieser Ausgabe, am britischen Ashford Airport medienwirksam zu einem Jungfernflug starten.

"Den Flugschein habe ich für dieses Projekt abgeschlossen", sagt der Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens 4x4 Aviation gegenüber trans aktuell. Sein Flugzeug ist jedoch weit davon entfernt, ein Billigflieger zu sein. Im Gegenteil: Er handelt sich um einen Prototypen, einen aufwendig konstruierten Technologieträger. Er hebt mit dem Anspruch ab, Logistikprobleme in Entwicklungs- und Schwellenländern zu lösen. "Ich sehe unsere Technologien als Infrastruktur-Lösung an", erklärt Reinhardt.

Wie ein Helikopter senkrecht in den Himmel

Es ist ein für die Branche bisher völlig unbekanntes Flugobjekt. Denn das Flugzeug, das sogenannte VV-Plane, kann einem Helikopter gleich in praktisch allen Winkeln dieser Erde senkrecht und punktgenau starten und landen. Und der Clou daran: Es kann zusätzlich schwere Lasten tragen – ganz konkret einen 20-Fuß-Container. "Größere Versionen für 40-Fuß-Container oder den Transport von mehreren Containern sind in Planung", berichtet der Firmenchef.

Das Flugzeug braucht also keine Start- und Landebahn. Überhaupt hebt es sich in vielerlei Hinsicht von anderen Frachtmaschinen ab. Das gilt für das stromlinienförmige Design, das eher an einen Meeressäuger erinnert als an einen Vogel. Das gilt erst recht aber für die innovative Antriebstechnik. Es basiert auf einem Hybridsystem. Elektrisch betriebene Turbinen bringen das VV-Plane in die Lüfte. Gleichzeitig gibt es einen Verbrennungsmotor an Bord, den die Entwickler "RT" genannt haben, und dessen Konstruk­tion sie sich seit 2004 widmen. Der Motor ermögliche bei sehr geringem Gewicht einen hohen Wirkungsgrad, sagt Reinhardt.

Prototyp schafft 850 Kilometer

Der Containerträger ist ein Ausdauersportler. Der Zehn-Tonnen-Prototyp kann zwar nicht wie die Boeing 737 von Ryanair von London-Stansted bis nach Zypern fliegen, 850 Kilometer am Stück schafft er aber auch. "Pro Tag erwarten wir, eine Direktstrecke von 3.330 Kilometern zurücklegen zu können", sagt Firmenchef Reinhardt. Ideale Einsatzgebiete für den VV-Plane sind seiner Ansicht nach weniger stark entwickelte Länder mit handfesten Infrastruktur- oder Logistikproblemen. "Wir haben enge Verbindungen zu Ländern, die förmlich keinerlei Infrastruktur haben – oder diese so schlecht ist, dass Lkw-Transporte fast unmöglich sind", erläutert er. Konkret führe er bereits Gespräche mit Interessenten aus Ghana und Südafrika. Flugbereit könnten die Flugzeuge dann in etwa drei bis vier Jahren sein.

Drei bis vier Jahre sind bei Großprojekten auch kein langer Zeitraum. "Zu Projekten wie diesem muss man sagen, dass die Investitionen nicht innerhalb von zwei bis drei Jahren Früchte tragen", erklärt Reinhardt. "Es sind definitiv Langzeit-Investitionen, welche im heutigen Wirtschaftsklima leider kaum noch getätigt werden", sagt er. Viele seien nur darauf aus, einen schnellen Euro zu machen. Was die Investitionskosten im Haus 4x4 Aviation angeht, berichtet der Unternehmer, dass man das Projekt für viele Jahre mit mehreren Millionen Euro selbst finanzieren konnte, nun aber professionelle Investoren mit dabei seien. Diese sind selbst im Stadtstaat Singapur in der Logistik tätig.

4x4 Aviation will nicht selbst fertigen, sondern Lizenzen vergeben

In eine Serienfertigung des Flugzeugs will 4x4 Aviation nicht einsteigen. Ziel sei es vielmehr, den interessierten Ländern als Lizenzpartner die Möglichkeit zu geben, es selbst zu fertigen. Das Unternehmen geht davon aus, dass bei entsprechender Nachfrage eine Produktion von etwa 30 VV-Planes im Monat möglich ist. 4x4 Aviation selbst sieht seine Aufgabe in der Weiterentwicklung des Fluggeräts, aber auch in der Entwicklung von anderen Technologien. Die Branche darf also gespannt sein, was Pilot Reinhardt in den nächsten Jahren noch zum Fliegen bringt. Doch nun darf erst mal das VV-Plane abheben – womöglich mit Firmenchef Reinhardt im Cockpit.

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