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Chronotrucks greift Frachtenbörsen an Uber für Trucks

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Transporte sind bei Chronotruck angeblich bis zu 70 Prozent billiger. Die Franzosen starten ihren Angriff auf die Frachtenbörsen.

Die Uber-Lösung für den Straßentransport – so preist sich das französische Startup-Unternehmen in seiner Internetpräsentation an. Mit Chronotruck wollen die drei Gründer der Internet-Plattform nicht nur den Güterverkehr im Nachbarland aufmischen. Sie haben sich vorgenommen, europaweit Verlader und Transporteure in Echtzeit zusammenzubringen und auf diese Weise jede Menge Leerfahrten zu vermeiden. ­Einer von ihnen, Rodolphe Allard, kommt aus der Branche. Seine neue Geschäftsidee könnte so manche Frachtenbörse ganz schön alt aussehen lassen.

"Ihre Sendungen – professionell und bis zu 70 Prozent billiger", wirbt das Unternehmen im Netz. "Wir schalten Vermittler aus und ermöglichen einen Zugang zu den tatsächlichen Transportpreisen." Verlader könnten mit Chronotruck ein vertrauenswürdiges Unternehmen ganz in der Nähe finden, um jegliche Fracht zwischen 0,5 und 85 Kubikmetern zu versenden. Für nicht ausgelastete Lkw will die App eine volle Rückfahrt ermöglichen.

Wie bei Versteigerungen

Das alles läuft über ein Smartphone nach dem Modell der elektronischen Marktplätze: Chronotruck ortet die Fahrzeuge mit verfügbarem Laderaum und teilt ihnen dann mit, wo es etwas zu holen gibt. Wie bei einer Versteigerung erhält der Erste, der das Angebot annimmt, den Zuschlag. Ist der Transport abgewickelt, geht ein Foto des Lieferscheins direkt an den Auftraggeber.

Allard, Chef des Unternehmens Transports Houari in Ingré bei Orléans, ist mit den Schwächen des derzeitigen Systems vertraut. "Meine Fahrzeuge müssen des Öfteren warten, mal einen, mal zwei oder mal fünf Tage. Das kostet sehr viel Geld." Und wenn die vielen Kilometer bis zur Laderampe erst mal zurückgelegt worden seien, sei das ja nicht umsonst.

Versuchsphase im September

Hier soll Chronotruck – von Allard und den beiden Internet-Profis David Botvinik und Mathieu Verrecchia entwickelt – Abhilfe schaffen. Allard ist selbst regelmäßig mit dem Internet-Taxi Uber X unterwegs. Das hat ihn auf die Idee der neuen App gebracht. Nach 18 Monaten Arbeit steht das Portal als Beta-Version und soll in Europa eine "Führungsrolle bei der Verringerung von Leerfahrten einnehmen".

Ab September läuft eine etwa einmonatige Versuchsphase mit sechs bis sieben Kunden zunächst im Großraum Paris an, dann sollen Interessenten aus dem ganzen Land Zugang bekommen. Für Anfang 2016 ist die Ausdehnung auf Europa mithilfe verschiedener Plattformen geplant. Es gebe in Frankreich bereits mehr als 200 Interessenten aus allen Bereichen, berichtet Allard. Dazu gehörten neben Industrie und Spediteuren auch andere Kunden. "Je mehr Unternehmen hier bei uns registriert sind, umso einfacher ist es, eine Rücktour zu finden", zeigt sich Allard überzeugt.

Auch Pkw willkommen

Die Dienstleistung könne mit jedem Fahrzeug erbracht werden, nicht nur mit einem Lkw. Auch Transporter oder selbst Personenwagen könnten in das Geschäft einsteigen. "Ab einem Gewicht von 50 Kilogramm sind wir richtig konkurrenzfähig", sagt der Franzose. Bei kleineren Ladungen hätten eher die Kurierdienste die Nase vorn.

Grundsätzlich wird die Leistung wie gewohnt erbracht, betont Allard. Über jedes teilnehmende Unternehmen hole man zuvor Erkundigungen ein, es müssten jede Menge Papiere beigebracht werden, nicht zuletzt damit die Übereinstimmung mit der europäischen Gesetzgebung gesichert sei.

Chronotruck will von alledem durch eine Kommission auf die Transportrechnung in Höhe von 15 Prozent profitieren. Abgerechnet wird nach Kosten, Volumen und Zeit.

Transporteur soll trotzdem Geld verdienen

Grundsätzlich sei das Geschäftsmodell so ausgelegt, dass der Transportunternehmer Geld verdiene und der Kunde ein attraktives Angebot erhalte, betont Allard. "Wir wollen den Markt durchlässiger machen, aber wir wollen ihn nicht zerstören." Dazu könnte auch eine öffentliche Bewertung beitragen. Ein Punktesystem von eins bis fünf für den Transporteur soll den Auftraggebern eine Richtschnur bei ihrer Wahl bieten.

Allard hat es auf die Frachtenbörsen abgesehen und will ihnen 30 bis 50 Prozent vom Umsatz abjagen. "Ich glaube aber, dass die Börsen trotzdem überleben", meint er. Ob sein Geschäftsmodell angenommen wird, muss sich erst noch zeigen. "Ich weiß nicht, ob wir erfolgreich sein werden", gesteht er freimütig ein. Weltweit gebe es nur drei andere ähnliche Systeme: Cargomatic, Transfix und Truck-Path, die alle in den USA angewendet würden. "Wenn es dort gut läuft, warum sollte das dann nicht auch bei uns möglich sein", fragt er. Wenn nach drei bis sechs Monaten die ersten brauchbaren Statistiken über Kunden, Aufträge und Abwicklung vorliegen, wollen die Chronotrucker entscheiden, ob sie Banken mit ins Boot nehmen.

Uberisierung als Trend

Die digitale Wirtschaft rückt nicht nur den herkömmlichen Taxis auf den Pelz. Die Hotellerie schimpft auf den weltgrößten Zimmeranbieter Airbnb, die Tourismusindustrie auf die Reisesuchmaschine Kayak. Im Personenverkehr tritt das französische Mitfahrportal Blablacar erfolgreich an, auch Privatflugzeuge wollen inzwischen mit Mitfluggelegenheiten Kasse machen. Die sogenannte Uberisierung, der direkte Kontakt von Auftraggeber zu Auftragnehmer über eine Internet-Plattform, breitet sich immer mehr aus. Die Plattformbetreiber können – haben sie sich erst einmal eine Marktposition geschaffen – mit wenig Aufwand viel Geld verdienen. Angesichts der sich rasant wandelnden Verhältnisse müssten Unternehmen der alten Schule ihr Geschäftsmodell auf die Probe stellen. Innovationen sind mehr denn je gefragt. Probiert ein Kunde nämlich erst einmal neue Wege anderer aus, könnte es schwer werden, ihn zurückzuholen.

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