Busbranche in der Krise Im Griff von Corona

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Das zweite Konjunkturpaket gegen die Corona-Krise kommt bei der Busbranche kaum an. Die Zeichen stehen derzeit voll auf Konfrontation.

Jetzt sind es nicht einmal die moderaten 170 Millionen Euro geworden, die der Bundesverband der Busunternehmer (bdo) bei einem Treffen am 14. Mai mit dem Verkehrsministerium in den Ring des Corona-Verteilungskampfes geworfen hatte. Eine zehnköpfige Abordnung hatte gemeinsam mit dem Team um Minister Andreas Scheuer (CSU) einen Minimalkatalog erarbeitet, der die Vorhaltekosten der zumeist neuen Euro-6-Busflotten vom Start des "Reiseverbots" vom 17. März bis zu den weitgehenden Lockerungen Ende Juni auf diesen Betrag festsetzt. Das wäre zwar nur ein sprichwörtlicher Tropfen auf den heißen Stein, der Verband bedankte sich trotzdem schon bei Scheuer.

Proteste von #honkforhope und bdo

Foto: Thorsten Wagner
Drei Konvois zu 100 Bussen und weitere selbstorganisierte Demonstrationen ließen Berlin und andere Städte am 27. Mai mit ihren lauten Luftdruck-Bushupen aufhorchen.

Dass die Situation kritisch ist für viele Unternehmen der Branche, zeigte die große Beteiligung an der offiziellen und den parallel von der europäischen Unternehmer-Vereinigung #honkforhope angesetzten Sternfahrten und Konvois in Berlin und einigen anderen deutschen Städten am 27. Mai – der nächste Aufschlag war schon für den 17. Juni angesetzt. Man darf gespannt sein, ob sich das Bild künftig geschlossener darstellen wird als bisher. #Honkforhope und der bdo hatten sich zunächst nämlich scharfe Auseinandersetzungen mit "Krawall"-Vorwürfen und Zahlenkriegen geliefert, die zuletzt sogar in offene Rücktrittsforderungen an die bdo-Spitze gipfelten. Trotzdem bleibt der quirlige Unternehmer-Verbund durchaus gesprächsbereit: Um "Grabenkämpfe aller Arten" zu verhindern, plant die Initiative laut Gründer Alexander Ehrlich aus Österreich eine "Allianz mit verwandten Branchen, die ebenso übersehen wurden wie wir." Man wolle nicht mehr hupend demonstrieren, sondern in diversen Kundgebungen erklären: "Gehört wurden wir, aber nicht verstanden." Um Verständnis werben, war auch das Ansinnen eines klagenden Briefes des bdo-Präsidenten an SPD-Finanzminister Olaf Scholz, mit dem der Verband kurz vor dem ersten Aktionstag am 27. Mai in Berlin nochmals eindringlich den Ernst der Lage unterstrich: "Was ich vor einem Monat befürchtet habe, ist nun eingetreten: Das Unternehmenssterben in der Bustouristik hat begonnen. Die ersten UnternehmerInnen haben Insolvenz anmelden müssen." Obwohl die strengen Insolvenzregeln ja derzeit aufgrund der Krise ausgesetzt sind, weiß der Vorsitzende der Gütegemeinschaft Buskomfort (gbk), Hermann Meyering, selbst von rund 20 Insolvenzen – und er schätzt, dass "in den nächsten Monaten der Hälfte der Branche die Insolvenz droht".

Alles Tagen und Werben half aber nichts: Das Wort Bus kommt im 15-seitigen Konjunkturpaket ebenso wenig vor wie die ausgehandelten Hilfsgelder. Lediglich im Rahmen der 25 Milliarden Euro, die für kleine und mittlere Unternehmen zwischen fünf und 250 Mitarbeitern vorgesehen sind, können Soforthilfen bis zu 150.000 Euro beantragt werden. Knackpunkt: die Deckelung bei 9.000 beziehungsweise 15.000 Euro (bei bis 5/bis 10 Mitarbeitern) kann nach Absatz A13 des heiß erwarteten Papiers nur in "begründeten Ausnahmefällen" nach oben durchbrochen werden – ohne nähere Definition. Eine größere "Watschn", um im Scheuer‘schen Idiom zu bleiben, hätten die Verbände kaum einfangen können. Die haben daher drei Tage nach dem großen Paket ihrerseits die "Bazooka" herausgeholt und den bereits angeknacksten Burgfrieden endgültig beendet.

Corona-Paket für die Busbranche unzureichend

Die drei Bus-Verbände, deren koordiniertes Vorgehen gbk-Chef Herrmann Meyering "einen Meilenstein der Verbandsgeschichte" nennt, bezeichnen das Konjunkturpaket denn auch als "vollkommen unzureichend". Die Überbrückungshilfen seien "zu niedrig und zeitlich zu kurz angesetzt", um das Fortbestehen der Betriebe zu sichern. Wenn jetzt nicht schnell echte Hilfe kommt, würden in der Bustouristik reihenweise die Lichter ausgehen. bdo-Verbandschefin Christiane Leonard sieht sogar die "gesamte Struktur des öffentlichen Personenverkehrs" massiven Schädigungen ausgesetzt, auch wenn sich der nicht gerade eng befreundete Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) mit den ausgelobten 2,5 Milliarden Euro an Hilfen zufrieden zeigt. Der durfte sich zudem noch über um 1,2 Milliarden Euro erhöhte Elektrobusmittel freuen. Deutschland – einig Mittelstandsland? Wie die Klagestrategie der Verbände nun genau aussieht, konnte das Verbändetrio noch nicht sagen. Es hieß lediglich, man wolle "eine Klage der Busbranche auf Schadenersatz für die Folgen des Fahrverbots anschieben".

Busmarkt 2019 und 2020
Branche in der Corona-Krise

Adressat kann der Bund in den wenigsten Fällen sein, denn er hätte die Notstandsgesetze aktivieren müssen, um direkt auf Länderebene durchgreifen zu können. Das hat er aber nicht getan, die Länder mussten selbst mit eigenen Verordnungen die Weisungen des Bundes umsetzen. Die Reisebusverbote seien jedoch in vielen Fällen nicht rechtmäßig erfolgt, wie der Düsseldorfer Fachanwalt für Verwaltungs- und Vergaberecht, Dr. Clemens Antweiler, in der "Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht" (NVwZ) Nr. 584 ausführlich dargelegt hat: "Besonders einschneidend für den Betroffenen sind die in den Rechtsverordnungen der Länder geregelten Betriebsuntersagungen. Nach rein virologischen Maßstäben mögen diese auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen. Allerdings halten sie einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Länder könnten deshalb schon bald mit ganz erheblichen Entschädigungsforderungen konfrontiert werden." Bei den Fahrverboten handelt es sich laut der Expertise um "unmittelbare Eingriffe in das durch Artikel 14 GG geschützte Eigentum der Betriebsinhaber, (…) die schließlich rechtswidrig sind". Und auch auf der politischen Ebene liefert Antweiler Munition: "Die Grundrechte stehen nicht unter einem allgemeinen Pandemievorbehalt. Auch das politische Postulat der Alternativlosigkeit macht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung bei schweren Grundrechtseingriffen nicht entbehrlich."

Starker Tobak! Und tatsächlich haben schon vor der Verbändeankündigung erste Unternehmen geklagt, sowohl auf Schadenersatz als auch auf Gleichbehandlung in Sachen Hygeniekonzepte, die sich in den Ländern grundlegend unterscheiden. So klagt Autobus Oberbayern mit dem Landesverband Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO) gegen das weitere Verbot von organisierten Gruppenreisen, gleich sieben rheinland-pfälzische Unternehmen gegen die ausnahmslose Maskenpflicht für Passagiere an Bord, die so nur von Mainz verordnet wurde. gbk-Präsident Meyering geißelt das Chaos scharf: "Um bundesweite Reisen durchführen zu können, brauchen wir dringend einheitliche Hygienekonzepte. Ansonsten muss der eine oder andere Unternehmer seine Passagiere in einen Flixbus setzen, denn die dürfen ja wieder fahren." Und zwar nach den geltenden ÖPNV-Hygieneregeln. Es dürfte also noch eine ganze Weile recht ruckelig und laut zugehen in der Branche.

Frische Luft im Bus gegen Corona-Viren

Foto: Irizar
Viele Hersteller bieten technsiche Lösungen an, um der Pandemie auch im Bus bestmöglich zuvorzukommen. Dreh- und Angelpunkt ist die Klimaanlage.

Auch für die Bustechnik ergeben sich mit der Coronapandemie einige Herausforderungen. Eine der einfachsten Maßnahmen der Hersteller sind geeignete Plexiglas-Abtrennungen für die Fahrerkabine, zuletzt hat zum Beispiel Daimler dies auch für seine Überlandmodelle ins Programm genommen. Irizar stellte sogar unlängst solche Scheiben für die einzelnen Reisebussitze vor, die alle gesetzliche Regelungen inklusive Energieaufnahme bei einem Crash erfüllen sollen. Eine weitere Waffe im High-Tech-Arsenal der Basken ist eine Kamera mit Gesichtserkennung und Fiebermessung direkt am Eingang. Hat der Passagier eine zu hohe Temperatur oder trägt er keine Gesichtsmaske, wird ein Alarm ausgelöst. Auch eine automatische, chemische Desinfektionsanlage, die mit einem Nebel innerhalb von 30 Minuten den ganzen Bus desinfiziert, ist im Angebot. Dagegen wirken antibakterielle Beschichtungen für Haltestangen geradezu wie Fingerübungen. Trickreicher wird es schon beim Thema Klimaanlagen, auch wenn aerosole Übertragungswege über die Luft laut dem Hallenser Epidemiologen Alexander Kekulé ein überschaubares Risiko darstellen. Trotzdem warnt letzterer dringend vorm wirtschaftlich getriebenen Flixbus-Konzept ohne den erforderlichen Abstand („Flixbus nur auf eigene Gefahr“, Podcast Nr. 60). Entwarnung gibt jedoch MAN-Experte Heinz Kiess: „Theoretisch ausschließen lässt sich eine mögliche Ansteckung mit dem Coronavirus über die Klimaanlage im Bus nicht – aber wir schätzen dieses Risiko als sehr gering ein.“ Die Klimaanlage solle möglichst nur im Frischluftmodus und ohne die Umluftfunktion genutzt werden, auch wenn die Anlage konzeptbedingt nicht immer mit 100 Prozent Außenluft betrieben werden kann. „Bei Bussen mit Servicesets empfehlen wir, diese vor Fahrtantritt zu schließen, um das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste weiter zu steigern.“

Meinung des Testredakteurs Thorsten Wagner

MAN Lions City GL CNG Erdgas Foto: Thomas Küppers
Testredakteur Thorsten Wagner

"Trouble hoch drei! Die Branche steht gleich vor drei massiven Herausforderungen: das schiere Überleben, die Entwicklung sinnvoller und einheitlicher Hygieneregeln und last but not least das Wiedergewinnen des Kundenvertrauens, das nötig ist, damit sich diese wieder entspannt in den Reisebus setzen. Um dies zu erreichen, gilt es, alle Kräfte und Initiativen zu bündeln und einen runden Bus-Tisch zu starten, um der Politik die Bedeutung der Branche für Staat und Gesellschaft zu verdeutlichen. Ganz wichtig dabei: Es muss immer um das Wohl des Kunden gehen, das muss oberste Priorität haben. Denn was nutzen alle Millionenhilfen, wenn der kein Vertrauen mehr in die Branche hat?"

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 06 Titel
lastauto omnibus 6 / 2020
20. Juni 2020
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