BusBlog zum Busspur-Jubiläum Landeshauptstadt voll auf der Spur

Foto: ESWE Verkehr Wiesbaden, Thorsten Wagner
Meinung

Am 1. September begeht die hessische Hauptstadt Wiesbaden einen ganz besonderen Jahrestag, wenn auch etwas im Verborgenen: Vor 50 Jahren hatte der 2016 verstorbene, in verkehrlichen Dingen beinahe legendäre Diplom-Ingenieur Rolf-Werner Schaaff, damals Leiter des Amts für Verkehrswesen, noch ohne eine entsprechende rechtliche Grundlage die erste Busspur Deutschlands erfunden. Heute verfügt Wiesbaden über 50 Busspuren auf einer Länge von rund 50 Kilometern überall in der Stadt. Ist somit also bustechnisch alles in der Spur in Wiesbaden?

„Pioniere bewegen sich manchmal auch im rechtsfreien Raum: Formjuristisch war die Einrichtung der deutschlandweit ersten Busspur in Wiesbaden 1968 mangels Rechtsgrundlage nicht abgesichert,“ so vermeldet die ESWE, das Verkehrsunternehmen der Hauptstadt mit der Lilie im Wappen, beinahe schon gewagt per Pressemeldung. Immerhin, das Land Hessen führt den 1. September im Internet sogar als offiziellen Gedenktag der Busspur. Ehre, wem Ehre gebührt! Bis zum 1. März 1970 dauerte es dann aber noch, bis eine Novellierung der Straßenverkehrsordnung, eine Einführung von Busfahrstreifen offiziell legalisierte. Im gleichen Jahr wagte es auch (West-)Berlin, den „großen Gelben“ (damals noch von der Waggon-Union gebaut) Vorrang einzuräumen.

Wiesbaden stellte 1929 schon auf Busverkehr um

„Heute sind unsere Busspuren ein wesentliches Instrument, um gerade im Innenstadtbereich den pünktlichen Busverkehr zu garantieren“, sagt Jörg Gerhard, Geschäftsführer von ESWE Verkehr. Nicht immer ist es aber der Busverkehr, der hier in Wiesbaden schon 1929 die Straßenbahn ersetzte (Wikipedia meint zu wissen, es sei die erste Stadt weltweit gewesen, diesen revolutionären Schritt zu tun – nichtsdestrotrotz investiert die Stadt demnächst Steuer-Millionen für die neue Stadtbahn von der ewigen Konkurrentin Mainz bis zur Rhein-Main-Hochschule – so kann es gehen!), zuweilen erdreistet sich auch der junge Bürgermeister der Stadt, Sven Gerich (SPD), mit seinem Dienstwagen den „Sonderfahrstreifen“ zu nutzen, um zu dringenden Terminen zu kommen – wie der Wiesbadener Kurier im Januar dieses Jahres enthüllte und Stadt-Sprecher Ralf Munser dem Nachrichtenportal „hessenschau.de“ höchstselbst bestätigte. Andere hessische OBs nutzen dagegen schön brav wie Otto-Normalbürger die staugeplagten MIV-Spuren, so die wegweisende Recherche der Kollegen. Ob Herr Gerich die Busspur auch nutzte, um rechtzeitig zur schwulen Doppelhochzeit in den Weinbergen des Rheingaus, die er mit seinem Vater unlängst ausrichtete, zu kommen, weiß nicht mal das Lokalblatt zu berichten – immerhin, der Mann kümmert sich nicht um Konventionen. So wie der Vater der Busspur Schaaff. Der „Schaaffsche Gesamtverkehrsplan“ traf mit einer Reihe anderer Inhalte freilich auf erbitterten Widerstand der Wiesbadener: Die Hochstraßen über Bahnhofsvorplatz und Kurpark wurden nie realisiert. Gottseidank, möchte man ausrufen. Das ehrwürdige Wiesbaden sähe dann aus wie jedes x-beliebige deutsche Mittelzentrum.

Aber zurück zu den realen historischen Dimension des Ereignisses – Entschuldigung, Gedenktages: „Zunächst mit viel Skepsis, Ablehnung und juristischen Auseinandersetzungen konfrontiert, konnte der Leitende Baudirektor aber schon nach kurzer Zeit Delegationen aus dem In- und Ausland empfangen, um seine Errungenschaft zu zeigen – sogar Japaner interessierten sich für die revolutionäre Idee. Denn schon damals verschärfte der zunehmende Individualverkehr die Situation des Linienverkehrs.“ Von Wiesbaden in die Welt, ein Exportgut von globaler Bedeutung! Interessierte Japaner im Stadtbus statt urlaubende Chinesen im Incoming-Reisebus. Man stelle sich vor, Citaro und Co. (ja genau, Wiesbaden ist immer noch ein klassischer „Daimler-Stall“) müssten sich zur Rushhour zusammen mit Taxis, SUV und ein paar vereinzelten Tesla noch durch den Verkehr schieben. Unfassbar!

Elektroautos als finaler Angriff auf die Busspuren?

Teslas? Ja genau, da war doch was! Der finale Angriff auf die busaffine „Sonderfahrspur“, der seit 2015 eingeleitet wurde: Elektroautos dürfen nunmehr laut des neuen Elektromobilitätsgesetzes (EmoG) den Großgefäßen mit 18 bis 28 Tonnen zGG ihren Vorrang streitig machen. Zum Glück bedarf es dazu das Plazet der jeweiligen Kommune. Diesen Schritt hat das verkehrsrevolutionäre Wiesbaden bisher noch nicht gewagt. Immerhin, bei derzeit zugelassenen rund 25.000 Elektrofahrzeugen in Deutschland dürften die Querschüsse sich auf den Busspuren noch eine Weile im Rahmen halten. Ob Herr Gerich und seine beamteten Kollegen dann vielleicht mit Elektroautos bald legal auf der Busspur unterwegs sein können?

Bis die Wiesbadener Busspuren aber von Elektrobussen genutzt werden, dürfte es noch ein wenig dauern – auch die zweite Ausschreibung für den extrem ehrgeizigen Plan, die gesamte Flotte von heute rund 245 Bussen in rund drei Jahren auf Elektroantrieb umzustellen, wurde nochmal auf Eis gelegt. Bisher hat sich das lokale Verkehrsunternehmen nicht gerade durch eine überbordende Innovationswilligkeit in Sachen Alternative Antriebe hervorgetan – kein Gas, kein Hybrid, Elektro bisher völlige Fehlanzeige. Die Einführung der ersten Euro 6-Busse 2014 wurde dagegen als quasi-revolutionärer Akt gefeiert – Daimler bedankte sich mit einer legendären „Record-Run“-PR-Kampagne in Sachen Kraftstoffeinsparung der neuen BlueTec-Motoren. Kann man machen. Stuttgart oder Hamburg waren damals schon lange Wasserstoff-Hauptstädte. Und Busspuren hatten die damals auch schon.... Ehre, wem Ehre gebührt!

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