BusBlog Die Lehre aus Busunfällen

Foto: Daimler AG
Meinung

Busunfälle sind zum Glück selten. Doch wenn sie passieren, dann leider oft mit schwerwiegenden Folgen für die Fahrzeuginsassen. Aus den vergangenen Vorfällen sollte man aber keine vorschnellen Urteile fällen, sondern wichtige Lehren ziehen.

Alle Jahre wieder kommt es zu erkennbaren Häufungen von Busunfällen, obwohl der Bus gemäß allen offiziellen Statistiken eines der sichersten, wenn nicht gar das sicherste Verkehrsmittel ist. In solchen „schlimmen Jahren" steigt die Zahl der Getöteten auf mehr als 20 an. Ansonsten bewegt sie sich meistens unter zehn, wie Zahlen des statistischen Bundesamtes Destatis belegen.

Das aktuellste dieser erkennbaren Zusammentreffen unglücklicher Umstände liest sich bei dpa zum Beispiel so: „Busreisen gelten als sicher und sind populär bei Schul- und Jugendgruppen. Ab und zu kommt es dennoch zu Unfällen. So verunglückte im Juli ein Bus mit Jugendlichen aus Dresden in Rimini in Italien. Der Doppeldeckerbus rammte mit dem Dach eine Unterführung, aber es wurde niemand ernsthaft verletzt. Im Juni 2016 kamen 41 Schüler aus dem Saarland in Lyon in Frankreich mit dem Schrecken davon, als ihr Bus von der Straße abkam und umstürzte. Im Juli 2015 wurden in Südtirol 17 Jugendliche auf Klassenfahrt aus Bremerhaven bei einem Unfall verletzt."

Überraschenderweise vergaßen die dpa-Kollegen den Unfall 2017 auf der A 9 mit 18 Toten und einem verheerenden Brandszenario, bei dem Fragen zum Verbau von Batterien in der Nähe von Dieseltanks aufkamen, die aber bis heute weitgehend unbeantwortet blieben.

Das menschliche Leid darf niemanden unberührt lassen

Und da ist es: das tiefsitzende Unbehagen des Redakteurs, der zwar trefflich über Bustechnik und Sicherheit schreibt, aber gerade dann unbeteiligt ist, wenn es um großes Leid oder gar den Tod von Menschen geht, die gerade noch fröhlich eine Reise unternahmen. Aber es hilft nichts. Um in Zukunft noch die wenigen Unfälle zu vermeiden, die mit Bussen passieren, ist es unabdingbar, eine neutrale Sicht einzunehmen. Nur das erlaubt die nüchterne Analyse dessen, was schiefgelaufen sein könnte oder welche Sicherheitsmaßnahmen die Katastrophe hätte verhindern können. Und bei aller Beschäftigung mit dem Thema wächst stetig die Demut des Technik-Journalisten.

Unfall im Tessin erinnert an das Tunnelunglück in der Schweiz 2012

Und nun kommen noch die aktuellen Bilder aus Italien hinzu. Zu sehen ist darauf ein MAN Lion's Coach-Dreiachser, dessen Vorderwagen völlig zerstört ist. Schuld daran war ein Frontalaufprall auf den Stahlträger einer Schilderbrücke. Und das auch noch mit einer 50 Prozent Überdeckung auf der Fahrerseite – das ist der schlimmste Fall, der eintreten kann. Es ist mir unverständlich, warum solche massiven Hindernisse nicht durch Leitplanken abgedeckt sind.

Ähnlich Tragisches spielte sich bereits 2012 in einem Tunnel bei Siders im Wallis ab. Hier prallte ein Van Hool auf die ungeschützte Betonkante einer Rettungsbucht – 22 Kinder und 6 Erwachsene starben dabei. Oft gibt es aber auch nach unzähligen Gutachten und Untersuchungen keine einfache oder gar befriedigende Erklärung solcher Katastrophen, so auch 2012 beim Tunnelcrash. Die Kollegen der Tageszeitung Welt resümieren: „Ein Blumenmeer steht an der grünen Wand im Tunnel der A 9. Familien, Hinterbliebene, Verwandte knien davor. Manchmal scheint es, als wäre nicht nur der Bus, sondern auch jede Suche nach der Ursache des Unfalls an dieser Mauer zerschellt."

Viel ist noch nicht bekannt über den Unfallhergang. So liest es sich nüchtern bei dpa: „Der Unfall geschah auf der Autobahn A 2 in der Nähe von Sigirino im Kanton Tessin nahe des Sees Lago Maggiore, vor dem Ceneri-Tunnel. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei prallte der Bus auf einen Pfosten." Auf den Fotos ist der Pfosten einer Verkehrsschildanlage zu sehen, die über die gesamte Breite der Autobahn gebaut ist. „Der Pfosten hat den Bus bis hinter die Fahrerkabine aufgerissen. Der Bus kam aufrecht in Fahrtrichtung zum Stehen. Über den genauen Unfallhergang und die Ursache konnte die Polizei zunächst keine Angaben machen. Die Ermittlungen zur Unglücksursache liefen."

Alles völlig korrekt und doch zu spät

Dabei könnte man es nun dabei belassen und die Gutachter ihre Arbeit machen lassen. Als mit der Materie täglich befasster Bustester läuft allerdings sofort eine unweigerliche Analyse von Marke, Modell, Baujahr, Sicherheitsstand etc. ab, deren Mischung im Zweifel wesentlich über den Ausgang eines Unfalls mitentscheiden kann. Auf der A 2 hätte 2017 ein Notbremsassistent den Aufprall auf den Lkw-Trailer sehr wahrscheinlich zumindest deutlich vermindern können – das Fahrzeug war aber einfach ein paar Jahre zu alt. VDL hat das System erst pünktlich zur gesetzlichen Verpflichtung Ende 2015 eingeführt. Alles völlig korrekt also. Zutiefst tragisch ist es trotzdem.

Häufig wird eine große Chance für die Sicherheit einfach vertan

Nun kann man argumentieren, wenn ein Bus fast ungebremst auf einen Stahlpfosten rast, kann kein System der Welt etwas dagegen ausrichten, und einen Spurwarner sollte auch dieser MAN schon an Bord gehabt haben. Ob ein massiver Unterfahrschutz oder gar Frontalaufprallschutz wie Daimlers FCG etwas bewirkt hätte, kann man nur mutmaßen. Er wäre mit Sicherheit bei vielen Crashs vorteilhaft, wie auch in unserem Reisebus-Vergleichstest IBC in Heft 9/2018 wieder angeklungen ist und was zu deutlichen Punktabzügen für den MAN geführt hat. Hier wurde trotz neuem Design und der Anpassung auf die neue Umsturzrichtlinie ECE R 66.02 eine echte Chance vertan, um die Sicherheit weiter voranzubringen.

Elektronische Aufmerksamkeitsassistenten gehören in jeden Bus

Ein anderer Punkt könnte hier von höherer Relevanz sein, ohne dem Fahrer in irgendeiner Form eine unbewiesene Schuld geben zu wollen. Der Attention Guard, also der Aufmerksamkeitsassistent, sollte vom Status der Luxusoption zur Serien-Selbstverständlichkeit werden – zumal er gerade bei MAN sehr gut arbeitet und auch schon dann anspricht, wenn der Fahrer mit dem kleinen Touchscreen des Navigationssystems herumspielt und mehr als einmal die Fahrbahnbegrenzungen touchiert.

Zudem gibt es von Zulieferern schon gute und nicht sehr teure Systeme, die man auch einfach nachrüsten kann. Hier sollte sich die Industrie markenübergreifend zusammentun, und einen neuen Standard setzen, um dem Gesetzgeber zur Verpflichtung zu ermutigen.

Es darf in naher Zukunft keine Rolle mehr spielen, in welchem Busmodell ich unterwegs bin: Die Sicherheit muss sich immer auf höchstem Niveau bewegen. Es geht schließlich um viele Menschenleben für die nicht nur der Fahrer, sondern auch der Hersteller in gewisser Weise verantwortlich ist. Das ist bisher leider nur ein frommer Wunsch. Aber wenn man sich viele Unfälle aus der neutralen Perspektive heraus ansieht, kann es gelingen, den Bus noch sicherer zu machen. Lohnend wäre es allemal, und das nicht nur in den schlimmen Jahren!

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