Bus-Blog zur CVD Stumpfes Damoklesschwert aus Brüssel?

Foto: Thorsten Wagner
Meinung

Die Clean Vehicles Directive (CVD) der EU soll ab August europaweit angewendet werden – hierzulande ist sie aber noch gar nicht in nationales Recht umgesetzt. Ohne Förderung wird das kaum klappen. Eine Bestandsaufnahme.

Wenn es in einem Verbands-Politik-Talk in dem Moment still wird, in dem ein Staatssekretär über die Umsetzung von Gesetzen spricht, wird es spannend. Ist doch der meist angewendete Duktus eher der konzertierte Aufschrei von Präsidium und Geschäftsführung. Nicht so beim letzten Politik-Talk des bdo; des Bundesverbands der privaten, deutschen Busunternehmer. Hier gab der Parlamentarische Staatssekretär im BMVI, Enak Ferlemann, vor der von ihm gelobten „hochkompetenten Runde" auf Nachfrage mit hörbarer Verzögerung zu, man sei derzeit stark mit dem Personenförderungsgesetz (PBefG) und anderen Themen beschäftigt (gewesen). Die amtierende Regierung habe „derzeit nicht den Auftrag, die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages umzusetzen", auch reiche die Zeit von rund einem halben Jahr dafür einfach nicht mehr aus.

Stattdessen reicht er den Schwarzen Peter elegant weiter: „Dann wird es eine neue Regierung geben." Und die muss sich dann kümmern. Eine unfassbare Aussage eigentlich, da die Umsetzung der Richtlinie bereits im August 2021 ansteht, und sich sogar schon der Bundesrat eingelassen hat zum Gesetzentwurf des Hauses Scheuer von Mitte 2019. Aufschrei im digitalen Raum? Nein, stattdessen vielsagende Stille.

Der ÖPNV trägt die größte Belastung

Worum geht es konkret? Die Richtlinie 2009/33/EG über die „Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge sowie zur Änderung vergaberechtlicher Vorschriften" sieht vor, dass öffentlich bezuschusste Fahrzeuge ab 2021 bestimmte Quoten bei Beschaffung und auch bei der neuen Konzessionsvergabe (!) erfüllen müssen, was saubere (Erdgas, Plug-in-Hybride, Alternative Kraftstoffe ohne fossile Beimischungen) beziehungsweise völlig emissionsfreie Fahrzeuge (Batterie-, Wasserstoff-, Oberleitungs-Busse mit unter 1 Gramm CO2-Ausstoß - Tank to Wheel) betrifft. Diese Quote beläuft sich im „Referenzzeitraum" von 2021 bis 2025 auf 45 beziehungsweise 22,5 Prozent, von 2026 bis 2030 dann sogar auf 65 respektive 32,5 Prozent.

Angerechnet werden nur Fahrzeuge, die bis August 2021 noch nicht ausgeschrieben wurden, was den gerade stattfindenden Hochlauf der Elektromobilität noch etwas spannender gestalten dürfte als ohnehin. Dass die entsprechenden Quoten für öffentlich zu beschaffende Lkw nur 10/15 Prozent betragen, sei verwundert nur am Rande erwähnt und lässt den besonderen Fokus der Diskussion im ÖPNV verstehen. Zumal die privaten Unternehmer nicht auf die Finanz-Reserven der großen ÖPNV-Riesen zurückgreifen können.

Der kleine Busunternehmer, der auch noch auf den vermeintlich spannenderen Reiseverkehr gesetzt hatte, muss hart um jeden Euro an Hilfsmitteln kämpfen, um seine Existenz und seine Mann-/Frauschaft zu sichern. Und die wirklich interessanten staatlichen Fördermittel für moderne, umweltfreundliche Busse werden bisher nur für kleine Flotten ab zehn Fahrzeuge ausgeschüttet. Da kann man schon verstehen, dass bdo-Präsident Hülsmann düster konstatiert, die Privaten wollten wohl investieren, aber „sie müssen es schlichtweg auch können". Daher kommt dem Verband eine Quote für alle Beschaffungen und neue Konzessionen alles andere als zu Passe, weil das die ohnehin knappen Mittel nochmal binden würde.

Zusammen mit dem VDV und den Ländern („außer Baden-Württemberg", so der bdo) fordert man stattdessen eine nur nationale Umsetzung der Quoten im Sinne einer „nationalen Selbstverpflichtung". Ein anderes stumpfes Schwert der internationalen Klimapolitik. Der VDV unterstützt diese nationale Quote als „absolut unumgänglich, um Investitionen gegeneinander verrechnen zu können," so Technik-Geschäftsführer Martin Schmitz auf der digitalen Elekbu-Konferenz. Ob sie denn wirklich so komme, sei aber noch nicht sicher, man befinde sich derzeit auf einem Zwischenstand der parlamentarischen Einigung. Sehr löblich erwähnt Schmitz den Ansatz des Bundesrates in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf vom 19. Februar, die CVD in das Klimaschutzgesetz einzubinden, und somit auch nachhaltig zu überwachen. Auch Cem Özdemir, grüner Vorsitzender des Verkehrsausschusses, kann sich durchaus vorstellen, „punktuelle Übererfüllungen der Quoten zumindest teilweise auf andere Beschaffungen anzurechnen." Das Prozedere müsse aber „rechtssicher und praktikabel sein", wenn man die „Mammutaufgabe" der Elektrifizierung der Busflotte erfolgreich wuppen wolle. Der Bundesrat moniert in seiner Stellungnahme generell, dass die Richtlinie „große Gestaltungsspielräume lässt." So werde der „Rahmen der Ausnahmemöglichkeiten bei den in die Quoten einzubeziehenden Fahrzeugen vollständig ausgeschöpft."

Neue Elektrobusförderung steht unmittelbar bevor

Kann all das aber reichen, um die Klimaziele der Bundesrepublik für 2030 und 2050 zu unterstützen? Der aktuelle Ebus-Radar von der Unternehmensberatung PwC konstatiert, wenn auch im Vortrag etwas abgemildert wurde: „Bis zum Jahr 2030 sind derzeit Planungen für die Anschaffung von 4.786 elektrisch angetriebene Bussen bekannt. Die Beschaffungsquoten erfüllen damit aber ab 2026 noch nicht die verbindlichen Vorgaben der Clean Vehicles Directive." Zumal sich auch nach den Worten von Daimler Buses Chef Till Oberwörder der Stadtbusmarkt langsam, aber merklich abkühlt.

Unweigerliche Schlussfolgerung der Experten, die auch Unternehmen in dieser Hinsicht beraten: „Infolgedessen sollten Verkehrsunternehmen eine Elektrifizierungsstrategie erstellen." Die Konzeptentwicklung oder Machbarkeitsstudien werden im Rahmen der „Förderrichtlinie Elektromobilität" ebenfalls gefördert, wie Dr. Tamara Zieschang auf dem 12. Elekbu Kongress des VDV (digital) erklärt hat. Insgesamt stünden mit der für das 2. Quartal erwarteten neuen Elektrobusförderung rund 1,255 Mrd. Euro an Fördermitteln zur Verfügung. Erste Leitplanken zur neuen Ebusförderung zeichnen sich bereits ab: Förderung aller Technologien inkl. Wasserstoff und Gas bis zu 80 Prozent ab dem ersten Fahrzeug; zudem wird auch fahrzeugunabhängig die Infrastruktur vorab gefördert, deren Erstellung nach VDV Angaben bis zu drei Jahre in Anspruch nehmen kann.

Die Vorlage für die Förderung habe seit Juli 2020 in Brüssel zur Notifizierung gelegen, Corona habe sein übriges getan zur Verzögerung. Die zeitgleich mit dem Elekbu-Kongress veröffentlichte deutsche Klimabilanz zeigt zwar, dass 2020 die CO2-Ziele mit 11 Prozent übererfüllt wurden – und das auch im sonst eher säumigen Verkehrssektor. Das sei aber auch und gerade wegen der Pandemie der Fall, wie Cem Özdemir auf der Elekbu Konferenz betont. „Es braucht strukturelle Änderungen im Verkehrsbereich, es braucht die Verkehrswende," sagt er. „Und das heißt, keine Verbote sondern den Menschen attraktive, klimafreundliche Alternativen zum eigenen Auto anbieten. Es ist kein Naturgesetz, dass man auf dem Land ohne Auto bisher aufgeschmissen ist." Man darf nur hoffen, das dies auch auf den Busverkehr auf dem Land zutreffen wird und nicht zum Privileg der Großstädte verkommt.

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