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BTK-Chef Bernhard Reichert im Porträt Sinnvolle Auszeit vom Job

Bernhard reichert BTK Claudia Rieger Bayersiches Rotes Kreuz Foto: Ilona Jüngst

Vom Chefsessel in den Fahrersitz: Bernhard Reichert, Chef des Logistikdienstleisters BTK, unterstützt die Tafel Rosenheim einmal in der Woche als Fahrer.

Prüfend geht der Blick von Bernhard Reichert über den Ford Transit, den eine Beschriftung als "Glücksbringer" auszeichnet. Lackschäden und kleine Roststellen sind zu sehen, typisch für ein Auto, das von vielen verschiedenen Personen gefahren wird. "Wo sind die Anti-Rutsch-Matten?", fragt Reichert. Dabei ist der Geschäftsführer des Rosenheimer Logistikdienstleisters BTK heute privat unterwegs: für die Tafel in Raubling.

Jeden Freitag übernimmt er für den Verein eine Tour und holt mit dem Kühlfahrzeug Lebensmittel bei fünf Abholstellen im benachbarten Rosenheim ab. Jeweils kurz vor acht Uhr startet er, immer mit einem weiteren freiwilligen Helfer an Bord. Ihr Ziel: Discounter und Supermärkte, die die Tafel unterstützen, indem sie Lebensmittel stiften, die wegen des Mindesthaltbarkeitsdatums oder wegen kleinerer Macken im Handel nicht mehr verkäuflich wären.

750 Kilogramm ausladen

Vor allem Obst und Gemüse sowie Molkereiprodukte laden Reichert und sein Tafel-Kollege in ihr Fahrzeug ein. 500 bis 750 Kilogramm, so schätzt er, kommen bei jeder Tour zusammen, die händisch in den Transit verladen werden. Zusammen mit den unzähligen Schritten ergibt das jeden Freitag ein veritables Fitnessprogramm. Das ist aber nicht der Grund für Reicherts Engagement: "Ich sehe einfach, wie sinnvoll die Arbeit ist, die die Tafel macht", sagt er. Rund 64 Haushalte unterstützen die 23 Ehrenamtlichen der Tafel mit ihrer Arbeit; insgesamt 105 bedürftige Personen. Diese müssen einen Einkommensnachweis vorlegen, um einen Tafel-Ausweis zu erhalten. Mit dem können sie freitags ab 12.30 Uhr in den Räumen der Raublinger Tafel einkaufen, für einen symbolischen Obolus von 50 Cent. Blumenkohl, Joghurt, Bananen, Brot – alles, was von Reichert und den anderen ehrenamtlichen Fahrern an Spenden eingesammelt und von den weiteren Freiwilligen kontrolliert und entpackt wurde, gibt es im Laden zu kaufen. "Sehr viele unserer Kunden sind Rentnerinnen, die mit einer sehr kleinen Witwenrente über die Runden kommen müssen, aber auch Familien mit vielen Kindern, Hartz-IV-Empfänger und Flüchtlinge", sagt Claudia Rieger vom Bayerischen Roten Kreuz, die für die Tafel verantwortlich ist.

Mit Geldspenden geholfen

Einige der Kunden, die in der ländlichen Region rund um Rosenheim leben, aber nicht zur Tafel gelangen – wegen körperlicher Gebrechen oder weil es keine ÖPNV-Anbindung gibt –, werden auch direkt beliefert. Die Mehrzweckboxen dafür hat die Raublinger Tafel dank einer großzügigen Spende von BTK anschaffen können. "Die BTK unterstützt uns seit mehr als zehn Jahren", sagt Rieger. Mit den Spenden von BTK und anderen Firmen werden notwendige Anschaffungen außer der Reihe bezahlt – etwa Reparaturmaßnahmen an den Tafel-Fahrzeugen. Auch die großen, mobilen Edelstahltische, auf denen die Waren kontrolliert und vorsortiert werden, entstammen einer Geldspende des Logistikdienstleisters, der dafür auf Weihnachtsgeschenke für Geschäftskunden verzichtet. Bei einer dieser Spendenübergaben erfuhr Reichert von den Problemen, freiwillige Helfer zu finden. Spontan verpflichtete er sich, als Fahrer auszuhelfen. Seitdem ist der Freitagvormittag des BTK-Geschäftsführers für die Tafel reserviert. "Wenn ich mir in meiner Position nicht an einem Tag zwischen acht und zehn Uhr für so etwas Wichtiges Zeit nehmen kann – dann wären wir ja schon weit gekommen", sagt er. Gleichwohl stoße es immer noch auf Unverständnis, dass ein Geschäftsführer als Fahrer aushelfe. Denn zu tun hat er eigentlich genug: Seit 1999 leitet er mit seinem Kollegen Franz Weiß als geschäftsführender Gesellschafter die Geschicke der BTK in Rosenheim, seit 2010 ist auch Josef Heiß als Geschäftsführer an Bord. Das Unternehmen hat heute 250 Mitarbeiter und 150 Sattelzugmaschinen und betreibt inzwischen neben dem Transport die Logistik als weiteres Standbein.

Firma übernommen

Gelernt hatte Reichert ursprünglich bei Schenker in Rosenheim. Der Speditionskaufmann und Verkehrsfachwirt wechselte 1987 zur BTK, einem Tochterunternehmen des Papierherstellers PWA. Dort sammelte er wie zuvor bei Schenker in zahlreichen Niederlassungen und Bereichen Erfahrung – im Vertrieb ebenso wie in der Operative. 1999 dann übernahm der schwedische SCA-Konzern PWA und stieß, abgesehen von den Kerngeschäften, alle weiteren Geschäftsbereiche ab. Reichert, Weiß und zwei weitere Kollegen nutzten die Chance zu einem Management-Buy-out."Von der Konzernspedition zum Transport- und Logistikdienstleister am freien Markt – wir haben das Geschäftsmodell komplett verändert", sagt Reichert heute. Geklappt habe dies auch nur mit der Unterstützung der Mitarbeiter, von denen viele das Unternehmen auch vorangetrieben hätten. Ebenso wichtig war es Reichert, Kundenkontakte aufzubauen und zu vertiefen. Ohne das Persönliche gehe es schließlich nicht: "Wichtig ist das Vertrauen in die Person und die Leistungsfähigkeit", sagt er mit Bestimmtheit. Wie sehr ihm Menschen am Herzen liegen, zeigt sich auch bei seinem Engagement für die Tafel – Reichert ist mit allen per Du, es wird viel gelacht. "Die Stimmung der Ehrenamtlichen ist super", sagt er. Man merkt, dass Reichert für seine Zeit, die er zur Verfügung stellt, auch viel zurückbekommt.

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