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Private Briefdienstleister im Kommen Der liberalisierte Briefmarkt wächst langsam

Foto: PIN Mail

Der deutsche Briefmarkt ist seit zehn Jahren liberalisiert. Das ist zwar noch keine lange Zeit, doch die privaten Anbieter holen auf. Längere Zeit lag ihr Anteil laut den Erhebungen der Bundesnetzagentur bei rund 12 Prozent. Mittlerweile beträgt er etwa 16 Prozent.

"Vor allem Briefdienste, die ihre regionalen Märkte intensiv bearbeitet haben, können durch überregionale Mengen weiter wachsen", sagt Thomas Heidinger, Leiter Neue Geschäftsfelder bei Biberpost in Magdeburg. Der private Briefmarkt wird sich weiterhin positiv entwickeln. "Dabei ist durchaus noch Luft nach oben", fügt Dr. Rüdiger Gottschalk, CEO Postcon Deutschland, hinzu. Mittelfristig sehe er ein Potenzial für 20 bis 25 Prozent Marktanteil für die Alternativen. "Zum Vorteil der Kunden. Denn mehr Wettbewerb bedeutet eine größere Angebotsvielfalt und neue, zum Teil bessere Leistungen", sagt er. So seien nicht zuletzt die Portokosten für Geschäftskunden in den vergangenen Jahren um fast 20 Prozent gesunken.

Für die Zukunft gerüstet

Der Marktanteil der privaten Briefdienstleister wächst jedoch nach wie vor nur sehr langsam. "Wir sind immer noch weit davon entfernt, von funktionierendem Wettbewerb in der Branche zu sprechen", ergänzt Thomas ­Reiter, Geschäftsführer von Südmail. Die Briefdienste hätten in den zurückliegenden Jahren in Prozesse, Logis­tik, Maschinen, EDV und Qualität investiert und sich dadurch wettbewerbsfähig aufgestellt sowie für eine erfolgreiche Zukunft gerüstet.

Wachstumspotenziale sieht Reiter von Südmail zunächst überall dort, wo es die privaten Briefdienstleister schaffen, durch besseren Service und individuellere Dienstleistungen auf Kundenbedürfnisse einzugehen und sich dadurch klar vom Marktführer abzugrenzen. Große Chancen seien auch mit der Digitalisierung verbunden. So werden durch E-Commerce noch mehr Waren versendet werden und die Auslagerung von Druck- und Kuvertierprozessen wird in den nächsten Jahren deutlich an Fahrt aufnehmen. "Wie schnell die Verlagerung vom hybriden zum digitalen Versand stattfinden wird, entscheidet allein der Markt – die Lösungen hierfür stehen jedoch bereit", sagt er.

Hybridanbieter im Kommen

Das bestätigt Oliver Fischer, Geschäftsführer von Letterxpress: "Wir übernehmen Briefvolumen von kleinen und mittleren Unternehmen und entwickeln ständig neue und vereinfachte Verfahrensweisen, damit der Kunde uns die bisher intern produzierten Briefe übergeben kann." Neben Letterxpress hat sich auch Onlinebrief24.de als Hybridbriefanbieter in Deutschland etabliert. "Wir sind das Wachstumspotenzial alternativer Briefdienste", sagt Thorsten Wilhelm, Produktmanager und Prokurist von Onlinebrief24.de. Sein Unternehmen verstehe sich als digitaler Briefkasten, der auch privaten Briefdiensten Kooperationsmöglichkeiten biete.

Auch Postcon-Chef Gottschalk ist überzeugt, dass kein Unternehmen am Thema Digitalisierung vorbei komme. "Wir beobachten die Transformation sehr genau", betont er. Allerdings zeige der Blick auf den Briefmarkt, dass digitale Alternativen wie Whatsapp oder E-Mails nicht immer erste Wahl sind, wenn es um die Informationsvermittlung geht. Vieles werde weiterhin auf dem klassischen Postweg versandt: Rechnungen, Verträge, Werbebriefe oder Kataloge zum Beispiel. "Aufgrund des hohen Anteils an Geschäftspost liegt die Briefmenge in Deutschland daher auch relativ konstant bei rund 16 Milliarden Sendungen im Jahr", fügt er hinzu.

Kunden sind wechselbereit

Davon befördere Postcon als Spezialist für Geschäftspost alleine jährlich mehr als eine Milliarde adressierter Briefsendungen, "weil wir mit Wettbewerbsvorteilen wie günstigen Portopreisen oder attraktiveren Leistungen unsere Stärken ausspielen", sagt Gottschalk. "Die hohe Wechselbereitschaft kommt uns dabei entgegen: Neun von zehn Befragten können sich vorstellen, den Briefdienstleister zu wechseln, wenn das Angebot stimmt, wie eine Postcon Studie zeigt. Von einem Wechsel versprechen sie sich vor allem Kostenvorteile, erwarten zugleich Professionalität (78 Prozent) und Lösungsorientierung (74 Prozent)."

Roy Thelemann, Geschäftsführer der Mail & Parcel-Network, versteht sein Unternehmen längst nicht mehr nur als Briefdienst, sondern als Versanddienstleister. "Langfristiges Ziel muss es sein, dass wir für unsere Kunden der Partner sind, wenn es um das Thema Versand geht", sagt er. Dabei denke er neben Briefen und Paketen auch an taggleiche Lieferungen, Kreativ- sowie Druckdienstleistungen, Logistik und Palettenware.

Der Briefmarkt verändert sich. Diese Erfahrung hat auch Dr.  Axel Stirl, Vorstandsvorsitzender von PIN Mail, gemacht. Die digitale Substitution sei im Briefmarkt angekommen, auch wenn die Deutschen seinen Angaben zufolge an ihren Briefen hängen. Es gebe eine Akzeptanz für hybride Post. Das Vertrauen in die Technik und den Datenschutz sei da.

Wachstum durch Warensendungen

Stirl geht davon aus, dass nicht nur PIN Mail das ab 2018 deutlich in den Zahlen merken werde. Wachstumspotenzial sieht der Vorstandsvorsitzende aber auch bei Warensendungen wie Handyhüllen, Batterien, Ladekabel, CDs oder einzelnen T-Shirts, die per Brief befördert werden. "Zustellunternehmen haben sich auf die sogenannten Maxibriefe einzustellen", sagt er.

Und damit auch an gestiegene Servicelevel. So müsse beispielsweise die Zustellzeit – also etwa am nächsten Tag – zuverlässig eingehalten werden. Falls die Sendung zu groß ist, um in den Briefkasten zu passen, müsse der Zusteller sie anderweitig übergeben. "Eine zusätzliche Belastung", betont Stirl. PIN Mail arbeite beispielsweise mit Edeka zusammen, die die Warensendungen annehmen, und wo sie die Empfänger während der Geschäftszeiten abholen können. "Wir bieten unseren Kunden auch an, sich bei uns zu melden und den Brief abzuholen, oder, und dafür erheben wir eine Gebühr, ihnen den Brief in einem zweiten Zustellversuch zu bringen – am gleichen Tag, gerne aber auch zur Wunschzeit bis 22 Uhr", sagt Stirl.

Post erhöht versteckt Preise

Die jüngsten Rabattanpassungen der Deutschen Post kommentiert Stirl so: „Chapeau, da hat die Deutsche Post eine intelligente Variante gewählt, über Teilleistungsrabatte versteckt die Preise zu erhöhen.“ Das könne bloß ein Unternehmen mit Monopolstellung. Die Post sichere sich auf diesem Weg die Mengen der Großversender und lasse die Kleinen am Markt bluten. Wenngleich Stirl aber hier auch seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit im Datenschutz hegt.

"Hinzu kommt eine aggressive Preispolitik der Deutschen Post E-POST Solutions, einer hundertprozentigen Tochter der Deutschen Post", ergänzt Wilhelm von Onlinebrief24.de. Unabhängig von Sendungsvolumen hätten hier­über auch Versender kleiner Mengen Zugriff auf hohe Portorabatte, was den privaten Briefdiensten massiv den Zugang zu diesen Kunden erschwere. Eine Regulierung durch die Bundesnetzagentur sei in diesem Fall aufgrund fehlender rechtlicher Grundlagen aber nicht möglich.

Nachwuchs wird knapp

Ein großes Problem, das sämtliche Anbieter am Markt betrifft, ist die Verknappung an arbeits­fähi­gen und -willigen Mitarbeitern am ersten Arbeitsmarkt. "Es geht dabei nicht nur um gut ausgebildete Facharbeiter, sondern um alle Arbeitskräfte für das Lager oder die Zustellung", betont PIN  Mail-Vorstandsvorsitzender Axel Stirl. Der Trend werde die nächsten fünf, sechs Jahre anhalten. Es werde nicht mehr darauf ankommen, wer die meisten Sendungen, sondern wer die Mitarbeiter hat, die diese zustellen können. "Die Branche tut sich zunehmend schwer, geeignetes Personal zu finden", sagt er.

Dr. Walther Otremba, Vorsitzender des Bundesverbandes Briefdienste (bbd), plädiert für eine Reform des Postgesetzes

KEP aktuell: Herr Dr. Otremba, wie läuft es derzeit auf dem Briefmarkt?

Otremba: Die Marktentwicklung ist insgesamt zufriedenstellend. Zwar stagniert das Briefaufkommen insgesamt oder geht auch leicht zurück. Aufgrund der Gewinnsicherungspolitik des Marktführers Deutsche Post AG (DPAG) – dort beginnt die Verlustangst ja bei einem jährlichen Betriebsergebnis von mindestens einer Milliarde Euro für das Brief- und Endkunden-Paketgeschäft – können die Wettbewerber aber immer wieder wichtige Aufträge auf der Basis preislicher und qualitativer Wettbewerbsfähigkeit gewinnen.

Wie hoch ist der Anteil der privaten Anbieter?

Die einzige amtliche Markterhebung zum Briefmarkt stammt von der Bundesnetzagentur, und die weist für 2016 einen Marktanteil der privaten Unternehmen von reichlich 16 Prozent aus. Das ist ein gewisser Anstieg gegenüber den letzten Zahlen, jedoch immer noch weit von einer wettbewerblichen Marktstruktur entfernt.

Welche Chancen haben private Dienstleister mit welchen Produkten?

Die besten Chancen haben die Wettbewerber dann, wenn Briefdienstleistungen in transparenten und fairen Vergabeverfahren beauftragt werden. Dann gewinnt das bessere und kostengünstigere Angebot – und nicht derjenige, der schnell noch einen Sonderrabatt nachschiebt. Vor allem können die privaten Anbieter häufig mit maßgeschneiderten Angeboten punkten: Warum zum Beispiel soll ein Brief teuer und schnell befördert werden, wenn es dem Versender völlig reicht, wenn die Sendung nach zwei oder drei Tagen den Empfänger erreicht, dafür aber zu einem wesentlich günstigeren Preis?

Welche Nachteile haben Sie nach wie vor?

Die Größenvorteile der DPAG erreichen die Wettbewerber sicher nie – aber das können sie zu einem Teil durch größere Beweglichkeit ausgleichen. Was nach wie vor stört, ist die Umsatz­steuer­befrei­ung für den Universaldienst der DPAG, die diese nach wie vor beansprucht, obwohl alle Briefdienstleister zu dieser Infrastrukturaufgabe beitragen.

Die neue Bundesregierung geht bald an den Start. Welche Anliegen formuliert der bbd an sie?

Ich könnte ganz bescheiden sein und sagen: Zumindest keine weiteren Geschenke an die DPAG, die diese mit Sicherheit wieder im Bereich "weniger Regulierung" und mehr Vorteile für die Erbringung des Universaldienstes fordern wird. Aber wir wollen natürlich mehr, vor allem mehr an Transparenz durch eine Markttransparenzstelle wie im Energiebereich. Damit soll endlich Schluss sein mit getarnten Rabatten, mit denen die DPAG das Gebot unterläuft, alle Konditionen allen Marktteilnehmern in gleicher Weise anzubieten. Und im Übrigen ist eine weitgehende Übernahme der schärferen Regelungen des Telekommunikationsgesetzes in der Missbrauchskontrolle in das Postgesetz längst überfällig.

Ist das Postgesetz denn insgesamt noch zeitgemäß?

Das wird zurzeit unter zwei Aspekten diskutiert: Die einen meinen, die Briefpost sei nur noch ein kleiner werdender Teil eines großen Kommunikationsmarktes, der von den digitalen Medien dominiert werde. Die angeblich zu enge Marktabgrenzung und die angeblich scharfe Regulierung seien aus diesem Grund überholt. Wir sind der Ansicht, der Brief unterscheidet sich immer noch wesentlich von anderen Medien, und mögliche Überlappungsbereiche sind für die Briefkommunikation ohnehin schon verloren worden. Insofern fordern wir gleichfalls eine Reform des Postgesetzes – die sollte jedoch erst mal nachhaltigen Wettbewerb in der Brieflogistik ermöglichen, bevor man über Substitutionswettbewerb nachdenkt.

Werden Sie Ihre alte Forderung wiederholen, dass der Bund seine Anteile an der Post verkaufen soll? Warum?

Die Forderung, die von vielen erhoben wird, ist nach wie vor berechtigt. Der Spagat des Bundes, der einerseits die Wettbewerbsaufsicht über die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt ausübt und andererseits als Miteigentümer an den früheren Monopolunternehmen Post und Telekom Interesse an wenig Wettbewerb und hohen Gewinnausschüttungen hat, ist ungesund. Wenn es jetzt zum Verkauf käme und das Geld in die digitale Infrastruktur flösse, wäre das ein doppelter Gewinn.

Apropos Deutsche Post. Sie testet derzeit die Zustellung von Briefen an ein bis drei Tagen wöchentlich. Geht das nicht gegen das Gesetz?

Die Post geht da in der Tat einen für sie selbst gefährlichen Weg: Wenn das, was jetzt als Ex­pe­ri­ment kleingeredet wird, breiter angelegt wiederkommt, ist die Umsatzsteuerbefreiung für den Uni­ver­sal­dienst weg. Die Kan­ni­ba­li­sie­rung der Infrastrukturleistung „flächendeckender Universaldienst“ ist aber auch darüber hin­aus kurzsichtig. Jede Leis­tungs­ver­schlech­te­rung in der Postlogistik beschleunigt die Abwanderung in andere Kommunikationsmedien und zerstört so die "Milchkuh" der DPAG. Wir könn­ten natürlich ruhig zusehen, wie die DPAG sich ihr eigenes Grab schaufelt – aber leider schadet sie mit ihrer unbedachten, schleichenden Qualitätsverschlechterung der ganzen Branche.

Bald tritt eine neue Datenschutzverordnung in Kraft. Was müssen die privaten Briefdienste dabei besonders beachten?

Ab dem nächsten Frühjahr gelten die neuen EU-weiten Datenschutzregeln. Sie enthalten deutlich mehr Dokumentationsregeln und Vorkehrungen für den Fall von Datenlecks. Gerade im Austausch von Postsendungen ist es unverzichtbar, dass sich jeder Postdienstleister auf die Einhaltung der Datenschutzregeln bei den Geschäftspartnern verlassen kann, denn im Zweifelsfall haftet er auch für Fehler bei Geschäftspartnern. Deshalb bietet der bbd am 27.11.2017 in Berlin eine Informationsveranstaltung zu den neuen Datenschutzregeln an. Eine Teilnahme kann ich jedem Betroffenen nur empfehlen.

Zur Person

  • Dr. Walther Otremba ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Briefdienste (bbd)
  • Der diplomierte Volkswirt arbeitete zunächst einige Jahre für die Monopolkommission
  • Von 2002 bis 2006 war er Vorstandsvorsitzender der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation
  • Danach war der 66-Jährige bis 2011 als Staatssekretär in verschiedenen Bundesministerien tätig
  • Otremba ist verheiratet und hat vier Kinder


Download Hier finden Sie die Marktübersicht privater Briefdienste (PDF, 0,70 MByte) Kostenlos
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