Der Brenner-Pass bleibt wegen der ungelösten Flüchtlingskrise in Italien ein logistisches Risiko. Österreich ist bereit, in kürzester Zeit im Alleingang ein Grenzmanagement einzurichten. Die Vorbereitungen des Heeres mit 750 Mann laufen weiter.
Als Österreichs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) Anfang Juli damit drohte, Panzer am Brenner zum Schutz der Staatsgrenze auffahren zu lassen, pfiff Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ihn schnell zurück. Doch der Flüchtlingsstrom nach Italien reißt nicht ab. Allein in der vergangenen Woche sollen bis zu 15.000 illegale Migranten aus Nigeria, Eritrea, Pakistan, dem Irak oder Mali Sizilien erreicht haben. Insgesamt sind damit seit Jahresbeginn über 80.000 Flüchtlinge in Italien angekommen, das Land fühlt sich überfordert und allein gelassen.
Der mithilfe der Uno gegründete italienische Flüchtlingsrat (CIR) drohte jetzt damit, die Migranten an die Grenzen europäischer Nachbarländer zu bringen. "Lassen wir alle Schiffe ankommen, öffnen wir unsere Häfen für die Flüchtlinge. Stellen wir aber Busse und Züge zu Verfügung und bringen einen Großteil der Menschen an den Brenner und nach Ventimiglia zur französischen Grenze, nach Como zur Grenze mit der Schweiz – dann wird Europa reagieren", sagte CIR-Direktor Christopher Hein in der ARD. Österreich ließ sich von Rom versichern, dass dies nicht die offizielle Regierungslinie ist.
Pläne für den Fall eines Ansturms
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) will die Situation aber genau beobachten. Im Falle eines Ansturms könne "das Grenzmanagement am Brenner innerhalb von zwölf bis 24 Stunden hochgefahren" werden, sagte er österreichischen Medienberichten zufolge.70 bis 90 Prozent der Zuwanderer hätten ohnehin keine Chance auf Asyl, heißt es. Die Mittelmeerroute müsse geschlossen, der Fährverkehr für illegale Migranten zum europäischen Festland unterbunden werden, unterstützte Sobotka die Forderung von Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Die Alpenrepublik ist im Wahlkampfmodus und Kurz hatte bereits mit der Schließung der Balkanroute bei den Wählern gepunktet.
Ein Grenzmanagement mit Kontrollen könne durch gute Vorbereitung abgefedert werden, meint Stefan Ebner von der österreichischen Wirtschaftskammer WKO. Die baulichen Vorbereitungen dafür seien in Bezug auf den Straßentransport abgeschlossen. Zwei getrennte Lkw-Spuren ermöglichten es, das Tempo zu drosseln und einzelne Fahrzeuge herauszuwinken und genauer zu kontrollieren, sagt er.
An Stichproben ist man auch beim privaten Eisenbahnunternehmen Lokomotion sowohl in Österreich als auch in Deutschland längst gewöhnt. Der führende Traktionär auf der Brennerachse warnt aber davor, dass Vollkontrollen den Gesamtverkehr stark beeinträchtigen würden. „Betroffen wären nicht nur die nordgehenden Züge, denn aus Sicherheitsgründen müssten beide Richtungen gesperrt werden“, sagt Vertriebsleiterin Ruby van der Sluis. Derzeit baut ÖBB Infra einen Behelfsbahnsteig, mit dessen Fertigstellung im Herbst gerechnet wird. Auf der Gesamtstrecke könnten sich die Kapazitäten dann bei Vollkontrollen halbieren.