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Brenner-Basistunnel Widerstand formiert sich

Verkehrswege, Brenner-Basistunnel Foto: ÖBB, BBT, Rathmann

Bauprojekte von Bahnverbindungen haben nicht immer nur Befürworter – die hohen Bausummen und ein vergleichsweise großer Kreis betroffener Personen können als Erklärungsversuch dienen.

So öffentlich und emotional wie bei Stuttgart 21 werden die Proteste gegen den Brenner-Basistunnel zwar nicht ausgefochten. Doch auch gegen dieses Bauprojekt formiert sich Widerstand. Eine Vereinigung von Transportunternehmern aus Tirol, das Transportforum, stellt nun öffentlich die Frage: Ist der Brenner-Basistunnel noch zeitgemäß?

Das Planfeststellungsverfahren hat in den 90er-Jahren stattgefunden

Wortführend sind hierbei vor allem Dr. Bernhard Haid, juristischer Sprecher des Transportforums, und Dr. Ferdinand Maier, ehemaliger Sprecher des österreichischen Verkehrsministeriums.

Sie sind der Meinung, dass man die Notwendigkeit des Bauprojekts neu überprüfen müsse – schließlich habe das Planfeststellungsverfahren in den 90er-Jahren stattgefunden. Die Basis für den Bau seien damals getroffene Prognosen für die Verkehrsentwicklung bis 2020 gewesen. Laut Maier können diese aber gar nicht mehr in dieser Form eintreffen, da man bereits jetzt nicht einmal ansatzweise in die Nähe der Prognose komme. Gerade aufgrund der immer noch andauernden Wirtschaftsflaute sei der Güterverkehr über die Alpen nicht in dem Maß angestiegen, wie man es vor mehr als zehn Jahren noch prophezeit hatte.

Der Kritik, Lkw seien umweltschädlich, begegnet das Transportforum vehement. Gerade Spediteure, die das österreichische Tirol als Transit über die Alpen nutzen, hielten ihre Flotten immer auf dem neuesten technischen Stand. Das resultiere aus den immer strengeren Richtlinien für den Güterkraftverkehr. So erinnerte das Aktionsbündnis bei einer Informationsveranstaltung an die Einführung des L-Kennzeichens für leise Lkw oder die strengen Schadstoffgrenzen in Tirol. Da die dort verkehrenden Lkw stets auf dem neuesten Stand der Technik seien, könne man ihnen nun – anders als noch vor zehn Jahren – kein so schlechtes Image mehr hinterhersagen. Euro-6-Lkw hätten sogar einen kaum mehr messbaren Schadstoffausstoß.

Maier fordet den Stopp aller schon laufenden Bau- und Erkundungsmaßnahmen

Doch auch die Angst vor der "Kathedrale in der Wüste" geht unter den Aktivisten um. Deshalb forderte Maier "den Stopp aller schon laufenden Bau- und Erkundungsmaßnahmen, bis die Rahmenbedingungen eindeutig geschaffen sind." Gemeint sind die Zulaufwege des Brenner-Basistunnels sowohl auf italienischer als auch auf deutscher Seite.

Laut Maier kann in der momentanen Lage nicht sichergestellt werden, dass der Brenner-Basistunnel überhaupt genutzt und erreicht werden kann. Seiner Meinung nach dürfen die Arbeiten am Brenner-Basistunnel erst dann fortgeführt werden, wenn sowohl auf deutscher als auch auf italienischer Seite ein Bauauftrag für die jeweiligen Streckenabschnitte erteilt wurde. Für die 240 Kilometer lange Trasse zwischen Fortezza und Verona seien noch nicht einmal konkrete Planungen vorgenommen worden.

Zusätzlich fordert das Transportforum Staatsverträge, die den Bau der gesamten Trasse für die jeweiligen Partner regeln. Es müsse der Fall verhindert werden, dass der Tunnel auf Tiroler Seite gebaut wird und man auf italienischer Seite Abstand vom Projekt nimmt. Schließlich teilen sich Österreich und Italien die Finanzierung des Nicht-EU-Teils (70 Prozent) zu je 50 Prozent. Auch auf italienischer Seite könne sich durchaus ein Widerstand formieren.

400 Millionen Euro für die Forschungen

Denn die Kosten sind ein weiterer heftiger Kritikpunkt der Gegner. Laut Haid gibt es neben den offiziellen Schätzungen von sieben Milliarden Euro Baukosten andere Schätzungen, die – inklusive Zinsen der Vorfinanzierung – von Belastungen bis 60 Milliarden Euro ausgehen. An diesen würde Österreich bis über das Jahr 2073 hinaus bezahlen. Bereits jetzt seien knapp 400 Millionen Euro für die Forschungen verbraucht worden. Darum fordert Maier, die weiteren Planungen noch vor Überschreitung des "Point of no return" zu überdenken.

Neben der noch schlechten Anbindung des Brenner-Basistunnels an das vorhandene Schienennetz bereitet dem Transportforum auch ein Akzeptanzproblem Sorge: Am Beispiel Gotthard-Basistunnel in der Schweiz habe man gesehen, dass es trotz zusätzlicher Belastungen auf der Straße nicht gelingt, mehr Lkw auf die Schiene zu bringen. Haid ist der Meinung, dass ohne dirigistische Maßnahmen allenfalls 37 Lkw pro Tag auf die neue Schiene wechseln würden. Zum Vergleich: Die bisherige Bahnkapazität beträgt 200 Lkw-Ladungen pro Tag, im Tunnel soll dasselbe Volumen geschaffen werden.
Das Transportforum möchte  mit der Politik nun Fakten diskutieren. Hoffentlich verfällt man trotzdem auf keiner Seite in Emotionen.

Das Transportforum

Das Transportforum ist eine österreichische Interessengemeinschaft der Transportwirtschaft, die nach eigenen Angaben von in- und ausländischen Behörden ein anerkannter Verhandlungspartner ist. Es  vertritt die Interessen der Transportbranche in Streitfällen gegenüber Politik und Gerichten. Bei den Mitgliedern handelt es sich überwiegend um Transportunternehmer aus Tirol und den angrenzenden Ländern Italien und Deutschland. Neben der Vertretungstätigkeit gehört auch die Information über technische und rechtliche Entwicklungen sowie die Öffentlichkeitsarbeit zu den Aufgaben des Transportforums.

Dr. Ferdinand Maier
, ehemaliger Sprecher des österreichischen Verkehrsministeriums, formulierte in einem Schreiben folgende Forderungen beziehungsweise denkbare Alternativen zum umstrittenen Brenner-Basistunnel-Bauprojekt:

  • Streichen des Projekts
  • Verschieben des Projekts
  • Reduzieren des Projekts durch Trennen des Güterverkehrs und des Personenverkehrs. So soll der Güterverkehr im Brenner-Basistunnel eingleisig mit Ausweichstellen fahren, der Personenverkehr  über die bestehende Strecke abgewickelt werden.  Das würde die Kosten um 40 Prozent reduzieren, ein späterer Vollausbau, so er nötig sei, wäre möglich.
  • Kürzerer Scheiteltunnel mit zwölf Kilometern Länge, zweigleisig für Güter- und Personenverkehr. Das würde die Kosten um 60 Prozent verringern.
  • Ausbau der Tauernstrecke in den Südöstlichen Balkanraum im Grapina-Korridor (Marburg–Zagreb).

Drei Fragen an

Dr. Bernhard Haid ist juristischer Sprecher des Transportforums. Darüber hinaus berät er Mitglieder in Rechtsfragen und verteidigt sie bei juristischen Problemen.

trans aktuell: Herr Dr. Haid, ist der Brenner-Basistunnel aus Kapazitätssicht notwendig?

Haid: Wir denken, dass der Güterverkehr gut ohne dieses enorme Bauprojekt abgewickelt werden kann. Auf vergleichbaren Straßen ist das Verkehrsaufkommen deutlich höher als auf der Brenner-Autobahn. Der Brenner-Basistunnel könnte selbst bei Vollauslastung nur einen sehr geringen Teil des Güterverkehrs aufnehmen.

Meinen Sie, dass Beschränkungen für die Straße noch stärker werden, um den Tunnel zu füttern?

Das kann und will ich nicht sagen. Letztendlich ist das für uns auch nicht wichtig: Die Transportunternehmer erhalten alle dieselben Rahmenbedingungen und letztendlich bezahlt der Kunde. Sie werden weiterhin unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden, ob sie Straße oder Schiene nutzen. Wir wollen den volkswirtschaftlichen Nutzen zur Diskussion stellen. Wir wollen auch fragen, ob der Bau unter Aspekten des Umweltschutzes noch sinnvoll ist. Hier wird massiv in die Natur eingegriffen. Wohingegen davon auszugehen ist, dass moderne Lkw-Motoren in 20 bis 30 Jahren keine Schadstoffe mehr ausstoßen.

Sind Beschränkungen wie das Nachtfahrverbot für Euro-5-Fahrzeuge nicht einfach nur Schikane?

Das Nachtfahrverbot fußt auf dem Emissionsschutzgesetz Luft. Grundlage des ersten Nachtfahrverbots war eine einzige Grenzwertüberschreitung an einer Messstation zwischen 15 und 15.30 Uhr um etwas mehr als vier Prozent. Selbst wenn das Fahrverbot durch eine einmalige Überschreitung gerechtfertigt ist, was es sicher nicht ist, dann doch nur für die Mittagszeit und nicht für die Nacht. Alle späteren Nachtfahrverbote unterliegen diesem grundsätzlichen Fehler. Es kam in der Nacht zu keinen Grenzwertüberschreitungen.

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