Die BPW-Tochter Idem Telematics entwickelt eine Lösung für den E-Lkw Bax – die ist auch für andere Fahrzeuge geeignet.
Aufbruchstimmung in Wiehl: Der Systemlieferant BPW Bergische Achsen hat die E-Lkw-Marke Bax aus der Taufe gehoben. Der 7,5-Tonner mit elektrischem Achsantrieb und wahlweise zwei Batteriepaketen mit Kapazitäten von 84 oder 126 kWh ist dabei allerdings lediglich die nach außen sichtbare Evolution des Achsenherstellers. Denn im Inneren des Stromers arbeitet eine auf die Antriebstechnik abgestimmte Telematik der BPW-Tochter Idem Telematics.
Gerade einmal vier Monate hat die Anpassung der „herkömmlichen“ Telematiklösung gedauert. Was allerdings nicht bedeutet, dass es nicht viel zu tun gab. Dass es trotz aller technischen Neuerungen so schnell ging, liegt an der Vorgehensweise. „Das Ganze war ein sehr interdisziplinäres Thema, an dem es folglich Beteiligte aus ganz unterschiedlichen Bereichen gab“, berichtet Dirk Maassen, Entwicklungsleiter bei Idem Telematics, im Gespräch mit trans aktuell.
Mehrwert für modernes Fahrzeug bieten
Bereits zu Beginn der Entwicklung des Bax habe folgende Frage im Raum gestanden, berichtet Maassen: „Wie muss so ein modernes Fahrzeug aussehen, und welche IT-Unterstützung – und hier insbesondere welche Art von Telematik – bietet den Nutzern den größten Mehrwert?“ Im Zuge dessen arbeitete unter der Leitung von Dirk Maassen ein interdisziplinäres Scrum-Team mit Vertretern von Idem Telematics und BPW eng und agil zusammen, um möglichst schnell auf neue Anforderungen reagieren zu können. Beim Scrum-Ansatz handelt es sich um eine Methode zur agilen Softwareentwicklung (siehe unten).
Seitens BPW leitete wiederum Tim Engelberth das Projekt. Der promovierte Steuerungstechniker ist selbst als Softwareentwickler im BPW-Geschäftsbereich „Elektromobilität und Innercity Solutions“ tätig. „Das hat den interdisziplinären Austausch zwischen BPW und Idem Telematics sicherlich zusätzlich beflügelt“, erklärt Engelberth im Gespräch mit trans aktuell. „Wichtige Informationen und Anforderungen kamen direkt von den Kunden. Viele plagt etwa die Sorge um die Reichweite des E-Lkw. Oder eben auch die Frage, wie lange es dauert, bis das Fahrzeug aufgeladen ist“, berichtet Engelberth.
Dreiklang „Fracht – Fahrer – Fahrzeug“
Für Maassen stand bei der Entwicklung darüber hinaus auch der Dreiklang „Fracht – Fahrer – Fahrzeug“ im Fokus. „Nur dann kann man mit der Telematik eine gute Unterstützung bieten – auch für das Transport-Management-System, das schlussendlich die Planung einer Tour übernimmt“, sagt er. Die Lösung von Idem Telematics habe da bereits vom Fleck weg „ein großes Grundset an Funktionen mitgebracht“. Technische Basis war hier die Hardware TC Trailer Gateway Pro, die sonst in Aufliegern zum Einsatz kommt. Im Fahrerhaus selbst befindet sich ein Touchscreendisplay, das neben allgemeinen Infotainmentfunktionen wie Radio nun auch die relevanten Fahrzeugdaten abbildet. Der größte Teil des Systems verrichtet seinen Dienst allerdings im Verborgenen, seien es die Sensoren, die im Bax verbaut sind, oder Algorithmen, die aus den so gewonnenen Daten die entsprechenden Handlungsempfehlungen ableiten. Die im E-Antrieb des Bax verbauten Sensoren sorgen etwa für verlässliche Daten zur vorausschauenden Wartung, Stichwort: Predictive Maintenance.
Die daraus abgeleiteten Servicemeldungen werden aber nicht nur dem Lkw-Fahrer im Cockpit auf dem Display, sondern auch im Cargofleet-Portal von Idem Telematics angezeigt. Auf diese Weise können alle Beteiligten rechtzeitig sehen, was zu tun ist. So sind beispielsweise gleich der Fuhrparkleiter informiert sowie natürlich auch die Werkstatt, die alles Weitere in die Wege leiten kann, um die Reparaturzeit so gering wie möglich zu halten. Oder eben auch den Werkstattaufenthalt so in die Tour einzutakten, dass das Fahrzeug möglichst wenig stillsteht. „Der Service ist für Transportunternehmen ein wichtiger Punkt. Daher sollen die Infos den Werkstätten so einfach und schnell wie möglich zur Verfügung stehen. Sie bekommen über das System alle relevanten Informationen, um unter Umständen sogar eine verlässliche Fernwartung zu ermöglichen“, berichtet Engelberth. Mögliche Fehlermeldungen lassen sich übrigens over the air löschen – aber natürlich nicht während der Fahrt. Das kann etwa nach einer Vor-Ort-Wartung sinnvoll sein, die der Nutzer ohne Weiteres selbst machen kann.
Algorithmen helfen bei Predictive Maintenance
Algorithmen kommen aber nicht nur für Predictive Maintenance zum Einsatz, sondern auch dann, wenn die zur Verfügung stehende Technik an ihre Grenzen stößt. Mittels eines präzisen Algorithmus wird anhand historischer sowie aktueller Daten etwa die Restreichweite geschätzt. Gleiches gilt für den Beladungszustand: Die erhobenen Informationen werden in der Cloud kumuliert und in einen logischen Zusammenhang gebracht. Auf diese Weise werden die nötigen Informationen abgeleitet. „Mit einer verlässlichen Genauigkeit“, wie Maassen versichert.
Dass mit dem Bax ein E-Lkw unterwegs ist, ist im Cargofleet-Portal schon durch das Batteriesymbol offensichtlich. Das verrät den aktuellen Ladezustand und ob gerade geladen wird. Dort laufen auch die wichtigsten Fahrzeugmeldungen ein, und es lassen sich entsprechende Benachrichtigungen automatisieren, damit immer die richtigen Ansprechpartner informiert sind. „In dem Portal findet sich auch ein Report, in dem der Nutzer sieht, wie viel Strom die Fahrzeuge wann verbraucht haben und wann Fahrzeugmeldungen aufgetreten sind. Im Bedarfsfall können auch Werkstätten auf diese Informationen zugreifen. Das ist ein Mehrwert für den Flottenverantwortlichen wie auch gleichermaßen für die Werkstatt“, sagt Engelberth.
Neuerungen bei der Routenplanung
Selbst bei der Routenplanung gab es Neuerungen mit Blick auf die elektrische Antriebsachse des Bax. „Wir nutzen die Kartendaten von Here Technologies. Dort kann man dann natürlich sowohl die aktuellen als auch historischen Verkehrsdaten in die Planung einbeziehen“, berichtet Maassen. Wichtig war den Entwicklern von BPW und Idem Telematics dabei noch etwas anderes. „Wir wollen den Kunden mehr Wertschöpfung bieten, indem wir ihre Mischflotte im Portal möglichst homogen anzeigen. Das gilt dann gleichermaßen für den Bax, den wir nahtlos in das Cargofleet-Portal integrieren können“, erklärt Maassen. Und nicht nur für ihn, denn für den herstellerübergreifenden Anbieter ist es durchaus denkbar, dass die auf Stromer getrimmte Telematiklösung von Idem auch in anderen E-Fahrzeugen zum Einsatz kommt.
Der Scrum-Ansatz
- Bei der Scrum-Methode gehen hoch qualifizierte, interdisziplinär besetzte Entwicklungsteams an den Start, die zwar eine klare Zielvorgabe bekommen, für die Umsetzung jedoch allein zuständig sind
- Auf diese Weise sollen die Entwicklungsteams den nötigen Freiraum erhalten, um ihr Wissens- und Kreativitätspotenzial in Eigenregie zur Entfaltung zu bringen
- Dabei werden dann der Fortschritt und die Hindernisse eines Projekts festgehalten und die Ergebnisse bewertet
- Hinzu kommt, dass beim Scrum-Ansatz die Anforderungen an Produkt, Pläne und Vorgehen nicht in Stein gemeißelt sind, sondern kontinuierlich und detailliert angepasst werden, sobald die entsprechenden Anforderungen zurückgespielt werden
- Durch den beständigen Austausch kommen auf diese Weise in kurzer Zeit praxisorientierte Lösungen zustande
