Blog zur BGL-Jahreshauptversammlung Absichtserklärungen

Foto: Jan Bergrath
Meinung

Das kommende Mobilitätspaket der EU-Kommission war das Hauptthema der politischen Diskussion auf der Jahreshauptversammlung des BGL in Köln.

Es ist eine politisch schwierige Zeit, als der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) zu seiner diesjährigen Jahreshauptversammlung nach Köln lädt. In Berlin gibt es nur eine kommissarische Bundesregierung, der eigentlich noch amtierende Verkehrsminister, Alexander Dobrindt (CSU), ursprünglich als Gast des BGL geladen, ist jetzt als CSU-Landesgruppenchef in die Sondierungsgespräche seiner Partei zur möglichen "Jamaika-Koalition" eingebunden, ebenso wie seine parlamentarische Staatsekretärin Dorothee Bär, die zunächst für den Minister eingesprungen war. 

Und so spricht der parlamentarischer Staatssekretär Norbert Barthle (CDU) die Grußworte der Verbundenheit zum BGL aus Berlin und macht zugleich klar, wie kompliziert es derzeit in der Hauptstadt ist: Aus dem Bundesverkehrsministerium soeben per Urkunde entlassen untersteht er nun, bis ein Nachfolger von Dobrindt gefunden ist, dem Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Der arbeitet sich offenbar auch intensiv in das Thema Verkehr ein. Spontan fällt mir dazu ein: Hoffentlich holt er die Kuh vom Eis. Denn es sind viele Punkte, die dem BGL und drei weiteren Verbänden Sorgen bereiten und die in einem Appell an die neue Bundesregierung formuliert sind. 

Planspiele um das Bundesverkehrsministerium

Doch selbst in Köln anwesende Insider aus dem Bundesverkehrsministerium (BMVI) haben keine Idee, wann ein Minister gefunden ist. Es könnte Januar 2018 werden. Ein Planspiel dabei: weil ja so viele "Jamaikaner" nun auch noch nach potentiellen Ministerposten drängen, könnte das bisherige BMVI verschlankt und die Bereiche Bau und Digitalisierung eventuell in zwei eigene Ministerien abgetrennt werden. Dann hätte auch ein Grüner die Chance, in die Invalidenstraße einzuziehen. Immer wieder fällt in Köln der Name Anton Hofreiter. Da Ende 2018 der amtierende VGL-Präsident Adalbert Wandt und dessen bisherige Vizepräsidenten Peter Röskes und Hans Wormser nicht für ein noch zu bestimmendes neues Gremium im BGL kandidieren werden, wäre die bislang starke Verbindung des BGL zur CSU ohnehin gekappt. Gerade jetzt, wo MAN und Schenker auf der A 9 zwischen München und Nürnberg das Platooning testen wollen.

Der BGL selbst ist sattelfest für die Zukunft

Der BGL selbst hat in der gut zehnmonatigen Zeit unter seinem neuen Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Dirk Engelhardt (siehe dazu das Interview in der kommenden Ausgabe 12/2107 des FERNFAHRER) wichtige Wege eingeschlagen, um als Verband weiter schlagkräftig zu bleiben. Und weil man nun schon seit Jahren, so der Slogan, "Unterwegs nach Morgen" ist, wurde jetzt mit dem modernisierten Brummi die Tür zur für viele Unternehmer immer noch guten alten Zeit der deutschen Transportunternehmer nicht ganz zugeschlagen.

Diskussion im politischen Vakuum

So richtig weg war der kleine Sympathieträger eigentlich nie, heißt es seitens des BGL, und folgerichtig tragen alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion zum kommenden Mobilitätspaket der EU-Kommission als Zeichen der Verbundenheit den Brummi als Anstecker am Revers. Denn wenn der Dumpingwettbewerb der Flotten aus den mittel- und osteuropäischen Ländern, der, so ganz klar ein Statement von Wittke, zum Teil von westeuropäischen- und deutschen Speditionen durch Flottenverlagerung in den Osten selber forciert wird, dann gibt es für das heimische Gewerbe bald nur noch eine dauerhafte Dämmerung. Das wird in der Runde mit den drei anwesenden Verkehrspolitikern aus Berlin, Udo Schiefner (SPD), Oliver Wittke (CDU) und Oliver Lucksic (FDP) schnell klar. 

Mautdaten für effektivere Kontrollen?

Souverän leitete Prof. Engelhardt die Diskussion ein, die allerdings, wie ich schon vergangene Woche in meinem Blog "Ein Riss geht durch Europa" beschrieben habe, reine Absichtserklärungen der anwesenden Politiker sind, da auch deren Rollen in Berlin noch gar nicht feststehen. Da der FDP-Mann in den letzten vier Jahren nicht in Berlin vertreten war und der Abgeordnete der Grünen, Stephan Kühn, offiziell zwar erkrankt, faktisch aber ebenfalls in die Sondierungsgespräche eingebunden ist, gaben sich Schiefner und Wittke, die über den letzten Verkehrssauschuss und den Bundesrat ja die Ergänzung im Fahrerpersonalgesetz zum Verbot der Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Lkw durchgesetzt hatten, fast noch wie in der Großen Koalition. 

Als Schiefner vorschlug, zu einer besseren Kontrolle doch vielleicht auf die Mautdaten zurückzugreifen, meinte Wittke, wenn schon die Opposition dafür sei, bestünden dazu vielleicht sogar Chancen. Beide forderten einmal mehr – unisono mit dem BGL – mehr und intensivere Kontrollen der Wochenruhezeit durch das BAG, das mit den Aufgaben und dem wenigen Personal schlicht überfordert ist. Zumal die Polizei derzeit überhaupt nicht mitmacht, was Wittke nun bei den Kollegen in Nordrhein-Westfalen klären möchte. Und es wird eine Einbeziehung der "Polensprinter" in die Zulassungsbedingen des gewerblichen Güterverkehrs gefordert, eine Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeiten der rasenden Blechbüchsen angemahnt, was aber, wieder der Konsens, gegen den mutmaßlichen Widerstand der Automobilindustrie kaum durchzusetzen sei. 

Deutsche Arbeitsgruppe in Brüssel 

Staatssekretär Barthle versprach, dass man sich in Brüssel für die deutschen Positionen zum EU-Mobilitätspaket stark machen würde. Eine Arbeitsgruppe ist vor Ort, um, wenn möglich, Einfluss auf die Entscheidungen zu nehmen, die im November wohl an die Öffentlichkeit dringen sollen. Neben einer für den BGL und die deutsche Politik weiteren Lockerung der Kabotage wäre es vor allem ein Angriff auf die Ruhezeiten. Da, wie BGL-Präsident Wandt betonte, der deutsche Mindestlohn als Mittel gegen den Dumpingwettbewerb nicht  mehr greift, zumal nun das Transportgewerbe vorerst aus der Entsenderichtline genommen ist, dürfe eine weiteren Lockerung der Kabotage nicht stattgegeben werden. Die sieht vor, dass ein gebietsfremder Unternehmer zukünftig maximal fünf Arbeitstage hintereinander in einem Land Kabotage machen darf, bevor er es wieder verlassen muss. Schiefner hält dagegen maximal zwei Tage in einem Land und nur zehn Tage maximal in einem Monat als einen guten Vorschlag für die anstehenden Beratungen in Brüssel.

Das Problem mit den dreiwöchigen Rundläufen

So wird mir, abschließend betrachtet, immer noch nicht ganz klar, warum sich der BGL so vehement dafür einsetzt, dass die Lkw-Fahrer, vornehmlich aus dem Osten (denn die deutschen Fahrer sind am Wochenende ja meist daheim) nach den Plänen der Kommission drei Wochen am Stück auf Tour sein dürfen, bevor sie ihre Ruhezeit plus Ausgleich dann in der Heimat verbringen müssen. Denn es bedeutet doch ganz klar, wenn es den Fahrern laut den Vorschlägen der Kommission dann erlaubt sein wird, zwei reduzierte wöchentliche Ruhezeiten hintereinander zu nehmen, dass sie dies weiterhin ununterbrochen im Lkw tun dürfen. Denn bei einer reduzierten Ruhezeit von mindestens 24 Stunden können Sie auch 45 Stunden oder länger im Lkw bleiben. 

Und das führt zu einem Fiasko, dass auch in Köln keiner sehen wollte – vielleicht weil auch schon so viele osteuropäische Fahrer auf deutschen Lkw nach dem Modell drei Wochen Arbeit, eine Woche frei beschäftigt sind: kommt die fünftägige Kabotage demnächst wirklich, dann fahren die cleveren osteuropäischen Unternehmer im neuen Zeitalter der Logistik 4.0 mit der letzten Tour über die Grenze, machen dort am Wochenende auch wieder in Belgien ungefährdet ihre Wochenendpause und spielen ihren Lohnvorteil, der nach drei Tagen ja maximal der Mindestlohn ist, auch die beiden folgenden Wochen aus. Und das bei einem spürbaren Anstieg der deutschen Fahrerlöhne. Dasselbe gilt auch für den Vor- und Nachlauf der internationalen Transporte im Kombinierten Verkehr, der ja noch nicht einmal Kabotage ist – solange, wie es der DSLV fordert, Brüssel hier keine neue Regelung trifft. Das böse Erwachen kommt vielleicht nicht morgen, spätestens aber übermorgen.

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