Der deutsche Einzelhandel und die Logistik stehen vor dem totalen Chaos. Weil die Läger voll sind, brechen fest geplante Abläufe zusammen. Selbst osteuropäische Frachtführer verkaufen jetzt ihre innerdeutschen Touren.
Die Versorgung ist sicher. So hieß es noch vor wenigen Wochen. Hamsterkäufe von Nudeln und Toilettenpapier wurden beinahe zum Running Gag. Doch nun ist die Lage wirklich ernst. Millionen von Menschen, die sonst am Tag arbeiten und in die Kantine gehen oder am Abend in die Restaurants, müssen jetzt daheim bleiben, Kinder hüten oder Homeoffice machen. Die über Jahre funktionierende Warenversorgung kann das nicht verkraften, zumal viele Menschen gar nicht mehr kochen können und Fertiggerichte sowie Konserven kaufen.
Just-in-time-Logistik nicht krisenfest
Eigentlich ist es eine tolle Leistung von Handel und Logistik, die Waren, die an der Kasse sofort elektronisch nachbestellt werden, über Nacht wieder neu anzuliefern. Das wird jetzt zum Bumerang. Denn die Lager des Einzelhandels sind dafür nicht ausgerichtet. Die Spedition March aus Rheinbach etwa berichtet jetzt von stundenlangen Wartezeiten, egal bei welcher Kette. Die Fahrer dürfen gar nicht mehr ins Lager, dort aber fehlen die Mitarbeiter zur Entladung.
Und weil die Lkw nun reihenweise aus dem Takt kommen, passen auch keine Rückladungen mehr. Manchmal aus dem simplen Grund, dass die Hersteller ihre Ware bereits losgeschickt haben. Fahrer berichten, dass sie mit beladenen Lkw etwa von Amazon oder Edeka wieder zurückgeschickt werden. Die oftmals üble Nachrede, dass die just-in-time Logistik nur bedeutet, dass die Straße das rollende Lager ist, trifft nun in der Krise voll ins Schwarze.

Touren reihenweise storniert
Die Situation am Frachtmarkt ist mittlerweile so verfahren, dass jetzt sogar osteuropäische Frachtführer ihre innerdeutschen Ladungen über Frachtenbörsen wie Timocom verkaufen. Das gab es nach Ansicht von deutschen Speditionen bislang noch nie. Teilweise finden aber auch deutsche Kühlspeditionen keine Aufträge mehr. Touren werden teils reihenweise storniert.
Kabotage-Lockerung politischer Schnellschuss
Noch ist nicht klar, ob sie ihre eigenen Kapazitäten bereits zurückgezogen haben oder selbst an diesem Chaos scheitern. Fest steht nur eins, wie politische Kreise aus Berlin verlauten lassen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat wohl mittlerweile, auch auf Druck der Medien, eingesehen, dass die Lockerung der Kabotage ein „Schnellschuss“ war. Das soll nun bald rückgängig gemacht werden. Das Chaos in der Lebensmitteldistribution wird es nicht lindern.
