Autonomer Betriebshof Das geht auch alleine

Autonomer Betriebshof Foto: ZF 15 Bilder
Anzeige

Automatisierte Nutzfahrzeuge könnten schon in naher Zukunft die Heinzelmännchen für den Betriebshof werden. Sie rangieren selbstständig und stellen Wechselbrücken und Auflieger. Schnell, zuverlässig und leise. ZF zeigt jetzt mit einem Pilotprojekt, dass das Modell funktioniert.

Das automatisierte Fahren verändert das Gesicht der Logistik. Schon heute transportieren teilautomatisierte Nutzfahrzeuge ihre Güter zuverlässig und sicher auf der Straße. Kommen sie an ihrem Bestimmungsort an, sind ihre speziellen Fähigkeiten jedoch nicht mehr gefragt. Denn welchen Sinn hätte Hightech auf dem Betriebshof, wenn dort lediglich Wechselbrücken und Auflieger rangiert und gestellt werden müssen? Eine Antwort auf diese Frage bietet jetzt der Technologiekonzern ZF: Die Logistik, so das Credo, soll effizienter und nachhaltiger werden. Neue Lösungen sollen Spediteuren und Transportunternehmen helfen, den Kostendruck zu reduzieren und den Fahrermangel zu kompensieren.

Der ZF Innovation Truck spielt die Schlüsselrolle

Auch die Vermeidung von Rangierschäden und Ausfall­zeiten setzen sich die Friedrichshafener auf die Agenda. Eine Schlüsselrolle in diesem Konzept spielt der ZF Innovation Truck. Schließlich hat der Technologieträger mehr Talente an Bord, als er im öffentlichen Straßenverkehr eigentlich bräuchte. Diesen Mehrwert soll er auf Betriebshöfen und Terminals ausspielen. Hier wie dort handelt es sich um abgegrenzte Areale, auf denen der Betreiber die Regeln für den Fahr­betrieb bestimmt. Der ZF Innovation Truck kann dort die Beschränkungen des Straßenverkehrsgesetzes ablegen und sich frei entfalten. Dazu verwandelt er sich vom teilautomatisierten Fahrzeug der Stufe zwei in ein vollautomatisiertes der Stufe vier. Sämtliche Fahraufgaben auf dem Gelände erledigt der ZF Innovation Truck im autonomen Modus. Ein Fahrer ist nicht an Bord. Damit dieses Kunststück funktioniert, braucht der Lkw jedoch handfeste Unterstützung. Die erhält er durch eine eigens eingerichtete elektronische Infrastruktur. „Autonome Fahrzeuge, die dank unserer Technologien sehen, denken und handeln können, lassen die Idee der smarten Logistik auf dem Betriebshof Realität werden“, sagt Fredrik Staedtler, Leiter der Division Nutzfahrzeugtechnik von ZF.

Autonomer Betriebshof Foto: ZF
Die Betriebshöfe von Speditionen könnten in naher Zukunft das typische Arbeitsfeld für selbstfahrende Lkw werden.

Die Probe aufs Exempel liefert ZF mit dem Prototyp eines automatisierten Betriebshofs. Hier lassen sich logistische Prozesse wie das Handling von Wechselbrücken und Aufliegern perfekt durchspielen. Im technologischen Fokus steht dabei unter anderem die Kommunikation zwischen dem autonomen Lkw und den verschiedenen Sensorsystemen auf dem Betriebshof. Den Part des virtuellen Fahrers übernimmt im Technologieträger die Steuerungseinheit ZF ProAI, die Motor, Lenkung und Bremsen koordiniert. Dieser Supercomputer ist zudem Ansprechpartner für das intelligente Leitsystem des Betriebshofs. Die Kommunikation findet über das installierte WLAN statt. Die Basis für Ortung und Navi­gation der Fahrzeuge bildet ein GPS-System, . Dazu hat ZF auf den Fahrwegen mehrere Reihen von RFID-Tags installiert, die eine zentimetergenaue Lokalisierung und die autonome Steuerung der Fahrzeuge auf dem Gelände ermöglichen. Die Orchestrierung der aktiven Systeme auf dem Betriebshof übernimmt das ZF Telematiksystem Openmatics. Der Hauptdarsteller im Szenario der Warenlieferung ist der ZF Innovation Truck. Der Fahrer stoppt den Dreiachser an der Einfahrt zum Betriebshof. Er hebt das Chassis mithilfe der Luftfederung an, klappt die Stützbeine der Wechselbrücke herunter, loggt sich ins ZF Routing System ein und aktiviert den automatisierten Fahrmodus seines Fahrzeugs. Anschließend darf er sich eine ausgiebige Kaffeepause genehmigen.

ZF Routing System übermittelt Infos über Transportmission und Fahrstrecke

Für den Truck beginnt jetzt die Arbeit. Über die On-Board-Unit von Openmatics hat er sich bereits in das Leitsystem des Betriebshofs eingeloggt. Der Disponent kann daher auf dem Webportal des Telematiksystems auf seine Daten zugreifen und einen Transportauftrag erteilen. Alles Weitere übernimmt das ZF Routing System. Es übermittelt dem Lkw die Informationen über die Transportmission und die Fahr­strecke. Während der Fahrt prüft das Routing per­manent die Position und passt die Streckenführung bei Bedarf an. Der ZF Innovation Truck ist unterdessen mit sparsamen Lenkbewegungen und in gemächlichem Tempo unterwegs. Das automatische Getriebesystem Traxon Hybrid lässt ihn lautlos auf elektrischen Katzenpfoten laufen. Kamera-, Lidar- und Radar-Sensoren erlauben dem Bordrechner eine 360-Grad-Umfeldanalyse. Damit verfügt das Fahrzeug über eine ausgezeichnete Wahrnehmung für statische und mobile Objekte.

Nähert sich von der Seite ein Fußgänger, bleibt es mit ausreichendem Abstand stehen, bis die Fahrbahn wieder frei ist. Ein weiterer Baustein für die hohe Effizienz des Technologieträgers ist die elek­trohydraulische Nutzfahrzeuglenkung ReAX, die bei niedriger Geschwindigkeit den Lenk­aufwand reduziert und das Steuer aktiv in die Geradeaus-Position zurückbringt. Zwei Minuten später zirkelt sich der Truck in einem akkuraten 90-Grad-Winkel zur Rampe. Geht es dann im Rückwärtsgang in die Abstellposition, braucht der digitale Fahrer dazu keinen Blick in den Spiegel. An der Rampe sind diverse Kameras installiert, die die Bilder des Trucks über das WLAN an den Leitrechner des Betriebshofs übertragen. Die Software errechnet daraus den optimalen Fahrweg und sendet die Daten mit präzisen Angaben zu Drehzahl und Lenkwinkel zurück an den Lkw. Zwei, drei minimale Korrekturen reichen aus, dann steht der Dreiachser an der Rampe. Dort geht er automatisch in die Knie, bis die Stützen der Wechselbrücke vollen Bodenkontakt haben. Danach rollt er unter der Brücke nach vorne hinaus. Das gleiche Spiel funktioniert auch in umgekehrter Reihenfolge, wenn der Truck eine Wechselbrücke aufnehmen soll. Die Fahrmanöver des autonomen Trucks könnte auch ein menschlicher Fahrer mit viel Erfahrung nicht besser durchführen. Der ZF Innovation Truck spult sein Programm souverän ab.

Autonomer Betriebshof Foto: ZF
Der ZF ­Terminal Yard Tractor übernimmt die Trailer an einer Übergabestation auf dem Betriebshof von der Zugmaschine.

Das sieht bei einer Demonstration auf dem Testgelände sehr einfach aus. Ein spannendes Bild dürfte es abgeben, wenn künftig ein Dutzend fahrerloser Lkw völlig lautlos, rund um die Uhr und bei Wind und Wetter Wechselbrücken und Auflieger rangieren. Für den ZF Innovation Truck endet das Szenario am Eingang des Betriebshofs. Dort übernimmt wieder der Fahrer das Kommando. Er klappt die Stützen in Fahrposition und bringt den Lkw mit einem Dreh am Schalter zurück in den teilautomatisierten Modus. Anschließend geht es mit reiner Dieselpower auf die Straße. Die Entwicklungsingenieure von ZF gehen davon aus, dass die Systeme für den automatisierten Betriebshof in drei bis vier Jahren reif für die Serie sind. Für Spediteure und Transportunter­nehmer dürfte sich das Warten lohnen.

ZF Terminal Yard Tractor

Wenn auf dem automatisierten Betriebshof das Handling von Aufliegern ansteht, ist der ZF ­Terminal Yard Tractor dafür der perfekte Kandidat. Er übernimmt die Trailer an einer Übergabe­­­sta­tion auf dem Betriebshof von der Zugmaschine. Anschließend rangiert er die Fahrzeuge zum Laden und Löschen selbstständig an die Rampe und bringt sie von dort wieder zurück. Seine Fähigkeiten beschränken sich auf die Erfordernisse eines automatisierten Betriebshofs. Er braucht also nicht das ganze Arsenal an elektronischen Helfern wie der ZF Innovation Truck. Trotzdem ist der ZF Terminal Yard Tractor im Hinblick auf die installierte Systemintelligenz eng mit dem Lkw verwandt. Er verfügt zur Navigation und Orientierung über das erweiterte Sensor-Set von ZF, die Längs- und Querführung koordiniert der Zentralcomputer ZF ProAI.

Unsere Experten
Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
Experte für Flottenmanagement und angewandte Mobilitätsangebote Rolf Lübke Mobilität, Fuhrpark (inkl. Wasserstoff-Expertise)
Beliebte Artikel Spanien Duotrailer Megatrailer Vergleich Trailer-Vergleich 40, 60 und 70 Tonnen Mehr Laufleistung, weniger Verbrauch Continental stellt Conti Eco Gen 5 vor