Anders Nielsen im Interview "Der Markt bleibt schwach"

Anders Nielsen im Interview mit trans aktuell Foto: Thomas Küppers 5 Bilder

Anders Nielsen will mit MAN in Märkten wie Russland und China wachsen,
um die Abhängigkeit von Europa zu verringern. Im Kernmarkt will der neue Vorstandschef die Marke stärker abgrenzen. 

Anders Nielsen verantwortet seit dem 1. September 2012 die Geschicke von MAN Truck & Bus. Der ehemalige Scania-Vorstand für die Bereiche Produktion und Logistik sieht seinen früheren Arbeitgeber ganz klar als Wettbewerber. Auch wenn beide Marken zum Volkswagen-Konzern gehören, sei eine Abgrenzung richtig und wichtig, erklärte der MAN-Vorstandssprecher im Redaktionsgespräch mit trans aktuell. Synergien könne es beim Einkauf und etwa bei der Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen geben. Ansonsten gelte es, ein eigenes Profil zu zeigen, um potenzielle Kunden für sich zu begeistern. 

trans aktuell: Herr Nielsen, haben Sie sich schon in München eingelebt?

Nielsen: Ehrlich gesagt hatte ich noch nicht viel Zeit, die  Stadt kennenzulernen. Dass ich gern nach München gekommen bin, hat aber vor allem einen Grund: MAN ist eine echte Größe in der Nutzfahrzeugbranche. Es ist eine große Chance und verantwortungsvolle Aufgabe, für MAN zu  arbeiten. Klar, es scheint immer etwas schwierig, wenn man von einem Wettbewerber kommt. Aber das hat sich hier nicht bewahrheitet. Ich fühle mich sehr wohl.

Sehen Sie Scania denn als Konkurrenz? Schließlich gehören die Schweden ebenfalls zum VW-Konzern …...

Natürlich ist Scania für uns bei MAN ein Wettbewerber. Schließlich stehen zwei eigenständige, selbstbewusste Teams hinter den Marken. Anders als beim Pkw lassen sich Marken, die im gleichen Nutzfahrzeugsegment agieren, schwer unterschiedlich positionieren – etwa sportlich versus luxuriös. Für unsere Kunden zählt in erster Linie die Wirtschaftlichkeit der Produkte und Dienstleistungen.

VW will die Kosten reduzieren. Wird es eine Vorgabe des Konzerns geben, wer welches Segment bedient?

Nein, jede Marke entscheidet unabhängig über die Entwicklung ihres Produkt- und Serviceportfolios. MAN wird wie bisher Lkw ab 7,5 Tonnen anbieten. Dabei legen wir besonderen Wert auf Total Cost of Ownership – also die Gesamtbetriebskosten für den Nutzer eines Lkw. Da spielen Qualität, Effizienz und Service die entscheidenden Rollen. Neben diesen rationalen Kriterien ist aber auch die Emotionalität eine nicht zu vernachlässigende Größe.

Gibt es dann einen einheitlichen Vertrieb oder ein einheitliches Werkstattnetz?

Definitiv nicht. Denn an dieser Stelle pflegt jede Marke die Beziehung zum Kunden, den man auch zukünftig an seine Produkte binden möchte. Der richtige Weg liegt eher darin, gleiche Teile zu verwenden, dort wo es die Wahrnehmung der Marke nicht beeinträchtigt. Aber auch bei der Beschaffung lassen sich Kosten sparen. Mit Blick auf den Pkw-Sektor lässt sich sagen, dass der Volkswagen-Konzern hier schon viel positive Erfahrung gesammelt hat.

Sparen Sie, weil 2013 ein wirtschaftlich schwieriges Jahr wird?

Der europäische Nutzfahrzeugmarkt bleibt schwach. Mit Blick auf den Konjunkturzyklus gehen wir davon aus, dass 2013 die Nachfrage etwa auf dem Niveau des Vorjahres bleiben könnte. Bei allen Einflussgrößen und einem immer volatiler werdenden Markt sind Voraussagen aber extrem schwierig.

Wie wollen Sie da gegensteuern?

Mit effizienten Produkten und einem umfassenden Service-Portfolio werden wir uns am Markt behaupten. Noch offen ist, wie sich eine neue Mautstaffelung auf den Absatz von Euro-6-Fahrzeugen auswirkt, also ob wir Vorzieh­effekte erleben werden.

Hauptsächlich der europäische Markt schwächelt. Können Sie diese Verluste anderweitig auffangen?

Für MAN Truck & Bus ist vor allem Russland ein wichtiger Absatzmarkt im Rahmen der internationalen Wachstumsstrategie. Künftig sollen in unserem Werk in St. Petersburg Lkw für Russland montiert werden. In China wollen wir weiter wachsen, besonders im Premiumsegment. Wir sind außerdem Minderheitsaktionär des dortigen Truck-Herstellers Sinotruk. Dabei lassen wir unsere Kernmärkte in Europa nicht außer Acht.

Ist das die Aufgabe für Ihren neuen Vertriebsvorstand?

Heinz-Jürgen Löw ist seit März bei uns. Mit seinen Erfahrungen, die er bei Renault Trucks als Vertriebschef gesammelt hat, ist er mit Sicherheit eine große Unterstützung. Zumal er auch Expertise in Märkten außerhalb von Europa hat.

Mit welchen technischen Entwicklungen wollen Sie bei potenziellen Kunden punkten?


Die MAN Efficient-Line ist sehr erfolgreich. Da geht es um Themen wie Spritsparen und CO2-Reduktion. Hier gilt es, den technischen Vorsprung weiter auszubauen. Das ist es, was der Markt fordert und sicherlich einer der wichtigsten Themen für die kommenden Jahre. Wohin die Reise gehen könnte, haben wir auf der IAA Nutzfahrzeuge mit dem Concept S Truck gezeigt. Bei der Aerodynamik und dem Rollwiderstand ist noch einiges möglich.

Dazu bräuchten wir aber längere Fahrzeuge …...

Die EU-Kommission hat bereits angedeutet, dass längere Fahrzeugkombinationen denkbar sind. Das würde entsprechende Eingriffe in einem gewissen Rahmen durchaus ermöglichen.

Effizienzvorteile würde auch der Lang-Lkw bringen. In Schweden gehört er zum Alltag …...

Das lässt sich nicht eins zu eins vergleichen. Schweden ist flächenmäßig größer als Deutschland, dafür hat es gerade einmal etwas mehr als neun Millionen Einwohner. In der Bundesrepublik wohnen hingegen knapp 82 Millionen Menschen. Auf der Strecke zwischen Dachau und Salzgitter nehmen wir, gemeinsam mit der Spedition Große-Vehne, derzeit erfolgreich am Feldtest mit 25,25 Meter langen MAN-Sattelzug teil.

Wie sieht es mit alternativen Antrieben aus?

Im Bereich Erdgas ist MAN Truck & Bus bereits Marktführer bei den Stadtbussen. Darüber hinaus arbeiten wir auch an Hybrid-Technologien. Beide Antriebskonzepte sind aus Sicht von MAN  zukunftsträchtig. Was sich aber letztlich durchsetzt, entscheidet der Markt. So ist der Hybrid-Verteiler-Lkw zwar technisch machbar – aber in der Flotte noch nicht wirtschaftlich betreibbar.

In Sachen Erdgas gäbe es gute Anknüpfungspunkte an Scania – oder?

Einfach nur Lösungen zu kopieren – und so von einer Marke auf die andere zu übertragen –, das funktioniert nicht. Jeder kann aber innerhalb des Konzerns seine Erfahrungen einbringen. Auf diese Weise lässt sich auch ein guter Technik-Mix realisieren. Schließlich gibt es auch noch andere Antriebstechnologien. Aber gleichzeitig in alle Richtungen zu forschen ist viel zu teuer.

Wo sehen Sie sonst noch Möglichkeiten?

Beim Thema Effizienz und Umwelt schauen wir uns das gesamte Fahrzeug an, von der Aerodynamik, dem Antriebsstrang bis hin zu Assistenzsystemen, die den Fahrer in einer sparsamen Fahrweise unterstützen. Dabei helfen natürlich auch Telematik-Dienste und Fahrtrainings. Beides bieten wir an und entwickeln wir stetig weiter. Nicht alles ist für alle Kunden gleichermaßen wichtig, viel hängt vom tatsächlichen Einsatzgebiet des Lkw ab. Entsprechend unterschiedlich können die Lösungen dann auch aussehen.

Zur Person

Anders Nielsen wurde am 18. Dezember 1962 in Sundbyberg (Schweden) geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften am Linköping Institute of  Technology. Seine berufliche Karriere begann im Jahr 1987 mit dem Eintritt bei Scania in Schweden. 1995 übernahm er die Werkleitung für die Getriebeproduktion im Werk Sibbhult, Schweden. Im Jahr 1997 wurde er Werkleiter in Oskarshamn. In die Ferne zog es ihn dann 2002, er wechselte als technischer Direktor zu Scania Latin America in das dortige Werk nach Brasilien. Nach seiner Rückkehr nach Schweden im Jahr 2006 leitete er als Generaldirektor die Chassis- und Fahrerhausproduktion bei Scania. 2010 wurde er für das Ressort Produktion und Logistik in den Vorstand von Scania berufen. Seit 1. September 2012 ist Anders Nielsen Sprecher des Vorstands bei der MAN Truck & Bus in München.

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