Alkohol am Steuer Die Gefahr bannen

Foto: Polizeidirektion Neustadt/Weinstraße
Meinung

Immer öfter berichten Polizei und Medien über stark betrunkene Lkw-Fahrer vornehmlich aus Osteuropa, die zu einer Gefahr für die Verkehrssicherheit werden. Der langjährige Direktor der Verkehrspolizei Mannheim, Dieter Schäfer, fordert nun einen präventiven Entzug der Fahrerlaubnis, wenn diese Fahrer bei den sonntäglichen Abfahrtskontrollen der Polizei erwischt werden.

Das war gerade noch einmal gut gegangen. Gegen 12.50 Uhr am Samstagmittag, dem 11. Juli, meldeten besorgte Autofahrer auf der A 65 Richtung Landau einen polnischen Sattelzug, der in Schlangenlinien unterwegs war. Beamte der Polizeiinspektion Frankenthal konnten den Lkw schließlich an der Anschlussstelle stoppen. Der Fahrer erreichte bei dem folgenden Atemalkoholtest einen Wert von 3,19 Promille. Ab 1,6 Promille spricht man von einer absoluten Fahruntüchtigkeit, egal ob auf dem Fahrrad oder wie in diesem Fall in einem Sattelzug. Der Mann wurde zur Polizeiautobahnstation Ruchheim gebracht, wo ihm eine Blutprobe von einem Arzt entnommen wurde. Auf der Dienststelle verhielt sich der Fahrer renitent und uneinsichtig und musste daher für die Blutentnahme durch die Polizeibeamten fixiert werden. Da der polnische Fahrer keinen festen Wohnsitz in Deutschland besitzt, wurde eine Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000 Euro festgesetzt und sein Führerschein sichergestellt.

Auffällig schon seit 2016

Schon seit meinem ersten Artikel „Ernüchternde Bilanz“ aus dem Jahr 2016 berichte ich über stark betrunkene Lkw-Fahrer aus Osteuropa, ich habe mehrfach, so wie hier Ende 2018 in Kraichgau-Süd, die Autobahnpolizei bei ihren präventiven Alkoholkontrollen am Sonntagabend begleitet. Das Problem: dort haben die Lkw-Fahrer an den Wochenenden Freizeit, sie können im Grunde so viel trinken, wie sie wollen. Auch kommt es immer wieder zu brutalen Schlägereien im Suff, zu Mord und Totschlag. Erst wieder vor drei Wochen in Kraichgau-Süd.

Grundsätzlich werden am Wochenende natürlich vorwiegend ausländische Fahrer auf den Rastplätzen erwischt. Ob sich deutsche Fahrer am Wochenende daheim betrinken und nur das Glück haben, nicht erwischt zu werden, bliebt im Dunkeln. Profis am Steuer machen das nicht, heißt es von deutschen Fahrern in den sozialen Medien. Andere behaupten sogar, die Chefs wüssten davon, die Polizei würde gezielt wegschauen. Auf alle Fälle tauchen leider auch immer wieder Meldungen von Unfällen auf, bei denen alkoholisierte deutsche Fahrer am Steuer saßen.

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Bis zu 6.000 alkoholkranke Lkw-Fahrer täglich

Eine These zur Erklärung der vielen betrunkenen ausländischen Lkw-Fahrer lautet, dass die lange Abwesenheit von daheim dazu führt, dass einige dieser Fahrer den Frust im Alkohol ertränken. Die andere, dass immer mehr Fahrer schlicht und einfach alkoholkrank sind. Vor allem die Fahrer aus der Ukraine und Weißrussland, die immer öfter auf litauischen und polnischen Lkw wochenlang in Westeuropa unterwegs sind, fallen verstärkt auf. So wie jener Fahrer aus Litauen, der am 7. Juli im hessischen Aarbergen mit 4,39 Promille zum Glück nur beim falschen Kunden vorgefahren war.

Dieter Schäfer jedenfalls schätzt, dass laut Mautanteil im Jahresmittel jeden Tag 340.000 Berufskraftfahrer aus Osteuropa auf deutschen Autobahnen unterwegs sind. „Hochgerechnet auf die Zahl der auch von anderen deutschen Polizeistationen immer wieder am Sonntagabend erwischten betrunkenen Fahrer stellt er eine erschreckende Rechnung auf: „Das wären zwei Prozent, also 6.000 alkoholkranke Lkw-Fahrer täglich. Sehr konservativ geschätzt.“

Die Petition eines langjährigen Polizeidirektors

„Der Polizei fehlt bei den sonntäglichen Kontrollen die rechtliche Handhabe“, so der langjährige Polizeidirektor, der sich seit 2018 im von ihm mitgegründeten Verein „Hellwach mit 80 km/h“ engagiert und nun in jedem einzelnen Bundesland eine Petition beim zuständigen Innenministerium eingereicht hat. Sie lautet: „Präventiver Fahrerlaubnisentzug durch die Fahrerlaubnisbehörden bei alkoholkranken, nichtdeutschen Berufskraftfahrern nach Paragraf 46 der Fahrerlaubnisverordnung unter Anordnung von Sofortvollzug bereits nach ereignisunabhängigen Abfahrtskontrollen auf Sofortmeldung der Polizei (§2 Abs. 12 StVG)“

„Bei in Deutschland ausgestellten Fahrerlaubnissen kann die Polizei einen Berufskraftfahrer mit einem Atemalkohol von mehr als 1,6 Promille, auch wenn er nicht gefahren ist, an die ausstellende Führerscheinstelle melden und so ein verwaltungsrechtliches Prüfverfahren einleiten“, begründet Schäfer. „Eine MPU ist die Regel. Stellt der Arzt Alkoholismus fest, wird regelmäßig die Fahrerlaubnis entzogen. Die Gefahr ist gebannt.“

Änderung der Verwaltungspraxis

Einem außerdeutschen Kraftfahrer, so Schäfers Argumentation, „passiert dies nur, wenn er tatsächlich beim Fahren unter Alkohol erwischt wird.“ Er erhält dann einen Eintrag, dass er in Deutschland für die Dauer der Sperre kein Kraftfahrzeug mehr führen darf. „Wir können sicher davon ausgehen, dass die bei präventiven Abfahrtskontrollen bis zur Erlangung ihrer Nüchternheit aufgehaltenen Fahrer mit sehr hohen Promillewerten wegen ihrer Sucht auch an den Folgetagen wieder trinken und fahren werden. Genau hier bedarf es einer Änderung der Verwaltungspraxis.“

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Denn die Polizei untersagt bei präventiven Abfahrtskontrollen an Sonntagen vor 22.00 Uhr einem schwer alkoholisierten Berufskraftfahrer regelmäßig die Weiterfahrt bis zur erlangten Nüchternheit. Das dauert oft bis in den Nachmittag des folgenden Montags. Es bleibt also genügend Zeit für eine Sofortmeldung der Polizei gemäß Paragraf 2 Absatz 12 StVG an die örtlich zuständige Fahrerlaubnisbehörde. „Polizeirechtlich geht von dem alkoholkranken Lkw-Fahrer dauerhaft eine gemeine Gefahr aus“, so Schäfer. „Das Handlungsermessen schrumpft hier gegen Null. Die Fahrerlaubnisbehörde müsste also sofort handeln.“

Weiter argumentiert Schäfer: In Paragraf 46 der Fahrerlaubnisverordnung hat sie auch die Rechtsgrundlage. Der renommierte Verkehrswissenschaftler Prof. Dr. jur. Dieter Müller, Bautzen/Bad Dürrenberg, schreibt hierzu in Die Polizei 5/2020, S.199: Gem. §§ 46 i.m. 11 – 14 FeV können nämlich auch nichtinländische Fahrer ärztlich oder medizinisch psychologisch begutachtet werden und im Falle negativer Ergebnisse deren Recht aberkannt werden, von ihrer Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. Voraussetzung dafür ist allerdings eine auf Tatsachen bezogene Pflichtmitteilung des Sachverhalts an die für den jeweiligen Tatort örtlich zuständige Fahrerlaubnisbehörde. „Alkoholwerte von umgerechnet mehr als 1,6 bis über 4 Promille sind solche Tatsachen“, argumentiert Schäfer. „Sie kann die Beibringung eines amtlichen Gutachtens anordnen und zur Gefahrenabwehr bis dahin das Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland untersagen. Wegen der gemeinen Gefahr ist Sofortvollzug geboten. Ein Widerspruch hätte also keine aufschiebende Wirkung und die Gefahr wäre gebannt.“

Terminhinweis:

Am Donnerstag, dem 16.7. um 17 Uhr, stellt Dieter Schäfer als Gast bei FERNFAHRER live das Anliegen seiner Petition zur Diskussion.

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