20 Jahre Lkw-Entwicklung Mehr Leistung, weniger Abgase

20 Jahre trans Technik Foto: Archiv

In 20 Jahren Lkw-Entwicklung ist eine Menge passiert. Mehr Leistung, weniger Abgase, immer mehr Elektronik und automatisierte Getriebe markieren diese zwei Jahrzehnte.

Auch drei Jahre nach der Wiedervereinigung drehen sich viele Schlagzeilen um die neuen Bundesländer. Ebenso ist es in den ersten Ausgaben von trans aktuell. "Deutrans wird aufgelöst", "Multicar wird verkauft", "Erster Neubauprojekt Deutsche Einheit". Mit dem Neubauprojekt gemeint war der Aus- und Neubau der Autobahnen in der ehemaligen DDR.

Mercedes machte Werbung für LEV-Motoren

Die typischen schweren Lkw jener Zeit hießen Mercedes SK1838, MAN 19.372, Scania R113, Volvo F12 oder DAF 95. Weitaus seltener: Der Volvo F16, dessen großer Reihensechszylinder gerade sein 25-jähriges Jubiläum feiert. Er ging 1987 mit 456 PS und 2.050 Nm an den Start und leistet seit Anfang 2012 immer 750 PS, basierend auf 3.550 Nm Drehmoment. Mercedes machte aufwendige Werbung für die LEV-Motoren mit 8,0 g/kWh Nox-Ausstoß und 45.000 Kilometer langen Wartungsintervallen. Heute gelten 0,4 g/kWh (Euro 6) und 150.000 Kilometer als Maßstab.

Renault Trucks, seit dem Jahr 2000 ein Tochterunternehmen der AB Volvo, firmierte noch als Renault Vehicules Industriels (RVI), Steyr in Österreich produzierte noch eigenständige Lkw und  MAZ aus Weißrussland startete die Produktion von Schwer-Lkw mit ZF-Getrieben und MAN-Motoren. Noch, aber nicht mehr lange im Geschäft: die britischen Marken Seddon Atkinson oder ERF. Keine Rede von China, keine Rede von den BRIC-Märkten. Die Lkw-Welt konzentrierte sich auf die drei Märkte Europa sowie Nord- und Südamerika. So die Situation im Jahr 1992.

1992: Die IAA zum ersten Mal in Hannover

Die IAA fand in diesem Jahr zum ersten Mal in Hannover statt. IAA Nutzfahrzeuge hieß sie fortan, um sich von der IAA Pkw zu unterscheiden, die ihren Platz nach wie vor in Frankfurt hat. Spektakuläre Neuheiten zeigte diese Messe allerdings nicht, deutete aber an, wohin die Reise bei der Lkw-Technik geht. Weniger schädliche Abgase, automatisierte Getriebe, umfangreichere  Modellangebote, größere Fahrerhäuser, mehr Elektronik (vor allen Dingen für Motorsteuerung und Einspritzung) und eine langsame Abkehr von der immer noch allgegenwärtigen Trommelbremse.

Den ersten großen Schritt auf dieser Reise machte der Volvo FH im Jahr 1993 Von wenigen Komponenten abgesehen hatten die Schweden mit dieser Baureihe ein komplett neues Fahrzeug auf die Räder gestellt, das sich damals ganz schnell zum bestverkauften Lkw in Europa mauserte. Und hatten mit Blick auf Abgas und Verbrauch zudem das Glück des Tüchtigen. Denn just zuvor war Euro 1 zur Pflicht geworden. Was die meisten Lkw-Hersteller freilich auf dem falschen Fuß erwischte. Kurz: Sie mussten den Förderbeginn der Einspritzpumpe in Richtung spät verstellen, um die Verbrennungstemperaturen und damit die NOx-Produktion auf den neuen Grenzwert von 9 g/kWh zu senken. Der Verbrauch allerdings stieg.

Volvo mit elektronisch gesteuerter Hochdruckeinspritzung

Anders Volvo. Denn im FH12 werkelte mit dem D12A ein neuer Sechszylinder mit elektronisch gesteuerter Hochdruckeinspritzung und Pumpe-Düse-Elementen. Das war absolut neu in Europa. Hinzu kam eine aerodynamisch geformte Front. Beides zusammen führten zu deutlich niedrigeren Verbräuchen als beim Wettbewerb. Auch das war der Grund, warum sich der FH, der fast ohne Kinderkrankheiten auskam, so gut verkaufte.

"Die Leiden des jungen Wörther" hieß einige Jahre später ein längerer Artikel in lastauto omnibus, der Schwesterzeitschrift von trans aktuell. Gemeint war der 1996 vorgestellte neue Actros, der, ähnlich wie der Volvo FH, nahezu komplett neu daher kam, aber für allerlei negative Schlagzeilen sorgte. Doch zuerst zu den vielen Neuerungen. Neue V6- und V8-Motoren kamen zum Einsatz, ein ebener Fahrerhausboden à la Renault Magnum, ein Stabilenker an der Hinterachse, 100.000 Kilometer lange Wartungsintervalle, Scheibenbremsen rundum mit elektropneumatischer Betätigung, jede Menge Elektronik, neue Sicherheitssysteme und die Telligent-Schaltautomatik für die hauseigenen 16-Gang-Getriebe.

Mercedes: Kupplungspedal für den Notfall

Um den Kunden die Angst vor einem Getriebeausfall zu nehmen, hatte Mercedes das Kupplungspedal im Fahrerhaus gelassen, es allerdings hochgeklappt, weil es eben nur im Notfall benutzt werden musste. So mancher Fahrer allerdings – wer liest schon die Bedienungsanleitung – klappte munter das Pedal herunter, um es bei jedem Schaltvorgang auch schön zu betätigen. So wie er es vom Vorgänger EPS gewohnt war. Freilich tat die Automatik dann die tollsten Sachen, weil sie die Fahrereingriffe nicht verstehen konnte. Prompt beschwerten sich die Fahrer.

Das allerdings war das kleinste Problem, das der neue Actros seinen Kunden respektive Fahrern bescherte. Die großen Probleme: Ärger mit den neuen Motoren (gebrochene Kipphebel, undichte Kopfdichtungen, Risse in den Zylinderköpfen)  mehr Verbrauch als versprochen, verschleißfreudige Bremsbeläge, generelle Probleme mit der Fahrzeugelektronik, undichte Antriebsachsen sowie eine teilweise schlechte Verarbeitungsqualität. Zugute halten muss man den Männern (und Frauen) vom Stern, dass sie die Mängel zumeist kulant und schnell korrigiert haben.

Actros geht als Trendsetter in die Lkw-Geschichte ein

Zwei Jahre später waren die meisten Probleme vergessen, und der Actros ging als Trendsetter in die Lkw-Geschichte ein. Denn tatsächlich hatte er eine ziemlich gut funktionierende Schaltautomatik, er machte Scheibenbremsen und Fahrerassistenzsysteme im Lkw salonfähig und schraubte die Wartungsintervalle nach oben.

Die gute, alte Reiheneinspritzpumpe hatte zwar im Actros ausgedient, tat allerdings noch in vielen anderen Lkw als sogenannte Hubschieberpumpe mit flexiblem Förderbeginn ihren Dienst. Aber das waren in Europa die letzten Zuckungen der 1927 von Bosch entwickelten Reihenpumpe. Längst hatte Scania auf Pumpe-Düse-Elemente umgestellt, DAF setzte in der oberen Leistungsklasse mangels eigenem Motor auf einen Cummins Motor (System Pumpe-Düse) und Iveco schickte sich 1998 an, eine neuen Motorengeneration namens Cursor auf die Straße zu lassen. Erstmals tauchte im Lkw der Begriff Downsizing auf. Denn nur 7,8 Liter Hubraum erreichte der Erstling dieser Cursor-Baureihe, die größere Variante kam auf 10,3 Liter. Das war sozusagen der dritte Schritt. Kleine Motoren mit hoher Leistung für wenig Verbrauch. Vor der Tür stand mittlerweile allerdings Euro 3 und eine weitere Reduzierung der Stickoxide. Die durften bei Euro 1 noch 9 g/kWh erreichen, jetzt nur noch 5,0 g/kWh. Das wiederum reichte beim Verbrauch trotz Hochdruckeinspritzung, Turbolader mit variabler Geometrie und Pumpe-Düse-Elementen  gerade mal zur Kompensation der Euro 3-bedingten Verbrauchsnachteile.

Die Euro 3-Motoren der Baureihe D28

Vor allen Dingen MAN ließ sich mit der Umstellung auf moderne Einspritzsysteme recht lange Zeit. Die Euro 3-Motoren der Baureihe D28, wie sie im TGA Dienst machten, setzten nach wie vor auf Hubschieberpumpe. Ab 2003 stellte MAN sukzessive um. Und zwar direkt auf Common Rail, also auf jenes System, das die Einspritzung in mehrere Takte (Vor-, Haupt- und Nacheinspritzung) zerlegen kann und dessen hoher Druck quasi immer zur Verfügung steht.

Zur gleichen Zeit machte ein neues Getriebe Schlagzeilen: I-Shift von Volvo. Diese schwedischen Zwölfgang-Getriebe waren von Grund auf als automatisierte Getriebe entwickelt worden und galten wegen ihrer Schaltqualität fortan als Maßstab in der Branche. Erstmals gab es jetzt auch einen Roll-Funktion, die Diesel sparen sollte. Scania setzte bei Opticruise immer noch auf ein Kupplungspedal, das während der Fahrt zwar nicht benötigt wurde, aber beim Anfahren betätigt werden musste.

Euro 4 brachte drastisch verschärfte Vorgaben

Und dann kam Euro 4. Mit drastisch verschärften Vorgaben. Es entstand die Diskussion, ob diese Vorgaben noch mit innermotorischen Maßnahmen oder nur mit einer Abgasnachbehandlung zu erfüllen waren. Letztlich setzte sich die Nachbehandlung mit SCR-Katalysatoren auf breiter Front durch, nur Scania hielt und hält bis heute (Euro 5) die Abgasrückführung (AGR)  für die bessere Wahl. Bei Euro 6, so der Stand der Dinge, kommen EGR und SCR gemeinsam zum Einsatz.

Wie geht es weiter? Jetzt muss Kraftstoff gespart werden. Mit verbesserter Aerodynamik, mit geregelten oder gar vom Motor entkoppelten Nebenaggregaten und mit mehr Energie-Rückgewinnung als es der Turbolader kann. Das wird der nächste große Schritt bei der Lkw-Entwicklung sein.

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