ASA-Experte Harald Hahn: Daten nur gegen Bezahlung

ASA-Experte Harald Hahn
Daten nur gegen Bezahlung

WERKSTATT aktuell im Gespräch mit Harald Hahn, Experte beim Werkstattausrüster-Verband ASA, über aktuelle Entwicklungen bei der Diagnose und bei Ersatzteilen für Lkw.

Diagnose am Lkw
Foto: AVL Ditest
Herr Hahn, was tut sich zurzeit beim Thema Diagnose bei Lkw?

Beim Thema Diagnose ist bei Lkw einiges in Bewegung geraten. Die Hersteller sind vermehrt dabei, die Systeme zu verschlüsseln und Security Gateways (SGW) zu integrieren

Was genau ist unter Security Gateways zu verstehen?

Diese Sicherheitstechnologie ist bei Pkw bereits zunehmend etabliert. Bei den Nutzfahrzeugen steht die Einführung noch am Anfang. Es sind aber Tendenzen für die nächsten Jahre zu erkennen, dass SGW bei den neuen Modellen zunehmend zum Einsatz kommen werden. Unter SGW versteht man eine Sicherheitstechnologie ähnlich wie die Firewall beim PC. Auf Lkw bezogen: Bestimmte Diagnose-Tätigkeiten können dann nur noch von berechtigten Personen ausgeführt werden. Die Berechtigung wird meist über sogenannte Zertifikate erteilt, die man sich beim Fahrzeughersteller über das Diagnosetool abholen muss. Mit diesem Zertifikat lässt sich die Diagnose zum Fahrzeug dann über das Gateway öffnen wie eine verschlossene Tür.

Harald Hahn, Leiter des Fachbereichs Diagnose- und Abgasmessgeräte des ASA-Verbandes
ASA-Verband
Harald Hahn, Leiter des Fachbereichts Abgas/Diagnose beim ASA-Verband: „Unter dem Stichwort Cybersecurity versuchen die Fahrzeughersteller zunehmend, dem Independent Aftermarket das Leben zu erschweren.“
Führt das dazu, dass fehlergeführte Diagnosen in Nfz-Werkstätten nur noch mit OE-Testern möglich sind?

Ähnlich wie beim Pkw integrieren die Fahrzeughersteller technische Informationen wie etwa den Schaltplan, Informationen zu Sensoren oder Messhilfen zu Sensoren zunehmend direkt in den Diagnosetester. So stehen diese nicht mehr wie bisher als RMI-Information zur Verfügung. Stichwort ist hier die Geführte Fehlersuche, in der abhängig vom gewählten Diagnoseschritt nur die dafür benötigten technische Information zur Verfügung gestellt werden – auf dem Bildschirm und nicht mehr als Dokument. Dies erschwert die Reparaturmöglichkeiten in der freien Nfz-Werkstatt, da diese Informationen nur noch online und gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt werden, außerdem nicht in der Tiefe und Darstellung wie es die Werkstatt bisher gewohnt war.

Wie gestaltet sich der Tausch von Einbauteilen vor diesem Hintergrund?

Beim Tausch von Bauteilen braucht es zwingend eine Online-Verbindung, um das Bauteil dem Fahrzeug bekannt zu machen. Ansonsten kennt das Fahrzeug dieses Bauteil nicht. Die Diagnosegerätehersteller tragen dem Rechnung, indem sie zunehmend B2B-Verträge mit den Fahrzeugherstellern abschließen und die Originaldiagnosedaten vom Hersteller kaufen. Dann können sie die Originaldiagnosedaten in den Mehrmarkentester integrieren, um hochwertige Diagnosetools auch der Freien Werkstatt zur Verfügung stellen zu können.

Welche Trends sind außerdem zu beobachten?

Die Werkstatt, egal, ob es sich um einen freien oder markengebundenen Betrieb handelt, wird zunehmend gezwungen, für viele Tätigkeiten online zu gehen. Das heißt konkret: sich auf dem Herstellerportal einzuwählen und sich Informationen online zu holen. Die Vertragswerkstatt hat hierzu mit dem Hersteller einen Vertrag, in dem diese Leistungen und Services abgegolten sind. Die Mehrmarkenwerkstatt hingegen muss hierfür jeden Datenzugriff bezahlen und hat zunehmend mehr Restriktionen oder Behinderungen, um an diese Information zu gelangen. Es geht hier nicht nur um die Verfügbarkeit, sondern auch um die Zeit, die es braucht, Infos aufwändig zu suchen. Jeder Fahrzeughersteller hat eine andere Philosophie, wie er diese Informationen zur Verfügung stellen möchte. Gerade unter dem Stichwort Cybersecurity versuchen die Fahrzeughersteller, dem Independent Aftermarket (IAM) das Leben zunehmend zu erschweren. Viele Tätigkeiten, auch teilweise einfache wie zum Beispiel Fehlercode löschen, sind nur mit Online-Zugriff oder Zertifikaten möglich. Beim Herstellertool laufen diese Prozesse meist unbemerkt im Hintergrund ab.

Wie steht es bei Lkw um die Teileidentifikation via VIN?

Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Teilehändlern, die überhaupt Teile für Nutzfahrzeuge anbieten und handeln. Bei Lkw ist die eindeutige VIN-bezogene Teile-Identifikation ein wichtiges und schwieriges Thema. Es existiert derzeit keine Datenbank mit vollumfänglicher VIN-Identifikation, weder für Pkw, noch für Nutzfahrzeuge.

Woran liegt das?

Der Nfz-Markt und damit auch der Teilemarkt sind im Gegensatz zum Pkw-Markt wesentlich kleiner und überschaubarer. Der Teilemarkt wird von wenigen Teilehändlern bedient. Zudem haben die Fahrzeughersteller wenig Interesse, diese Informationen offenzulegen. Dies geschieht nur, wenn der Verordnungsgeber, ich meine konkret Brüssel, hier Vorgaben macht.

Was müsste sich ändern?

Die einschlägigen Organisationen wie der Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA) und der Internationale Dachverband des freien Kfz-Teilegroßhandels FIGIEFA kämpfen hier seit Jahren zusammen mit anderen Verbänden im AFCAR-Verbund, dass die Fahrzeughersteller diese Information bereitstellen müssen. Erfolge hinsichtlich der Offenlegung der VIN wurden bereits in der Verordnung (EU) 2018/858 erzielt. Im Annex X wird unter Absatz 6 Anforderungen eindeutig Bezug genommen auf diese Thematik. Ebenso ist an dieser Stelle die Zur-Verfügung-Stellung dieser Informationen geregelt. Die Verordnung trat zum 01.09.2020 in Kraft. Strittig ist, ob diese Informationen auch für Fahrzeuge bereitgestellt werden müssen, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung Typ-genehmigt wurden.