Van Hool T916 Astronef Das Flaggschiff im Fuhrpark

Van Hool, T916 Astronef Foto: Augustin 9 Bilder

Theaterbestuhlung, faszinierende Lichtspiele und viel Busverstand – der Van Hool T916 Astronef. hat das Zeug zum Flaggschiff im Fuhrpark.

Alles ist wie geplant, doch nichts, wie es sein soll: Der Superhochdecker wartet pünktlich am Treff, steht aber frierend in Schnee und Eis. Mitte März hat der Winter über Nacht Europa fest im Griff – Glatteis statt Frühlingsgefühle. Die Verkehrsmeldungen sind länger als das Musikprogramm. Doch Van-Hool-Manager Yves Goffin erklärt mit Bärenruhe: „Ein Van Hool fährt auch bei diesem Wetter.“ Dieses Wetter ist extrem unwirtlich, deshalb streift nur ein kurzer Blick die goldbraune Haut des Astronef, sie sieht nach knackiger Sommerfrische aus. Zwar zählt ein Van Hool optisch nicht zu den Aufregern, doch die ansteigende Gürtellinie des Astronef, die integrierte Klimaanlage, eine gekonnte Verarbeitung mit engem und gleichmäßigem Fugenbild, dazu satt schließende Klappen und Türen – all das ist Ausweis von Klasse. Die schräge Fensterbrüstung bedingt individuelle Seitenscheiben. Der unauffällige Versatz der Klappenoberkante in Höhe der Mitteltür deutet auf ein Baukastensystem hin: Das Heckmodul des neuen Astronef stammt ohne Änderung von seinem Stammvater Astron. 

Zu den liebevollen Details des Busses gehören sogar Radmuttern mit Markenschriftzug. Traditionell überzeugen die Belgier durch innere Werte, hinein in die gute Stube. Ihr Anblick lässt Schnee und Eis in Sekundenschnelle schmelzen: Ein knapp 80 Zentimeter breites Glasdach aus neun Segmenten überspannt den Mittelgang, ergänzt von verglasten Dachluken. An den Gepäckablagen ziehen sich LED-Lichterketten entlang, wahlweise weiß, grün, rot oder blau leuchtend, oder in einer Mischung davon. Faszinierende Lichtspiele spiegeln sich im Glasdach, schimmern auf den eleganten cremefarbigen Kunstlederverkleidungen von Dachholmen und Gepäckablagen. Ein Bus wie von einem anderen Stern, passend zur Modellbezeichnung – Astronef bedeutet Raumschiff. Den Begriff darf man hier getrost wörtlich nehmen: Die schräge Gürtellinie draußen bedeutet drinnen eine Theaterbestuhlung. Boden und Podeste steigen von vorne nach hinten um rund 30 Zentimeter an. Ergebnis sind ein großzügiger Raumeindruck und beste Aussicht auf die Umgebung. Jeweils 15.000 Euro kosten die Schritte zur Theaterbestuhlung und zum Glasdach, das Geld ist gut angelegt. Ein halbes Jahr nach der Vorstellung liegen bereits 50 Bestellungen für den Astronef vor. Unterstützend überträgt eine schwenkbare Kamera in der Dachkuppel Bilder von draußen – ideal für Stadtrundfahrten. 13 Meter Buslänge bedeuten bei Van Hool stets drei Monitore. Sie haben stattliches Format und sind perfekt angeordnet. Das Glasdach aber zwingt ein Mitglied des Trios nach links in die Gepäckablage, das kostet dort Platz. Fahrgäste nehmen auf den hauseigenen Sitzen der Belgier Platz. Die Lehnen sind stützend ausgeformt, die Sitzflächen dagegen betont flach. Die Stuhlkissen lassen sich mit einem Handgriff für Pflege und Reparatur auswechseln; eingesetzte Adapterstücke regeln die maximale Lehnenneigung – ein Van Hool ist stets ein Bus für Praktiker. Und für Passagiere: Trotz des ansteigenden Bodens erreichen große Fahrgäste auch in den vorderen Reihen mit ausgestrecktem Arm die Servicesets. Hinten steigen Gepäckablagen und Luftkanäle an, das gewährleistet die notwendige Kopffreiheit. Mit viel Holz in den Bauteilen, mit reichlich Stoff und schaumgepolsterten Verkleidungen schafft Van Hool optisch wie akustisch eine warme Wohlfühl-Atmosphäre an Bord. Ein Van Hool ist ein Zuhause auf Rädern, handwerklich gediegen verarbeitet, dazu flüsterleise gedämpft. Dank großer Fertigungstiefe bereiten individuelle Einbauten kein Problem. Beim Testwagen betraf dies die ausladende Küche mit ihren zwei Blöcken links und rechts des Mitteleinstiegs. Zwei Kühlschränke, Mikrowelle, Espressomaschine, sogar eine Bierzapfanlage – der Astronef als Bistro auf Rädern. Kein Wunder, dass der Fahrer vor dem Start ins Röhrchen pusten soll, nur Nüchterne dürfen starten. Das Cockpit ist üppig bemessen, der Blick durchs weit verstellbare Lenkrad gibt den Blick frei auf sympathisch-konservative Instrumente, hervorragend ablesbar wie in einem Kontrollraum. Fauxpas: Van Hool verzichtet auf eine farbige Kennzeichnung des Drehzahlmessers. Etwas nüchtern wirkt das DAF-Lenkrad, Leder würde Hände und Seele des Fahrers streicheln. Die aufpreispflichtige Fahrertür ist nicht nur sicht- sondern mit Windgeräuschen ebenfalls hörbar. Der Spiegel links liegt außerhalb des Wischerbereichs. Auch mit Ablagen könnte es etwas besser bestellt sein – doch halt, neben dem weitläufigen Beifahrerplatz nimmt ein Schrank den Papierkram auf.

Die Mittelkonsole quillt vor Tasten fast über, sie liegen durchweg tief. Ursache der Fülle ist neben der Klaviatur der extravaganten Innenbeleuchtung ein zweiter Bildschirm in der Armaturentafel. Van Hool verwandelt den Astronef optional in einen Kamerawagen: Wärmebildkamera nach vorn für die Nacht, Rückfahrkamera, separate Kameras für die Ecken links und rechts am Heck sowie vorn rechts, eine Kamera für den Spurassistenten, alles im Dienste der Sicherheit.  An anderer Stelle haben die Belgier Nachholbedarf: ESP kommt erst im Sommer. Aber wenn sich der beladene Superhochdecker in verschneite Steigungen hineinwirft und seine Hinterräder die Eisränder der Kurven abfräsen, wünscht sich der Fahrer die Sicherheitsreserve schon jetzt herbei. Dabei ist das Fahrwerk nicht von schlechten Eltern. Zwar wippt der vordere Überhang mehr als manchem Magen zuträglich, doch generell liegt der Astronef satt und sicher auf der Straße. Die Achsen poltern nicht, die Seitenneigung hält sich in zügigen Kurven in Grenzen. Die Nachlaufachse mit Einzelradaufhängung verleiht dem 13-Meter-Wagen verblüffende Wendigkeit. Seine Lenkung indes arbeitet ein wenig schwergängig. Viele Details zeigen, mit wie viel Busverstand Van Hool ans Werk geht: Staufächer über und vor der Vorderachse nehmen Vorräte und Fahrergepäck auf.

Ein Haken im Gepäckraum hilft beim Fischen nach verrutschtem Gepäck; die Wassertanks verfügen über einen Schlauchanschluss mit Gardena-Kupplung. Türführungsbügel sind innen angeordnet, können nicht angefahren und verbogen werden. Die Elektrik mit perfekter Beschriftung lässt sich im hintersten Winkel Europas reparieren. Überdies zählt der Astronef mit seinem Edelstahlgerippe zu den Langzeitbussen. Der Umgang mit dem Astronef bereitet Vergnügen, unterstützt durch die Maschine, ein DAF MX 340 mit EEV. Er hat unverkennbar amerikanische Wurzeln, etwa den gedämpften aber maskuline Sound. Der DAF zeigt nicht nur akustisch breite Schultern: Das bullige Drehmoment von 2.300 Nm liegt konstant von 1.000 bis 1.400 Touren an. Unmittelbar anschließend erreicht der Diesel seine Höchstleistung von 462 PS. Das bedeutet dank des steilen Leistungsanstiegs enorme Kraft bei mittleren Drehzahlen und prächtige Fahrbarkeit. Serienmäßig verbindet Van Hool den Motor mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe. Doch die Käufer greifen zur AS-Tronic. Van Hool stimmt sie individuell für jedes Modell ab, das bedeutet hier sanfte Schaltvorgänge und ruckfreies Rangieren.  Angesichts des bärenstarken DAF könnte Van Hool bei Gelegenheit nachjustieren: Das Getriebe schaltet unnötig leistungsorientiert, der Motor verträgt niedrigere Drehzahlen. Über die Autobahn schnürt der Astronef mit gut 1.300 Touren, dieses Niveau könnte man noch verringern. Auf der Bundesstraße nimmt der Motor in der Ebene den zwölften Gang und 1.050 Touren nicht übel – dafür muss der Fahrer Hand anlegen. Wer ein wenig mitspielt, fährt den Van Hool Astronef mit erstaunlich niedrigem Verbrauch: 31,2 Liter sind angesichts einer anspruchsvollen Strecke und diesmal noch anspruchsvolleren Bedingungen ein hervorragender Wert für den beladenen Dreiachser. Soll der Astronef die gewaltigen Tanks von 735 Liter Diesel und 100 Liter Adblue leerschlürfen, muss er auf leichten Autobahnabschnitten rund 3.000 Kilometer zurücklegen. Die Witterung stört dabei überhaupt nicht, denn ein Van Hool fährt bekanntlich bei jedem Wetter. Und das sogar richtig gut.

Fazit

Der Astronef ist ein echter Geheimtipp für Kenner. Zwar außen wenig spektakulär, aber drinnen gekennzeichnet von attraktiven Lichtspielen, dem üppigen Glasdach und einer gediegenen Verarbeitung. Ohnehin beweist der Astronef, dass Van Hool mit viel Busverstand und Mühe zum Detail konstruiert und fertigt. Die überschaubaren Mängel fallen kaum ins Gewicht und ab Sommer gibt es endlich den Rettungsanker ESP. Die Kombination aus individueller Ausführung, Langzeitqualität und einem attraktiven Preis rückt den Astronef sogar als Flagschiff für den Fuhrpark in die Optik.

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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