Setra Multiclass S 415 UL Euro 6 Kleiner Diesel, großes Herz

Setra Multiclass S 415 UL Euro 60, Euro 6 Foto: © Adam/publick.de/Daimler 7 Bilder

Der Motor im Heck des Setra Multiclass S 415 UL Euro 6 schrumpft mit der neuen Abgasstufe um ein Drittel, doch der Überland-Bestseller zeigt überraschend Herz.

Unauffällig steht er da in seinem grauen Anzug, fast unscheinbar. Keiner beachtet den Überlandbus, weder in der Setra-Auslieferungshalle, noch später am Busbahnhof oder während einer ersten Landpartie. Dabei steckt im Heck des Busses etwas ganz Besonderes – es ist die erste Multiclass mit Motor nach Euro 6.

Der Setra ist am Heck zu erkennen

Zu erkennen gibt sich der Sauber-Setra allein am Heck: Die neue Leichtbau-Motorklappe hat Quersicken, trägt rechts ein Entlüftungsgitter für den Kühler, links eine spiegelbildlich angeordnete Attrappe. Kühlergitter rechts, Motoransaugung auf halber Höhe links, drunter zwei Öffnungen zur Lüftung des Fachs mit der Abgasanlage – man muss schon genau hinschauen, um den Überland-Setra mit dem Antriebsstrang von morgen zu identifizieren. Oder hinhören: Gleich nach dem Kaltstart arbeitet der neue Motor im Heck friedlich, ohne das bisher gewohnte harte Hämmern. Der Klang in Moll, er passt zum sanften Charakter eines Setra.

"Wir liegen in den Messwerten geringfügig besser, doch subjektiv ist es ein Riesenschritt", verdeutlicht Christian Rudigier, der verantwortlich für die Produktplanung Antriebsstrang ist, die Verbesserung der Akustik. Common-Rail statt Pumpe-Leitung-Düse – nur einer von vielen Unterschieden zwischen dem altbewährten Motor OM 457 und dem OM 936 im Heck. Der Neue hat 7,7 statt 12,0 Liter Hubraum, die Motorleistung von 220 kW (299 PS) und das Drehmoment von 1.200 Nm sind praktisch identisch. Aber hohe Zünd- und Einspritzdrücke, zwei oben liegende Nockenwellen und weitere Details wie eine verstellbare Auslassnockenwelle machen die Maschine zum technischen Leckerbissen. Sie ist außerdem leichter als ihr Vorgänger. "Wir haben Filter- und Abgasanlage überkompensiert", erläutert Rudigier. Ergibt ein Mindergewicht von mindestens 200 Kilogramm, das hört man gern.

Kleine Maschine im großen Bus

Misstrauisch werden Interessenten angesichts des schmalen Motorformats mit einem Drittel weniger Hubraum. Die Wartungsintervalle von 90.000 Kilometern für den Ölwechsel sind identisch, der Partikelfilter arbeitet bis zu 240.000 Kilometer oder zwei Jahre bis zur Reinigung. Und was die Lebensdauer des Diesels angeht: "Da mache ich mir keine Sorgen", so Rudigier.

Und wie läuft die kleine Maschine im großen Bus? "Bei gleichem Getriebe und identischer Übersetzung ist die Bergsteigfähigkeit identisch", versichert Rudigier. Der Blick auf die Daten nennt mit Standardachse 3,15 im höchsten Gang bei Tempo 80 und 1.300 Touren eine Steigfähigkeit von drei Prozent. So weit die Theorie.

Beim Anfahren mit gewohnt frühem Hochschalten wirkt der Setra zunächst etwas matt. Prompt ergänzt Rudigier: "Der verträgt Drehzahlen." Wie bei den großen neuen Motoren beginnt der grün markierte Bereich bereits bei 900 Umdrehungen, endet jedoch nicht bei 1.500, sondern läuft erst bei 1.700 Touren aus. Also probehalber beim Beschleunigen bis 2.000 Touren drehen, schon passt die Angelegenheit, stimmen die Anschlüsse, läuft der Setra.

Das Triebwerk zieht ohne Geschrei bis 2.800 Umdrehungen hinaus

Rot läuft der Drehzahlmesser erst bei 2.800/min an. Ab zum Extremtest auf eine abgelegene Landstraße: Sauber und ohne Dröhnen oder protestierendes Geschrei zieht das Triebwerk bis 2.800 Umdrehungen hinauf. Die Drehzahlorgie kostet den Fahrer mehr Überwindung als den Motor. Der legt zwar oberhalb der Nenndrehzahl nicht mehr vehement zu. Aber als Reserve für Steilstrecken kommt die außergewöhnliche Drehzahlfestigkeit in Verbindung mit Sechsganggetriebe wie gerufen.

Gegenprobe in der nächsten Ortsdurchfahrt: Ohne Murren tourt die Maschine auf ebener Strecke im sechsten Gang gelassen mit 800 Umdrehungen durchs Dorf. Das nutzbare Drehzahlband des neuen Triebwerks ist beeindruckend. Dieser kompakte Diesel hat’s richtig drauf, wenn man ihn zu nehmen weiß.

Und es gibt ihn ja auch in einer höheren Leistungsstufe und in Verbindung mit dem feinen vollautomatisierten Achtganggetriebe. "Wir raten zu Powershift", empfiehlt Rudigier, "denn der Preissprung ist nicht groß." Die Redaktion schließt sich angesichts der knorpeligen Schaltung im Testwagen an. Ein leichtes Schütteln im Leerlauf war nicht auf grimmige Kälte, sondern den Vorserienstand zurückzuführen – die Auslieferungen beginnen erst im Laufe des Frühjahrs.

Die Maschine läuft kultiviert - egal ob mit hohen oder niedrigen Drehzahlen

Unverändert wird der Klang des neuen Motors bleiben. Der Diesel ist präsent, doch das schwere Hämmern des Vorgängers ist einem hellen turbinenähnlichen Klang gewichen. Die Maschine läuft kultiviert und fast seidig, ob nun mit hohen oder niedrigen Drehzahlen, unter geringer oder deftiger Last. Auch wenn der Setra mit 1.600 Umdrehungen und Tempo 100 auf der Autobahn fährt, gibt es keinen Anlass zur Beschwerde, denn Achse und Getriebe sind akustisch präsenter als der Motor. Der Setra mit dem kompakten Motor taugt also ohne Einschränkung auch für Ausflüge und Kurzreisen. Ebenso kultiviert verzögert der Bus: Der neue Wasserretarder hat Biss, setzt sanft, jedoch sehr nachdrücklich und leise ein.

Bordcomputer zeigt knapp 27 Liter/100 Kilometer

Am Ende der Testrunde zeigt der Bordcomputer einen Verbrauch von knapp 27 Liter/100 km. Schwer einzuschätzen, was das in der Praxis bedeutet. Christian Rudigier: "Wir haben auf typischen Referenzstrecken mit dem OM 936 einen Minderverbrauch." Er nennt Werte zwischen zwei und fünf Prozent. Dabei hilft die Peripherie des Motors: Der neue Luftpresser spart ebenso Sprit wie das Batterie- und Generatormanagement oder die Adblue-Einbringung ohne Druckluft. Stichwort Adblue: Sein Verbrauch sinkt mit Euro 6 drastisch auf etwa die Hälfte.

Trotzdem wird sich der Mehrpreis von etwa 12.000 Euro für die Abgasstufe Euro 6 kaum über den Spritverbrauch hereinspielen lassen. Setra verweist auf Faktoren wie den Wiederverkaufswert oder mögliche künftige Einfahrbeschränkungen von Städten und Gemeinden. Käufer haben die Wahl: Setra baut bis Jahresende Euro 5 und Euro 6 parallel.

Es lohnt sich also, das Thema intensiv zu kalkulieren. Der hier so unauffällig ganz in Grau eingekleidete Setra ist jedenfalls viel spannender, als es den Anschein hat.

Darf’s ein wenig mehr sein?

Die Multiclass mit dem klassischen Überland-Bodenmaß von 860 Millimetern fährt ab Euro 6 mit dem neuen Mercedes OM 936 mit 7,7 Liter Hubraum und maximal 260 kW (354 PS). Die stärkere Ausführung bringt es auf 1.400 Nm Drehmoment, gegenüber dem bisherigen Motor ein Abstieg um 200 Nm. Wer Dampf benötigt, muss zum Achtganggetriebe greifen oder die höheren Ausführungen Multiclass 415/416 H oder Dreiachser ordern. Hier ist der neue OM 470 mit 10,7 Liter Hubraum im Einsatz. Er leistet 265 kW (360 PS) bis 315 kW (428 PS), das Drehmoment reicht bis zu 2.100 Nm.
Den OM 470 baut Mercedes nur in stehend, das hat wegen der Bauhöhe Konsequenzen: Boden und Podeste steigen im Heck stärker an, die Stufe vor der letzten Reihe ist höher. Zugunsten der Kopffreiheit für sitzende Fahrgäste ist die Gepäckablage im Heck verkürzt. Zwar sind Motor und Retarder etwas leichter, Abgasanlage und Partikelfilter aber führen zu einer Gewichtszunahme um 100 bis 150 Kilo. Für Dreiachser unerheblich, bei 415/416 H müssen Interessenten hinschauen. Bleibt die Multiclass NF: Dieser Niederflur-Setra auf Basis Citaro wird mit Euro 6 sein Leben aushauchen. Wer Niederflurbusse sucht, wird künftig nur bei der Schwestermarke Mercedes fündig.

Die zweite Luft

Downsizing heißt das Gebot, aus kompakten Motoren gilt es, immer mehr herauszuholen. Das spart Gewicht und senkt den Verbrauch. Trotzdem sind kleine Motoren in ihren Fähigkeiten begrenzt, Kraft aus dem Keller ist ihre Sache nicht. Damit Stadtbusse mit Automatikgetriebe beim Anfahren in Tritt kommen, haben sich die Motorenentwickler von Mercedes einen Trick einfallen lassen: Beim neuen OM 936 in liegender Bauweise (Foto) wird das Anfahrmoment durch Drucklufteinblasung in den Ansaugtrakt verstärkt. Die Luftzufuhr ersetzt den Ladedruck des Turboladers, der bei niedrigen Drehzahlen mit geringem Abgasstrom noch nicht auf Touren kommt. Die Zusatzdosis ist begrenzt auf Drehzahlen bis 1.000 Touren, danach stehen die Motoren dank Turbolader voll im Saft. Vorteil der Technik: Neben erheblich verbesserter Anfahrleistung kann das Automatikgetriebe früher hochschalten, die Anschlussdrehzahl sinkt, ebenso Verbrauch und Partikelemissionen.

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